Das Bundeswirtschaftsministerium hat dazu den Entwurf einer Verordnung zur Umsetzung der Vorgaben zu Fernwärme und Fernkälte in der Richtlinie (EU) 2018/2002 sowie in der Richtlinie (EU) 2018/2001 vorgelegt, der der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Völlig überraschend hat der Bundesrat mit seinem zu diesem Entwurf ergangenen Beschluss vom 25.06.2021 grundsätzliche Änderungen an der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) vorgeschlagen und damit die gesamte Wärmebranche in erhebliche Verunsicherung gestürzt. Die gravierenden Änderungen an der AVBFernwärmeV dürften geeignet sein, vielerorts den Bestand der Fernwärmeversorgung aufs Spiel zu setzen. In seinem Beschluss stimmte der Bundesrat hingegen der Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und -Abrechnunsverordnung (FFVAV) zu.
Änderungsvorschläge des Bundesrates
Mit einer Neuregelung in § 3 AVBFernwärmeV sollen Kunden berechtigt werden, die bestellte Fernwärmeleistung ohne weitere Nachweise um bis zu 50 % zu reduzieren. Wenn Kunden beabsichtigen, erneuerbare Energien einzusetzen, sollen sie berechtigt sein, die bestellte Leistung auch darüber hinaus anzupassen oder den Wärmeliefervertrag sogar zu kündigen.
Durch einen neuen § 24 Abs. 4 Satz 4 AVBFernwärmeV soll geregelt werden, dass eine Änderung einer Preisänderungsklausel nicht einseitig durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen darf. Aus der Begründung des Beschlusses des Bundesrats ist zu entnehmen, dass nicht nur eine einseitige Änderung durch öffentliche Bekanntmachung, sondern jegliche einseitige Änderung der Preisanpassungsklauseln untersagt werden soll. Damit wären Wärmeversorger nicht mehr in der Lage, auf geänderte Kostenstrukturen oder neue Kostenfaktoren durch eine einseitige Änderung der Preisanpassungsklausel zu reagieren.
Hinweis: Über diese Änderungswünsche sowie die FFVAV ist allerdings noch nicht das letzte Wort gesprochen. Formal hat der Bundesrat mit dem Beschluss (BR-Drs. 310/21 (Beschluss)) dem Verordnungsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums mit Änderungsvorschlägen zugestimmt. Wie es jetzt weitergeht, liegt in der Hand des Bundeswirtschaftsministeriums. Das Ministerium kann die Verordnung genauso erlassen, wie der Bundesrat vorgeschlagen hat. Die Verordnung wird sodann im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt in Kraft. Stattdessen kann das Bundeswirtschaftsministerium dem Bundesrat auch einen überarbeiteten Entwurf der Verordnung vorlegen, über den der Bundesrat dann erneut zu entscheiden hätte.
Die Sitzung vom 25.06.2021 war die letzte Sitzung des Bundesrats vor der parlamentarischen Sommerpause. Die nächste Sitzung des Bundesrats findet am 17.09.2021 statt. Derzeit scheint offen, wie das Bundewirtschaftsministerium weiter vorgehen wird. Wenn das Ministerium die Änderungswünsche des Bundesrats aufgreift und die Verordnung entsprechend erlässt, müssen die Pflichten aus der dann geänderten AVBFernwärmeV und der FFVAV unverzüglich umgesetzt werden.
Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und -Abrechnungsverordnung
– FFVAV
Die bislang noch nicht in Kraft getretene FFVAV regelt in fünf Paragraphen, welche Vorgaben die Lieferanten von Fernwärme oder Fernkälte in Bezug auf die Verbrauchserfassung und Abrechnung sowie die in diesem Zusammenhang erforderliche Bereitstellung von Informationen einzuhalten haben.
Pflicht zum Einbau von Messeinrichtungen
Nach § 3 FFVAV-E sind Versorgungsunternehmen verpflichtet, zur Ermittlung des verbrauchsabhängigen Entgelts Messeinrichtungen zu verwenden, die mess- und eichrechtlichen Vorschriften entsprechen. Der Verbrauch ist durch Messung festzustellen. Wenn das Versorgungsunternehmen aus Gründen, die es nicht zu vertreten hat, an der Messung gehindert ist, darf die Verbrauchserfassung auch mittels Schätzung erfolgen.
Messeinrichtungen, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung installiert werden, müssen fernablesbar sein. Bereits installierte, nicht fernablesbare Messeinrichtungen müssen bis Ende 2026 mit der Funktion der Fernablesbarkeit nachgerüstet oder durch fernablesbare Messeinrichtungen ersetzt werden.
Fernablesbar ist gemäß § 2 Abs. 1 FFVAV-E jede Messeinrichtung, die ohne Zugang zu den einzelnen Nutzereinheiten abgelesen werden kann.
Informationen an den Kunden
In § 4 FFVAV-E ist geregelt, in welchem Turnus das Versorgungsunternehmen dem Kunden welche Informationen übermitteln muss. Die Verordnung differenziert zwischen Abrechnungen, Abrechnungsinformationen und Verbrauchsinformationen. Alle diese Informationen sind dem Kunden unentgeltlich zu übermitteln. Auf Wunsch des Kunden sind die Informationen elektronisch bereitzustellen. Dies kann entweder durch eine elektronische Übermittlung, z. B. per E-Mail, oder dadurch erfolgen, dass Unterlagen in einem Kundenportal des Versorgungsunternehmens bereitgestellt werden.
