Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Jahr 2007 auf Vermittlung der X-AG, bei der sie ein Wertpapierdepot unterhielt, eine lebenslängliche Todesfallversicherung mit Einmalprämie bei der Y-AG abgeschlossen. Der Sparanteil der Versicherungsprämie i.H.v. 1,2 Mio. € wurde von der Klägerin mittels Banküberweisung gezahlt. Er wurde in verschiedene Vermögenswerte investiert, die in einem bestimmten, dem Versicherungsvertrag zugeordneten Depotkonto gehalten wurden. Die Versicherungsleistung war, abgesehen von einer Mindesttodesfallleistung, an die Wertentwicklung des Depots gebunden.
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) enthielten u.a. folgende Regelungen: Der Versicherungsnehmer konnte die Anlagestrategie während der Vertragsdauer beliebig oft, kostenfrei bis zu viermal jährlich, ändern. Der Versicherungsnehmer hatte während der Vertragsdauer keinen direkten Einfluss auf die Auswahl und Verwaltung der dem Versicherungsvertrag zuzuordnenden Vermögenswerte. Er konnte insbesondere weder unmittelbar noch mittelbar über die Veräußerung der Vermögensgegenstände und die Wiederanlage der Erlöse bestimmen. Die X-AG wurde von der Y-AG als Vermögensverwalter bestimmt. Ein Wahlrecht, ein Rechtsanspruch oder ein Weisungsrecht des Versicherungsnehmers auf Beauftragung eines bestimmten Vermögensverwalters oder einer bestimmten Depotbank bestand nicht. Anlageentscheidungen wurden ausschließlich vom beauftragten Vermögensverwalter getroffen.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass es sich bei der Versicherung um eine vermögensverwaltende Versicherung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG handele. Die daraus erzielten Erträge seien deshalb im Streitjahr 2011 unmittelbar der Klägerin zuzurechnen. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass kein vermögensverwaltender Versicherungsvertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG vorliegt. Die Erträge aus dem Anlagestock sind daher im Streitjahr nicht der Klägerin zuzurechnen und von dieser nicht zu versteuern.
Es fehlte an der Voraussetzung, dass die Klägerin als wirtschaftlich Berechtigte des Versicherungsvertrages unmittelbar oder mittelbar über die Veräußerung der Vermögensgegenstände und die Wiederanlage der Erlöse bestimmen konnte. Eine unmittelbare Dispositionsmöglichkeit i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG besteht, wenn der Berechtigte selbst unmittelbar über die Vermögensgegenstände verfügen kann. Darüber hinaus begründet ein Weisungsrecht des Berechtigten gegenüber dem Versicherungsunternehmen oder dem Vermögensverwalter eine unmittelbare jedenfalls aber eine mittelbare Dispositionsmöglichkeit. Ein solches Weisungsrecht besteht nicht lediglich in den Fällen, in denen dies vertraglich zwischen den Beteiligten vereinbart ist, sondern kann - nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen (vgl. § 41 AO) - auch auf tatsächlicher Grundlage beruhen. In allen diesen Fällen bestimmt der Berechtigte als Herr des Geschehens die Auswahl der konkreten Kapitalanlagen.
Nach den Feststellungen des FG waren der steuerlichen Beurteilung des Versicherungsvertrags im Streitjahr die AVB vom 1.12.2008 zugrunde zu legen. Danach hatte die Klägerin kein verbindliches (rechtliches) Weisungsrecht gegenüber der X-AG oder der Y-AG. Sie konnte ausweislich der AVB auch keinen Wechsel des Vermögensverwalters verlangen. Auch lag keine von diesen AVB abweichende tatsächliche Handhabung vor. Die Tatsache, dass die Beauftragung der X-AG als Vermögensverwalterin bereits bei Vertragsschluss feststand, führt nicht zu einer Dispositionsbefugnis i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG. Auch die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag zu kündigen, begründet keine steuerschädliche Einflussmöglichkeit der Steuerpflichtigen, sondern kann als "vermeintliches" Druckmittel bei jeder Lebensversicherung ausgeübt werden
Für die Klägerin bestand im Streitfall lediglich die Möglichkeit, aus mehreren standardisierten Anlagestrategien, die einer unbestimmten Vielzahl von Versicherungsnehmern angeboten wurden, zu wählen. Dies ist jedoch steuerunschädlich. Das Recht der Klägerin, die gewählte Anlagestrategie beliebig oft zu wechseln, begründet kein anderes Ergebnis. Auch insoweit bestand lediglich die Wahl zwischen abstrakt vorgegebenen, standardisierten Anlagezielen, ohne dass dadurch eine individuelle Anlagestrategie vereinbart oder eine sonstige mittelbare Dispositionsmöglichkeit über die Vermögenswerte eröffnet wurde.
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