Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Rechtsanwalt und vorwiegend in der Insolvenzverwaltung tätig. Er war im Jahr 1998 zusammen mit seiner damaligen Ehefrau und in den Jahren 1999 und 2000 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt worden und übte seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter in den Streitjahren 1998 bis 2000 in einer Einzelkanzlei mit Zweigstellen aus. Im Jahr 1998 beschäftigte er durchgehend zwei, in den Jahren 1999 und 2000 drei Rechtsanwälte sowie fortlaufend einen Hochschulingenieurökonom, fünf bis sieben Fachkräfte und einige Hilfskräfte. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit erklärte er in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre unter der Berufsangabe "Rechtsanwalt/Konkursverwalter" insgesamt als Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Nachdem das FG die gegen die Gewerbesteuermessbescheide gerichtete Klage abgewiesen hatte, gab der BFH der Revision des Klägers statt und hob das Urteil sowie die Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000 auf. Der BFH führte aus, die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter seien zu Unrecht wegen der Beteiligung fachlich vorgebildeter Angestellter als gewerblich angesehen und deshalb der Gewerbesteuer unterworfen worden. Die Einkünfte seien als solche aus sonstiger selbständiger Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu erfassen und unterlägen nicht der Gewerbesteuerpflicht. An der Rechtsprechung zur sog. Vervielfältigungstheorie werde im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht länger festgehalten.
Daraufhin hob das Finanzamt die Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000 auf und erließ geänderte Einkommensteuerbescheide, die auf § 174 Abs. 4 AO gestützt wurden. In diesen Bescheiden wurden die Einkünfte des Klägers aus der Insolvenzverwaltertätigkeit als solche aus selbständiger Arbeit erfasst und die zuvor gewährte Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a.F. versagt. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 174 Abs. 4 S. 1 AO sind erfüllt. Die Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000 waren aufgrund einer irrigen Beurteilung ergangen. Eine solche liegt vor, wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. Dabei ist unerheblich, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt. Den Gewerbesteuermessbescheiden 1998 bis 2000 lag die irrige Rechtsansicht zugrunde, die Tätigkeit des Klägers als Insolvenzverwalter sei wegen der Beteiligung fachlich vorgebildeter Angestellter als gewerblich zu qualifizieren. Tatsächlich hatte der Kläger nämlich nicht der Gewerbesteuer unterliegende Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt.
Infolgedessen war das Finanzamt nach § 174 Abs. 4 S. 1 AO berechtigt, die auf der irrigen Annahme der Erzielung gewerblicher Einkünfte beruhenden Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2000 zu ändern und die richtigen steuerlichen Folgerungen aus dem Sachverhalt durch Versagung der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. zu ziehen. Wird der Gewerbesteuermessbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs aufgehoben, weil der Steuerpflichtige eine selbständige Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübt, ist das Finanzamt nach § 174 Abs. 4 AO im Grundsatz berechtigt, den Einkommensteuerbescheid durch Versagung der Tarifbegrenzung gem. § 32c EStG a.F. zu ändern.
In diesem Fall beruhen beide steuerlichen Folgerungen - sowohl die Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheids als auch die Versagung der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. - auf der rechtlichen Qualifikation der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit und damit auf dem gleichen "bestimmten Sachverhalt" i.S.d. § 174 Abs. 4 S. 1 AO. Weder der Gewerbesteuermessbescheid noch der Gewerbesteuerbescheid sind Grundlagenbescheide für die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F.
Die Änderung der Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2000 war nicht wegen Ablaufs der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen. Einer Änderung standen auch sonstige Gründe nicht entgegen.
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