Der Sachverhalt:
Im Oktober 2006 erließ der Rat der EU die Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 zur Einführung eines Antidumpingzolls auf bestimmte aus China und Vietnam in die EU eingeführte Lederschuhe. Der Antidumpingzoll wurde für die von in China niedergelassenen Unternehmen hergestellten Schuhe auf 16,5 % festgesetzt (mit Ausnahme des Unternehmens Golden Step, für das der Antidumpingzoll auf 9,7 % festgesetzt wurde) und für die von in Vietnam niedergelassenen Unternehmen hergestellten Schuhe auf 10 %.
In den Jahren 2010 und 2012 beantragte Clark, der klagende britische Schuhhersteller und -einzelhändler in diesem Verfahren, bei der Steuer- und Zollverwaltung des Vereinigten Königreichs die Erstattung des von ihm auf die Einfuhr von Schuhen in die Union im Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.8.2010 entrichteten Antidumpingzolls i.H.v. rd. 60 Mio. €. Das Unternehmen begründete seinen Antrag damit, dass die Verordnung, mit der der Antidumpingzoll eingeführt worden sei, ungültig sei. Nachdem dieser Antrag abgelehnt worden war, erhob Clark Klage beim erstinstanzlichen Gericht, Abteilung Steuersachen.
+++ C-34/14 +++
In den Jahren 2011 und 2012 beantragte das klagende deutsche Sportartikelunternehmen Puma beim Hauptzollamt Nürnberg die Erstattung des Antidumpingzolls auf die Einfuhr der gleichen Waren und machte ebenfalls die Ungültigkeit der Verordnung geltend. Der Betrag, um den es ging, belief sich auf rd. 5,1 Mio. €. Nachdem sein Antrag abgelehnt worden war, erhob Puma Klage vor dem FG München.
Die beiden Gerichte haben Zweifel an der Gültigkeit der Verordnung und wenden sich in diesem Zusammenhang im Wege des Vorabentscheidungsersuche an den EuGH, der beide Verfahren zu einer Rechtssache verbunden hat.
Die Gründe:
Die Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Ursprung in China und Vietnam ist teilweise ungültig.
In Fällen, in denen die Anzahl der von einer Antidumpinguntersuchung betroffenen Unternehmen sehr groß ist, kann die Kommission beschließen, diese Untersuchung durch Stichproben ausführender Hersteller, die nach den normalen statistischen Verfahren gebildet werden, auf eine vertretbare Anzahl von Parteien zu beschränken. Im Unionsrecht ist die Grundregel festgelegt, wonach die Ermittlung des Normalwerts einer Ware, die eine der wesentlichen Etappen zur Feststellung eines Dumpings darstellt, grundsätzlich auf die Preise zu stützen ist, die unabhängige Abnehmer in den Ausfuhrländern im normalen Handelsverkehr zu zahlen haben.
Im Fall von Einfuhren u.a. aus China, Vietnam und aus Ländern ohne Marktwirtschaft, die zum Zeitpunkt der Einleitung der Untersuchung Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) sind, wird der Normalwert nach der Grundregel ermittelt, sofern sich nach Prüfung der ordnungsgemäß begründeten Anträge eines oder mehrerer in diesen Ländern niedergelassener Hersteller, die von der Untersuchung betroffen sind, erweist, dass für diesen oder diese Hersteller marktwirtschaftliche Bedingungen herrschen. Dadurch sollen marktwirtschaftlichen Bedingungen unterliegende Hersteller, die in den betreffenden Ländern entstanden sind, einen Status beanspruchen können, der ihrer individuellen Situation und nicht der Situation in dem Land, in dem sie niedergelassen sind, insgesamt entspricht.
Der Rat und die Kommission sind stets verpflichtet, über den Antrag auf Marktwirtschaftsbehandlung eines Herstellers zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn eine Stichprobe gebildet wird. Vorliegend haben der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung der nicht in die Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden. Die Verordnung ist daher insoweit ungültig. Rat und Kommission sind grundsätzlich verpflichtet, in einer Verordnung, mit der Antidumpingzölle verhängt werden, den Zoll für jeden einzelnen betroffenen ausführenden Hersteller festzusetzen, es sei denn, diese individuelle Behandlung ist nicht praktikabel. Für Länder ohne Marktwirtschaft beschränkt sich eine solche Verordnung jedoch darauf, die Höhe des erhobenen Antidumpingzolls auf der Ebene des Lieferlandes festzusetzen.
Hingegen müssen die Organe für ausführende Hersteller, die in einem Land ohne Marktwirtschaft niedergelassen sind, einen individuellen Antidumpingzoll festsetzen, wenn diese Hersteller anhand ordnungsgemäß begründeter Anträge nachweisen, dass sie die Kriterien, die eine individuelle Behandlung rechtfertigen, erfüllen. Insoweit sind Rat und Kommission grundsätzlich verpflichtet, die bei ihnen gestellten Anträge auf individuelle Behandlung zu prüfen und über sie zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn eine Stichprobe gebildet wird. Vorliegend haben der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf individuelle Behandlung der nicht in Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden, die Verordnung ist daher auch insoweit ungültig.
Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.