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Verpflichtende Hinweisgebersysteme - Handlungsbedarf auch für Unternehmen des Finanzsektors

Der deut­sche Ge­setz­ge­ber schreibt bis­her nur für ein­zelne Bran­chen eine ge­setz­li­che Ver­pflich­tung zum Auf­bau ei­nes Com­pli­ance Sys­tems vor, wie z. B. für In­sti­tute und Wert­pa­pier­fir­men. Dies soll nun mit dem Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz (HinSchG-E), den das Bun­des­mi­nis­te­rium der Jus­tiz am 24.03.2022 als Re­fe­ren­ten­ent­wurf vor­ge­legt hat, geändert und die be­ste­hen­den spe­zi­al­ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen um all­ge­meine Re­ge­lun­gen ergänzt wer­den.

Mit dem HinSchG-E wird die Richt­li­nie (EU) 2019/1937 (sog. Whist­leb­lo­wer-Richt­li­nie) in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt. Ei­gent­lich hätte diese Richt­li­nie be­reits bis 17.12.2021 na­tio­nal um­ge­setzt wer­den müssen, das Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren war aber in der letz­ten Le­gis­la­tur­pe­riode ge­schei­tert.

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In Deutsch­land ist die Fi­nanz­wirt­schaft be­reits heute in wei­ten Tei­len zur Ein­rich­tung von Hin­weis­ge­ber­sys­te­men ver­pflich­tet, die einen Schutz der Hin­weis­ge­ber gewähr­leis­ten sol­len, so z. B. nach §§ 6 und 53 GwG oder § 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 3 KWG. Die ge­naue Aus­ge­stal­tung der Sys­teme blieb aber in wei­ten Tei­len den be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men selbst über­las­sen. Dem­ge­genüber sieht nun das HinSchG-E kon­krete Re­ge­lun­gen und Fris­ten, z. B. in Be­zug auf Rück­mel­dun­gen an den Hin­weis­ge­ber, vor.

Aber auch für die Un­ter­neh­men des Fi­nanz­sek­tors, die be­reits über Hin­weis­ge­ber­sys­teme verfügen, be­steht über das HinSchG-E Hand­lungs­be­darf. Sie müssen ihre be­ste­hen­den Hin­weis­ge­ber­sys­teme, eine schrift­lich fi­xierte Ord­nung und Pro­zesse an die teil­weise kon­kre­te­ren Re­ge­lun­gen des HinSchG-E an­pas­sen und da­bei ggfs. neu aus­rich­ten. Bei Verstößen dro­hen u.a. emp­find­li­che Geldbußen.

Hin­weis: Für bspw. Fi­nanz­un­ter­neh­men, reine An­bie­ter von Ne­ben­dienst­leis­tun­gen, Ver­si­che­rungs-Zweck­ge­sell­schaf­ten, Pen­si­ons­fonds sind die Re­ge­lun­gen zum Hin­weis­ge­ber­schutz neu und da­mit künf­tig vollständig zu be­ach­ten.

Ab wann muss ein Hinweisgebersystem implementiert sein?

Die Un­ter­neh­men können grundsätz­lich die Um­set­zung der Richt­li­nie in deut­sches Recht ab­war­ten. Da­mit ist je­doch zeit­nah zu rech­nen, auch wenn der­zeit noch of­fen ist, wann das Ge­setz in Kraft tritt. Ent­spre­chend der Überg­angs­re­ge­lung in § 42 Satz 1 HinSchG-E ist ge­plant, dass Ar­beit­ge­ber in der Pri­vat­wirt­schaft mit in der Re­gel 50 bis 249 Be­schäftig­ten ein ent­spre­chen­des Hin­weis­ge­ber­sys­tem erst bis 17.12.2023 ein­rich­ten müssen.

Die Überg­angs­frist greift gemäß § 42 Satz 2 HinSchG-E al­ler­dings nicht für die in § 12 Abs. 3 HinSchG-E auf­geführ­ten Un­ter­neh­men des Fi­nanz­sek­tors, wie z. B. In­sti­tute i. S. d. § 1 Abs. 1b KWG, Wert­pa­pier­dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men i. S. d. § 2 WpHG, Börsenträger i. S. d. BörsenG oder Ka­pi­tal­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten i. S. d. 17 Abs. 1 KAGB.

 

 

Welche Unternehmen sind betroffen?

