Unsere Stuttgarter Verrechnungspreisexperten Christian Zimmermann, Steuerberater, Fachberater für internationales Steuerrecht und Director und Sven Stuckmann, Steuerberater und Senior Manager, stellen fest, dass die Finanzverwaltung das Thema Verrechnungspreise immer aggressiver aufgreift - nicht zuletzt dank technischer Unterstützung und spezialisierter Prüfer. Wie sie ihre Mandanten unterstützen, Verrechnungspreise zu ermitteln, die auch von der Finanzverwaltung akzeptiert werden und damit Steuerrisiken vermeiden, darüber stehen sie uns Rede und Antwort.
Herr Zimmermann, Sie sind schwerpunktmäßig mit der Beratung Ihrer Mandanten rund um das Thema Verrechnungspreise befasst. Wie ist Ihr Eindruck? Geht die Finanzverwaltung hier zunehmend kritisch an die Prüfung der Angemessenheit vereinbarter Verrechnungspreise heran oder akzeptiert sie, dass es nicht den einen richtigen Preis geben kann?
Christian Zimmermann: In den meisten von uns begleiteten Betriebsprüfungen stellen wir fest, dass die Verrechnungspreise sehr kritisch hinterfragt werden. Dies gilt mittlerweile nicht mehr nur für unsere großen Mittelstandsmandate, sondern auch bereits für den kleinen Mittelständler mit vergleichsweise übersichtlichen Auslandsbeziehungen. Es ist bspw. trotz Vorliegen einer Verrechnungspreisdokumentation heute eher die Regel als die Ausnahme, dass mehrere mehrseitige Fragebögen mit Details zu konkreten Sachverhaltskonstellationen und Datenmaterial abgefragt werden. Diese Fragenflut und die zu deren Beantwortung erforderliche Aufarbeitung von Sachverhalten und Daten ist regelmäßig sehr zeitaufwändig und mitunter komplex. Seitens der Prüfer werden die Themen und Details dann sehr häufig äußerst kritisch hinterfragt und nicht selten angezweifelt. Insofern ist mein Eindruck, dass zwar grundsätzlich schon anerkannt wird, dass es nicht den einen Verrechnungspreis gibt, die bestehenden Verrechnungspreise aber dennoch durch die Prüfung sehr kritisch und mit einer sehr hohen Anspruchshaltung an das Verrechnungspreissystem und die Nachweise bzw. Dokumentationen dazu hinterfragt werden.
Verrechnungspreise sind ja auch schon in der Vergangenheit eines der wesentlichen Themen in der Betriebsprüfung gewesen. Herr Stuckmann, nimmt das nun noch weiter zu?
Sven Stuckmann: Ja, definitiv. Durch die zunehmende Digitalisierung auch auf Seiten der Finanzverwaltung mit entsprechend neuen Auswertungsmöglichkeiten, dem stetig steigenden internationalen Informationsaustausch, dem in den letzten Jahren erfolgten kräftigen Aufbau von spezialisierten Auslandsprüfern bei den Finanzämtern und beim Bundeszentralamt für Steuern (Bundesprüfer) und nicht zuletzt auf Grund der nach wie vor bestehenden Tendenz auf internationaler Ebene, die Dokumentations- und Veröffentlichungspflichten eher noch weiter auszudehnen. In dieses Bild passt meines Erachtens auch der kürzlich gefasste Beschluss auf EU-Ebene, das Country-by-Country Reporting zu veröffentlichen. Diese Umstände lassen für die nächsten Jahre erwarten, dass die Verrechnungspreise eines der „Hot Topics“ in den Betriebsprüfungen sein werden.
Die Finanzverwaltung hat also sowohl die technischen Mittel als auch das fachliche Know-how auf- und ausgebaut, um hier intensiv zu prüfen? Wie gehen Sie beide damit in der Beratung Ihrer Mandanten um?
