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Vermittlungsleistungen einer privaten Arbeitsvermittlerin an Arbeitsuchende können umsatzsteuerfrei sein

BFH 29.7.2015, XI R 35/13

Eine pri­vate Ar­beits­ver­mitt­le­rin kann Ver­mitt­lungs­leis­tun­gen ge­genüber Ar­beit­su­chen­den mit einem sog. Ver­mitt­lungs­gut­schein um­satz­steu­er­frei er­brin­gen. Hier­bei kann sie sich un­mit­tel­bar auf die in Art. 13 Teil A Abs. 1g der Richt­li­nie 77/388/EWG vor­ge­se­hene Steu­er­be­frei­ung be­ru­fen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin war in den Streit­jah­ren 2004 bis 2006 als pri­vate Ar­beits­ver­mitt­le­rin für Ar­beit­su­chende mit einem Ver­mitt­lungs­gut­schein nach § 421g SGB III tätig. Dazu schloss die Kläge­rin einen "Ver­mitt­lungs­ver­trag" mit dem je­wei­li­gen Ar­beit­su­chen­den ab, in dem sie sich ver­pflich­tete, die­sen mit­tels ih­res In­ter­net­sys­tems bei der Er­stel­lung ei­nes um­fas­sen­den Be­wer­ber­pro­fils zu un­terstützen und ihm nach Er­stel­lung des Be­wer­ber­pro­fils ge­eig­nete Stel­len vor­zu­schla­gen. Sie er­hielt ihr Ho­no­rar auf­grund der Ver­mitt­lungs­gut­scheine un­mit­tel­bar von der Bun­des­agen­tur für Ar­beit (BA).

Das Fi­nanz­amt be­han­delte die Ver­mitt­lungs­leis­tun­gen als um­satz­steu­er­pflich­tig. Es war der An­sicht, die Kläge­rin sei nicht als Ein­rich­tung mit so­zia­lem Cha­rak­ter i.S.d. Sechs­ten Richt­li­nie 77/388/EWG an­er­kannt; dies sei aber Vor­aus­set­zung für eine Steu­er­be­frei­ung. Das FG wies die hier­ge­gen er­ho­bene Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Kläge­rin kann sich - ent­ge­gen der Auf­fas­sung des FG - un­mit­tel­bar auf die in Art. 13 Teil A Abs. 1g der Richt­li­nie 77/388/EWG vor­ge­se­hene Steu­er­be­frei­ung be­ru­fen (vgl. zur Be­ru­fungsmöglich­keit auf diese Be­stim­mung z.B. EuGH-Urt. "Zim­mer­mann" v. 15.11.2012, C-174/11, Um­satz­steuer-Rund­schau - UR - 2013, 35, Rz 31 bis 33).

Die Kläge­rin hatte in den Streit­jah­ren Leis­tun­gen i.S.d. Sechs­ten Richt­li­nie 77/388/EWG (dort Art. 13 Teil A Abs. 1g) er­bracht und war auch als sons­tige Ein­rich­tung mit so­zia­lem Cha­rak­ter i.S.d. Be­stim­mung an­er­kannt. Dies er­gab sich in den Streit­jah­ren, in de­nen die pri­vate Ar­beits­ver­mitt­lung ohne eine zu­vor von der BA er­teilte Er­laub­nis zulässig war, aus der sich aus dem SGB III er­ge­ben­den Kos­tenüber­nahme durch die BA. Die Kos­ten wur­den in vol­lem Um­fang - auf­grund ei­nes ent­spre­chen­den öff­ent­lich-recht­li­chen ge­setz­li­chen Zah­lungs­an­spruchs - tatsäch­lich von ei­ner Ein­rich­tung der so­zia­len Si­cher­heit über­nom­men. Das reicht für eine An­er­ken­nung i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1g der Richt­li­nie 77/388/EWG aus.

Un­er­heb­lich war, ob die­ses Er­geb­nis auch für die Zeit ab dem 1.4.2012 gilt. Seit­dem bedürfen auch pri­vate Ar­beits­ver­mitt­ler (wie­der) ei­ner Zu­las­sung (§ 176 SGB III). Eine Steu­er­be­frei­ung auf na­tio­na­ler Ebene wurde für Leis­tun­gen nach dem SGB III erst mit Wir­kung vom 1.1.2015 in § 4 Nr. 15b UStG ein­geführt. Es la­gen auch keine sons­ti­gen Gründe vor, die ei­ner Be­ru­fung der Kläge­rin auf das Uni­ons­recht ent­ge­gen­stan­den. Die Leis­tun­gen der Kläge­rin wa­ren keine sol­chen, die i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 2b der Richt­li­nie 77/388/EWG als für die so­ziale Si­cher­heit "nicht un­erläss­lich" an­zu­se­hen sind oder die im We­sent­li­chen dazu be­stimmt sind, der Ein­rich­tung zusätz­li­che Ein­nah­men durch Umsätze zu ver­schaf­fen, die in un­mit­tel­ba­rem Wett­be­werb mit Umsätzen von der Mehr­wert­steuer un­ter­lie­gen­den ge­werb­li­chen Un­ter­neh­men be­wirkt wer­den.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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