Von den Re­ge­lun­gen des HinSchG-E sind grundsätz­lich alle Un­ter­neh­men mit mehr als 50 Be­schäftig­ten be­trof­fen. Bei Kre­dit­in­sti­tu­ten, Ka­pi­tal­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten, Börsenträger, Da­ten­be­reit­stel­lungs­diens­ten, Wert­pa­pier­dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men, be­stimm­ten Ge­gen­par­teien und Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men grei­fen die Re­ge­lun­gen gemäß § 12 Abs. 2 HinSchG-E größenun­abhängig für alle Un­ter­neh­men. Diese müssen nach dem vor­lie­gen­den Re­fe­ren­ten­ent­wurf si­chere in­terne Mel­de­kanäle vor­hal­ten bzw. be­ste­hende Kanäle an die neuen An­for­de­run­gen ad­ap­tie­ren und ent­spre­chende Pro­zesse im­ple­men­tie­ren bzw. an­pas­sen. Für diese Un­ter­neh­men ist keine Überg­angs­re­ge­lung vor­ge­se­hen.

Hin­weis: Re­gu­lierte Un­ter­neh­men, wie Kre­dit­in­sti­tute, Ka­pi­tal­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten, Wert­pa­pier­dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men oder Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men, sind schon jetzt nach den für sie ergänzend gel­ten­den bran­chen­spe­zi­fi­schen Vor­schrif­ten zur Ein­rich­tung von Hin­weis­ge­ber­stel­len ver­pflich­tet (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 KWG, § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KAGB, § 58 WpHG und § 23 Abs. 6 VAG).

In welchem Verhältnis steht das HinSchG zu anderen bereits bestehenden Meldeverpflichtungen?

Das HinSchG-E ist sub­sidiär zu den bran­chen­spe­zi­fi­schen Re­ge­lun­gen für den Fi­nanz­sek­tor so­wie de­nen des Straf­ge­setz­bu­ches. Ge­rade im Ban­ken- und Ver­si­che­rungs­sek­tor exis­tie­ren be­reits um­fang­rei­che Re­ge­lun­gen, wie z. B. § 6 und § 53 GwG zur Mel­dung von Geldwäsche­verstößen, Ein­rich­tung ent­spre­chen­der Mel­de­sys­teme und Schutz der Hin­weis­ge­ber.

So­weit be­reits ein Mel­de­sys­tem greift, auf das § 4 Abs. 1 HinSchG-E ver­weist, geht die­ses vor, und das HinSchG-E soll nicht an­ge­wen­det wer­den. Nur dort wo spe­zi­al­ge­setz­li­che, bran­chen­be­zo­gene Re­ge­lun­gen nicht grei­fen, fin­det das HinSchG-E An­wen­dung. So ist bspw. der Ka­ta­log der nach dem HinSchG-E mögli­chen zu mel­den­den Verstöße deut­lich um­fang­rei­cher (z. B. Schutz bei elek­tro­ni­scher Kom­mu­ni­ka­tion, Schutz per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten).

Welche Arten von Hinweisgebersystemen sind möglich?

Für hin­weis­ge­bende Per­so­nen sol­len gemäß § 7 HinSchG-E zwei gleich­wer­tig ne­ben­ein­an­der­ste­hende Mel­de­wege be­ste­hen. Hier­bei han­delt es sich zum einen um in­terne und zum an­de­ren um ex­terne Mel­de­kanäle.

 

 

Bei der ge­nauen Aus­ge­stal­tung des in­ter­nen Mel­de­ka­nals be­steht Ge­stal­tungs­spiel­raum, z. B. in Form ei­ner Ein­rich­tung ei­ner elek­tro­ni­schen Mel­demöglich­keit oder der Ent­ge­gen­nahme der Mel­dun­gen durch einen Rechts­an­walt als ex­ter­ner Om­buds­mann. Die be­tref­fende Per­son benötigt hin­rei­chende Kom­pe­ten­zen, um die not­wen­dige recht­li­che Be­wer­tung der Mel­dun­gen vor­neh­men zu können.

Die Mel­de­wege müssen so aus­ge­stal­tet sein, dass Hin­weise in schrift­li­cher oder münd­li­cher Form er­fol­gen können. Außer­dem sollte auf Wunsch des Hin­weis­ge­bers auch eine phy­si­sche Zu­sam­men­kunft in­ner­halb ei­nes an­ge­mes­se­nen Zeit­rah­mens ermöglicht wer­den.