Christian Zimmermann: Erfahrungsgemäß sind Verrechnungspreissysteme auch bei intensiver Prüfung durch die Steuerbehörden dann am besten zu verteidigen, wenn sie proaktiv unter Berücksichtigung der steuerlichen Überlegungen und Methoden bereits in der Preisfestsetzung aufgesetzt wurden. Das gesetzlich geforderte „ernsthafte Bemühen“ zur Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes lässt sich so systematisch erläutern und belegen. Dementsprechend beraten wir immer mehr Mittelständler dabei, ihre Verrechnungspreismodelle deutlich stärker als bisher bereits im Rahmen der Planung an den steuerrechtlichen Vorgaben auszurichten und unterjährige Monitoringprozesse zu implementieren, um die Notwendigkeit etwaiger unterjähriger Nachjustierungen rechtzeitig identifizieren und umsetzen zu können. Ein solches Vorgehen ist dann auch gut und nachvollziehbar zu dokumentieren - ein ganz wichtiger Aspekt, nicht zuletzt auf Grund der hohen Anforderungen an die Qualität einer Dokumentation und die zu treffende Beweisvorsorge, welche die Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang sieht, und zuletzt in ihren Verwaltungsgrundsätzen 2020 aus dem Dezember 2020 nochmals ausführlich dargelegt hat.
Wenn nun in der Betriebsprüfung die Verrechnungspreise korrigiert werden und sich dadurch eine Steuernachzahlung im Inland ergibt, folgt dann automatisch die gegenläufige Korrektur auf der anderen Seite der Grenze? Handeln die Staaten hier abgestimmt?
Sven Stuckmann: Leider gibt es keinen entsprechenden Automatismus, d. h. die betreffende Unternehmensgruppe hat zunächst einmal die resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu tragen. Je nachdem, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen oder die EU-Schiedskonvention im konkreten Einzelfall zur Anwendung kommt, ist es allerdings möglich ein Verständigungsverfahren bei den betreffenden Behörden zu beantragen, mit dem Ziel, eine entsprechende Gegenberichtigung im anderen Staat zu erhalten bzw. diese Doppelbesteuerung zu eliminieren. Nicht in allen von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen ist jedoch ein Einigungszwang vorgesehen, d. h. die beteiligten Staaten sollen sich gemäß dieser Abkommen zwar bemühen, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, sind dazu aber nicht verpflichtet. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige in diesen Fällen - wie im Übrigen auch in dem Fall, dass kein Doppelbesteuerungsabkommen existiert - immer das Risiko trägt, dass er auf der Doppelbesteuerung sitzen bleibt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Verständigungsverfahren im Verrechnungspreisbereich regelmäßig recht lange dauern - laut aktueller OECD-Statistik im Schnitt 30,5 Monate.
Ebner Stolz berät ja die ganze Bandbreite des Mittelstands. Für den großen, international aufgestellten mittelständischen Konzern mag es eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich dessen Steuerfunktion maßgeblich um Verrechnungspreise kümmert. Wie aber sieht es bei dem kleinen, feinen mittelständischen Unternehmen aus, das als „Hidden Champion“ mit einem Nischenprodukt, produziert von der Tochtergesellschaft etwa in Ungarn, hoch erfolgreich im Vertrieb mit der Tochtergesellschaft in Frankreich ist. Gibt es da Vereinfachungen oder Erleichterungen bei der Verrechnungspreisermittlung und Überprüfung durch die Finanzverwaltung?
Sven Stuckmann: Der Fremdvergleichsgrundsatz im Verrechnungspreisbereich gilt für alle grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen ohne Wesentlichkeits- oder Aufgriffsgrenzen. Deshalb müssen sich auch kleinere Mittelständler mit der Thematik befassen - dies zeigt nicht zuletzt unsere Erfahrung in den Betriebsprüfungen. Eine gewisse Vereinfachung gibt es hingegen bei den Regeln zur Verrechnungspreisdokumentation: diese soll mit allen gesetzlich definierten Bestandteilen dann nicht zu erstellen sein, wenn die grenzüberschreitenden Intercompany-Warenlieferungen des betreffenden Jahres in Summe weniger als 6 Mio. Euro und die Summe der Vergütungen für andere grenzüberschreitende Intercompany-Geschäftsbeziehungen als Warenlieferungen nicht mehr als 0,6 Mio. Euro betragen haben. Allerdings ist zu beachten, dass auch in diesem Fall die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise dem Grunde und der Höhe nach auf Anfrage der Finanzverwaltung durch Vorlage entsprechender Unterlagen und Erteilung von Auskünften belegt werden muss. Daher besteht auch in diesen Fällen eine faktische Verpflichtung, eine gewisse Dokumentation vorzuhalten. Weiterhin sind die betragsmäßigen Grenzen für die Anwendung der Vereinfachungsregelung nicht in Bezug auf ein einzelnes Unternehmen bzw. eine Gesellschaft, sondern auf sämtliche inländischen Unternehmen bzw. Gesellschaften hin zu prüfen, die im Sinne der Betriebsprüfungsordnung als zusammenhängend anzusehen sind. Also bspw. sind die grenzüberschreitenden Intercompany-Verrechnungen inländischer Konzerngesellschaften, die unter dem Dach einer Konzernprüfung geprüft werden, für die Prüfung der betragsmäßigen Voraussetzungen zusammenzurechnen.