Die Abrechnung muss, wie bisher auch, mindestens einmal im Jahr erfolgen. Davon zu unterscheiden ist die Pflicht, Abrechnungsinformationen und Verbrauchsinformationen zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 4 Abs. 3 FFVAV-E müssen, wenn fernablesbare Messeinrichtungen installiert sind, Abrechnungsinformationen einschließlich Verbrauchsinformationen auf Verlangen des Kunden oder wenn der Kunde seine Abrechnung elektronisch erhält, mindestens vierteljährlich und ansonsten mindestens zweimal im Jahr zur Verfügung gestellt werden.
Ab dem 01.01.2022 müssen Abrechnungsinformationen und Verbrauchsinformationen monatlich zur Verfügung gestellt werden.
§ 5 FFVAV-E regelt, welche Inhalte das Versorgungsunternehmen dem Kunden übermitteln muss. Die Informationspflichten werden im Wesentlichen denen bei der Belieferung mit Strom und Gas angeglichen.
Neben den Informationen über die für den Kunden geltenden Preise und dem tatsächlichen, abgerechneten Verbrauch müssen künftig Informationen über den aktuellen Anteil der eingesetzten Energieträger und der eingesetzten Wärme- oder Kältegewinnungstechnologien im Gesamtenergiemix übermittelt werden. Ausweislich der Begründung zur Verordnung soll der gesamte Energie- und Technologiemix angegeben werden, der zur Wärme- oder Kältegewinnung genutzt wird. Die einzelnen Technologien sollen anteilig in der zeitaktuellen Reihenfolge des Einsatzes angegeben werden, die Anteile müssen nicht prozentual aufgelistet werden.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) FFVAV-E müssen die mit dem Energiemix verbundenen jährlichen Treibhausgasemissionen angegeben werden. Bei Systemen mit einer thermischen Gesamtleistung unter 20 MW gilt die Verpflichtung allerdings erst ab dem 01.01.2022.
Anzugeben sind schließlich die auf Wärme oder Kälte erhobenen Steuern, Abgaben oder Zölle. Dabei geht es ausdrücklich nicht um die Abgaben, die auf einzelne Energieträger erhoben werden, sondern diejenigen, die auf die Endprodukte Wärme und Kälte erhoben werden.
Darunter fällt allenfalls ein etwaiges Gestattungsentgelt, das das Versorgungsunternehmen für die Nutzung von Straßen und Wegen an die Kommune entrichtet.
Dem Kunden muss weiterhin mit der Abrechnung ein Vergleich des aktuellen Wärme- oder Kälteverbrauchs mit dem Wärme- oder Kälteverbrauch im gleichen Vorjahreszeitraum übermittelt werden. Der Vergleich hat witterungsbereinigt zu erfolgen und muss in grafischer Form vorliegen.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FFVAV-E müssen dem Kunden Kontaktinformationen, wie Internetadressen von Verbraucherorganisationen, Energieagenturen oder ähnlichen Einrichtungen übermittelt werden, bei denen Informationen über Maßnahmen zur Energieeffizienzverbesserung, Kundenvergleichsprofile und technische Spezifikationen für energiebetriebene Geräte eingeholt werden können. Diese Informationen sollen dem Kunden ermöglichen, die Kosten für die Wärme- oder Kälteversorgung zu verringern und langfristig Energie einzusparen.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FFVAV-E müssen dem Kunden Informationen über Beschwerdeverfahren im Zusammenhang mit der Verbrauchsmessung und der Abrechnung, über Dienste von Bürgerbeauftragten oder alternative Streitbeilegungsverfahren übermittelt werden, sofern diese zur Anwendung kommen. Derzeit besteht in Deutschland nicht die Verpflichtung für Wärmeversorger, sich an solchen Verfahren zu beteiligen.
Schließlich soll dem Kunden ein Vergleich mit normierten oder durch Vergleichstests ermittelten Durchschnittskunden derselben Nutzerkategorie bereitgestellt werden. Wenn es keine gängigen Nutzerkategorien gibt, kann, so die Begründung, auf den Durchschnittsverbrauch pro Wohnfläche abgestellt werden. Wenn Abrechnungen elektronisch zur Verfügung gestellt werden, kann ein solcher Vergleich auch auf der Internetseite des Versorgers veröffentlicht werden. In der Abrechnung soll darauf hingewiesen werden.
Das Versorgungsunternehmen muss dem Kunden Informationen über den Primärenergiefaktor eines technisch zusammenhängenden Fernkälte- oder Fernwärmesystems zugänglich machen und darüber informieren, wie hoch in dem technisch zusammenhängenden System der prozentuale Anteil der eingesetzten erneuerbaren Energien ist. Diese Informationen müssen nicht zwingend in der Abrechnung enthalten sein, es ist ausreichend, sie auf der Internetseite vorzuhalten. In der Abrechnung sollte jedenfalls darauf hingewiesen werden, wo der Kunde die Informationen finden kann.
Wenn der Kunde es wünscht, sind die Informationen über die Abrechnungen und den historischen Verbrauch des Kunden auch an einen vom Kunden benannten Energiedienstleister zu übermitteln.