In je­dem Fall muss die Ver­trau­lich­keit (An­ony­mität ist nicht vor­aus­ge­setzt) des Hin­weis­ge­bers ge­wahrt wer­den.

Hin­weis: Die ver­schie­de­nen Mel­demöglich­kei­ten können auch mit­ein­an­der kom­bi­niert wer­den. Wel­che Lösung fa­vo­ri­siert wird, hängt vom kon­kre­ten Ein­zel­fall, u. a. von Größe, Struk­tur und Weiträum­ig­keit der Un­ter­neh­mens­or­ga­ni­sa­tion und letzt­lich da­von ab, ob in­tern eine fach­lich ge­eig­nete Per­son be­stimmt wer­den kann.

Zusätz­lich sollte, hierzu be­steht aber keine Ver­pflich­tung, das Hin­weis­ge­ber­sys­tem auch von Per­so­nen außer­halb des Un­ter­neh­mens ge­nutzt wer­den können. Hier­bei han­delt es sich etwa um Or­gan­mit­glie­der und Ak­tionäre des Un­ter­neh­mens, Be­wer­ber, Selbstständige bzw. ehe­ma­lige Be­schäftigte. Der An­wen­dungs­be­reich des HinSchG-E ist so­mit wei­ter­ge­fasst als bspw. die Re­ge­lung des § 25a KWG, der sich nur auf Mit­ar­bei­ter er­streckt.

Hin­weis: Ein ex­ter­ner Zu­griff auf die in­ter­nen Mel­de­kanäle ist zu­min­dest bei Großban­ken i. d. R. be­reits heute vor­ge­se­hen.

Externe Meldekanäle

Ne­ben der Eta­blie­rung ei­nes in­ter­nen Mel­de­sys­tems müssen die Un­ter­neh­men ih­ren Mit­ar­bei­tern auch verständ­li­che und leicht zugäng­li­che In­for­ma­tio­nen über die Möglich­kei­ten ex­ter­ner Mel­dun­gen an be­stimmte Behörden er­tei­len. Hierzu wer­den auf Lan­des- und Bun­des­ebene ex­terne Mel­de­stel­len ein­ge­rich­tet, so­weit sol­che noch nicht exis­tie­ren.

Die Ba­Fin hat be­reits seit 2016 eine ex­terne Hin­weis­ge­ber­stelle zur an­ony­men Mel­dung ver­mu­te­ter Verstöße bei von ihr be­auf­sich­tig­ten Un­ter­neh­men ge­gen das Auf­sichts­recht auf­ge­baut, die sie jüngst über die Ein­rich­tung ei­nes spe­zi­el­len Re­fe­rats wei­ter aus­ge­baut und ih­ren Webauf­tritt neu­ge­stal­tet hat.

Hin­weis: An­ders als bis­her hat die in­terne Mel­dung kei­nen Vor­rang mehr. Der Hin­weis­ge­ber kann frei ent­schei­den, ob er Verstöße un­ter­neh­mens­in­tern mel­det oder sich ex­tern an eine Behörde, z. B. die Ba­Fin, wen­det.

Welche Meldungen genießen Hinweisgeberschutz?

Das HinSchG-E geht in sei­nem An­wen­dungs­be­reich über die Vor­ga­ben der Whist­leb­lo­wer--Richt­li­nie hin­aus. Da­nach sind Hin­weis­ge­ber bei der Mel­dung von Verstößen ge­schützt, die straf­be­wehrt oder (mit ei­ni­gen Ein­schränkun­gen) bußgeld­be­wehrt sind. Darüber hin­aus er­streckt sich der sach­li­che An­wen­dungs­be­reich auf sons­tige Verstöße ge­gen Rechts­vor­schrif­ten des Bun­des und der Länder so­wie un­mit­tel­bar gel­tende Rechts­akte der EU und der Eu­ropäischen Atom­ge­mein­schaft. Dar­un­ter fal­len u. a. Vor­ga­ben

  • zur Bekämp­fung von Geldwäsche und Ter­ro­ris­mus­fi­nan­zie­rung,
  • zur Pro­dukt­si­cher­heit und -kon­for­mität,
  • zur Ver­kehrs­si­cher­heit in­klu­sive Ei­sen­bahn­si­cher­heit, See­ver­kehrs- und Luft­ver­kehrs­si­cher­heit,
  • zum Um­welt­schutz,
  • zum Strah­len­schutz und zur kern­tech­ni­sche Si­cher­heit,
  • zum Ver­brau­cher­schutz,
  • zum Schutz der Pri­vat­sphäre und per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten so­wie zur Si­cher­heit von Netz- und In­for­ma­ti­ons­sys­te­men,
  • die weit über die im Fi­nanz­sek­tor be­reits be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen hin­aus ge­hen.