Stichwort Dokumentation. Können Sie uns dazu ein paar Tipps geben, wie diese effizient angegangen werden kann und worauf besonders zu achten ist?
Christian Zimmermann: Es empfiehlt sich insb., dass möglichst zeitnah dokumentiert wird, weil da die beste Informationsverfügbarkeit besteht. Umso später dokumentiert wird, umso aufwändiger und schwieriger wird es, überhaupt nur die Sachverhalte noch richtig zu rekonstruieren. Eine jährliche Dokumentation sollte daher das Ziel sein. In vielen Fällen ist dies jedoch ohnehin durch entsprechenden Druck aus dem Ausland schon längst Praxis: dort müssen Dokumentationsteile und/oder Informationen zu den Intercompany-Geschäftsbeziehungen bereits mit den Steuererklärungen beim Finanzamt eingereicht werden. Um hier inhaltliche und zahlenmäßige Konsistenz in den Dokumentationen sicherzustellen, ist deshalb ein zentral koordinierter Dokumentationsprozess in der Gruppe unabdingbar. Dieser wird regelmäßig über die Muttergesellschaft gesteuert. Hierbei kann dann auch ein digitales Verrechnungspreis-Dokumentationstool helfen, in dem nicht nur dezentral die lokalen Dokumentationen erstellt oder zentral verfügbare Vorlagen und Informationen dezentral zur Verfügung gestellt werden können, sondern auch der Dokumentationsprozess selbst, mit Zuständigkeiten und Dokumentation eines vier-Augen-Prinzips abgebildet und festgehalten werden kann. Wir bieten ein solches Tool in Zusammenarbeit mit unserem technischen Kooperationspartner Universal Units ebenfalls an.
Und zu guter Letzt - welche Empfehlungen geben Sie Unternehmen, um Konflikte mit der Finanzverwaltung durch die Verrechnungspreisermittlung zu vermeiden, ohne dabei die eigenen Unternehmensinteressen zu vernachlässigen?
Sven Stuckmann: Eine komplette Vermeidung von Konflikten mit der Finanzverwaltung wird in diesem Bereich unserer Meinung nach selten möglich sein, weil es hier häufig kein „Schwarz“ oder „Weiß“ gibt und viele Wertungsfragen relevant sind. Man kann aber sicherlich das Konfliktpotential und die betragsmäßigen Risiken deutlich reduzieren, wenn man die steuerlichen Spielregeln zu den Verrechnungspreisen systematisch in die Planung und das Monitoring des Unternehmens integriert.
Christian Zimmermann: Dabei lässt sich klar feststellen: Ein wesentlicher Aspekt ist, Fremdvergleichsdaten mit bzw. zwischen fremden Dritten zu identifizieren, die als zumindest eingeschränkt mit dem Intercompany-Sachverhalt vergleichbar angesehen werden können, um die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise der Höhe nach belegen zu können. Zu den in der Praxis relevanten Fremdvergleichsdaten gehören dabei Renditekennziffern wie Umsatzrenditen, Rohmargen, Reingewinnaufschläge auf Vollkosten etc. sowie Lizenzgebührensätze oder Zinssätze. Hier kommt man häufig nicht umhin, solche Daten über sog. Benchmarking-Analysen abzuleiten. Das heißt, die Daten werden systematisch aus entsprechenden Datenbanken ermittelt. Auch hier zeigt unsere Erfahrung, dass die Finanzverwaltungen im In- und Ausland zunehmend in der Tiefe prüfen, ob die verwendeten Fremdvergleichsdaten verwertbar sind oder nicht. Einem professionellen und fachlich fundierten Benchmarking kommt daher entsprechend große Bedeutung zu.