Hinweisgeber-Meldung - und dann?

Geht eine Mel­dung im Un­ter­neh­men ein, ist die Ver­trau­lich­keit der Iden­tität des Hin­weis­ge­bers und Drit­ter, die in der Mel­dung erwähnt wer­den, zu wah­ren.

Un­be­fugte Mit­ar­bei­ter dürfen kei­nen Zu­griff auf die Mel­dung ha­ben. Dem Hin­weis­ge­ber muss der Ein­gang der Mel­dung in­ner­halb von sie­ben Ta­gen bestätigt wer­den.

Die Un­ter­neh­men müssen eine un­par­tei­ische Per­son oder Ab­tei­lung be­nen­nen, die ba­sie­rend auf den Mel­dun­gen Fol­gemaßnah­men, etwa in­terne Nach­for­schun­gen und Er­mitt­lun­gen, er­greift. Zu­dem muss den Hin­weis­ge­ber in­ner­halb von ma­xi­mal drei Mo­na­ten eine Rück­mel­dung zu ver­an­lass­ten Maßnah­men/Un­ter­su­chun­gen ge­ge­ben wer­den. Ein­ge­hen­de Mel­dun­gen sind zu do­ku­men­tie­ren.

 

 

Hin­weis: Da es den Hin­weis­ge­bern of­fen­steht, den Weg der in­ter­nen oder ex­ter­nen Mel­dung zu be­schrei­ten, soll­ten Un­ter­neh­men pro­fes­sio­nelle in­terne Struk­tu­ren schaf­fen. Nur wenn Hin­weis­ge­ber dar­auf ver­trauen können, dass Un­ter­neh­men Hin­weise ernst neh­men, ih­nen sorgfältig nach­ge­hen, Straf­ta­ten und Un­re­gelmäßig­kei­ten aufklären und an­ge­mes­sen sank­tio­nie­ren, wer­den sie sich in­ter­ner Mel­de­struk­tu­ren be­die­nen.

Schutzwirkung für den Hinweisgeber

Hin­weis­ge­ber ge­nießen nur dann recht­li­chen Schutz, wenn ein be­rech­tig­ter Grund zu der An­nahme be­stand, dass die ge­mel­de­ten In­for­ma­tio­nen über Verstöße zum Zeit­punkt der Mel­dung der Wahr­heit ent­spra­chen, in den An­wen­dungs­be­reich des Ge­set­zes fie­len und sie diese über die vor­ge­ge­ben in­ter­nen oder ex­ter­nen Mel­de­kanäle ab­ge­ge­ben ha­ben. Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen ver­bie­tet der Re­fe­ren­ten­ent­wurf jede Form von Re­pres­sa­lien, Dis­kri­mi­nie­run­gen oder Be­nach­tei­li­gun­gen. Bei Verstößen sieht das HinSchG-E Sank­tio­nie­run­gen mit emp­find­li­chen Geldbußen zwi­schen 20.000 Euro und 100.000 Euro vor. Diese Bußgelder können so­wohl die Ver­ant­wort­li­chen als auch die je­wei­li­gen Un­ter­neh­men be­tref­fen.

Hin­weis: Un­ter­neh­men des Fi­nanz­sek­tors soll­ten schon jetzt ihre vor­ge­hal­te­nen Hin­weis­ge­ber­sys­teme da­hin­ge­hend prüfen, ob sie auch den ge­plan­ten An­for­de­run­gen des HinSchG-E genügen. Ein­zel­as­pekte sind z. B. die Si­cher­stel­lung der Ver­trau­lich­keit, die Wirk­sam­keit der Pro­zesse und Ver­fah­ren zum Um­gang mit in­ter­nen Mel­dun­gen, die Be­ach­tung da­ten­schutz­recht­li­cher Vor­schrif­ten und die ergänzende Einführung ex­ter­ner Mel­de­kanäle.

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