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Steuerberatung

Verstößt § 52a Abs. 10 S. 7 EStG 2009 gegen das Rückwirkungsverbot?

FG Düsseldorf 30.1.2018, 13 K 2430/16 E

So­weit be­las­tende Rechts­fol­gen ei­ner Norm erst nach ih­rer Verkündung ein­tre­ten, tat­be­stand­lich aber von einem be­reits ins Werk ge­setz­ten Sach­ver­halt aus­gelöst wer­den ("tat­be­stand­li­che Rück­anknüpfung"), liegt eine "un­echte" Rück­wir­kung vor. Die Rechts­frage, ob § 52a Abs. 10 S. 7 EStG i.d.F. des JStG 2009 ge­gen das Rück­wir­kungs­ver­bot verstößt, hat grundsätz­li­che Be­deu­tung i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wes­halb die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen wurde.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin hatte im Juni 2008 Pfand­briefe ei­ner AG mit ei­ner Lauf­zeit bis zum 20.12.2012 und einem No­mi­nal­wert von 300.000 € zu einem Kurs­wert von 83,65% er­wor­ben. Die An­schaf­fungs­kos­ten ein­schließlich der Ne­ben­kos­ten be­lie­fen sich auf 251.074 €. Die Pfand­briefe ver­kaufte sie nach Kündi­gung am 22.6.2009 zum No­mi­nal­wert von 300.000 € mit einem Ge­winn von 48.925 €. In der Wert­pa­pier­be­schrei­bung wur­den die Pfand­briefe als "In­verse floa­ting rate No­tes with in­te­rest lin­ked to the 6-month EU­RI­BOR" be­schrie­ben. Die An­leihe wurde am 20.12.2004 aus­ge­ge­ben. Für den Zeit­raum vom 20.12.2004 bis zum 19.12.2005 wurde ein fes­ter Zins von 7% ge­zahlt. Für die Fol­ge­pe­riode sollte der zu­vor ge­zahlte Zins zzgl. ei­nes Auf­schlags von 2% ab­zgl. des 6-Mo­nats-EU­RI­BOR ge­zahlt wer­den. Die Mi­ni­mal­ver­zin­sung für alle Pe­rio­den be­lief sich auf 0% (flat).

Im Juli 2008 hatte die Kläge­rin Lan­des­schatz­an­wei­sun­gen mit ei­ner Lauf­zeit bis zum 28.12.2012 im No­mi­nal­wert von 300.000 € zu einem Kurs­wert von 82,55% er­wor­ben. Die An­schaf­fungs­kos­ten ein­schließlich der Ne­ben­kos­ten be­lie­fen sich auf 247.773 €. Sie ver­kaufte die An­lei­hen am 28.12.2009 zu einem Kurs von 100% und so­mit mit einem Ge­winn von 52.226,28 €. In der Wert­pa­pier­be­schrei­bung wurde die An­leihe als "Callable Cu­mu­la­tive Cou­pon In­verse Floa­ting Rate No­tes with In­te­rest lin­ked to 6-month-EU­RI­BOR" be­schrie­ben. Auch in die­sem Fall wurde zunächst ein fes­ter Zins­satz (5%) ge­zahlt, während in den Fol­ge­pe­rio­den der zu­vor ge­zahlte Zins zzgl. ei­nes fes­ten Auf­schlags ab­zgl. des 6-Mo­nats-EU­RI­BOR ge­zahlt wurde. Die Mi­ni­mal­ver­zin­sung die­ser An­leihe be­lief sich eben­falls für alle Pe­rio­den auf 0%.

Die Kläge­rin gab in der An­lage KAP zu ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr 2009 die Veräußerungs­ge­winne aus den be­tref­fen­den An­lei­he­verkäufen an, ver­trat aber in einem Bei­blatt zur Ein­kom­men­steu­er­erklärung die Rechts­auf­fas­sung, dass diese Ge­winne steu­er­frei zu be­las­sen seien. Das Fi­nanz­amt schloss dem zunächst an. Später teilte es der Kläge­rin je­doch mit, dass es nun­mehr da­von aus­gehe, dass die Ge­winne aus der Veräußerung der An­lei­hen nicht hätten steu­er­frei be­las­sen wer­den dürfen. Es handle sich um Fi­nanz­in­no­va­tio­nen in Ge­stalt von Ab­zin­sungs­pa­pie­ren, mit der Folge, dass die Erträge aus der Veräußerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4a i.V.m. S. 4 EStG in der bis zum 31.12.2008 gel­ten­den Fas­sung (a.F.) bzw. ab dem 1.1.2009 nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i.V.m. S. 2 EStG in der Fas­sung des UntS­tRefG 2008 (n.F.) zu be­steu­ern seien.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Zu Recht hat das FG den Ge­winn als Ein­nah­men aus Ka­pi­tal­vermögen be­han­delt und der Ab­gel­tungs­steuer un­ter­wor­fen.

Bei den Veräußerungs­erlösen aus dem Ver­kauf der bei­den An­lei­hen han­delt es sich gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. um steu­er­pflich­tige Ein­nah­men aus Ka­pi­tal­vermögen. Die Vor­aus­set­zun­gen wa­ren erfüllt, da die Kläge­rin die An­lei­hen und da­mit Ka­pi­tal­for­de­run­gen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG veräußert hatte. Gem. § 20 Abs. 4 EStG ist un­ter dem Ge­winn i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG der Un­ter­schied zwi­schen den Ein­nah­men aus der Veräußerung nach Ab­zug der Auf­wen­dun­gen, die im un­mit­tel­ba­ren sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit dem Veräußerungs­ge­schäft ste­hen, und den An­schaf­fungs­kos­ten zu ver­ste­hen. Das Fi­nanz­amt hatte da­her mit Recht den Dif­fe­renz­be­trag zwi­schen den An­schaf­fungs­kos­ten und den Ein­nah­men aus der Veräußerung un­ter Ab­zug der Veräußerungs­kos­ten der Be­steue­rung un­ter­wor­fen.

Dass im Streit­fall § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 7 EStG n.F. an­zu­wen­den war, folgte aus § 52a Abs. 10 S. 6 u. 7 EStG in der im Streit­jahr 2009 gülti­gen Fas­sung. Die Grund­re­gel des § 52a Abs. 10 S. 6 EStG griff, da hier die maßgeb­li­chen Erträge aus der Veräußerung der bei­den An­lei­hen nach dem 31.12.2008 zu­ge­flos­sen wa­ren. Die im § 52a Abs. 10 S. 7 EStG vor­ge­se­hene Aus­nahme von die­sem Grund­satz griff hin­ge­gen nicht. Mit die­ser Vor­schrift ver­folgte der Ge­setz­ge­ber im Rah­men des UntS­tRefG zunächst das Ziel, dass Veräußerungs­vorgänge im Be­reich von Ka­pi­tal­for­de­run­gen, die bis zum 31.12.2008 nicht steu­er­bar wa­ren, es nicht al­lein des­halb wer­den, weil sie nach dem 31.12.2008 ver­wirk­licht wer­den. Im Blick­punkt stan­den da­bei in ers­ter Li­nie die Erträge aus der Einlösung von fest­ver­zins­li­chen Wert­pa­pie­ren, die un­ter Nenn­wert er­wor­ben wor­den wa­ren. Die Re­ge­lung hätte aber auch dazu geführt, dass die Veräußerungs­ge­winne von be­stimm­ten, vor dem 1.1.2009 an­ge­schaff­ten (sog. un­ech­ten) Fi­nanz­in­no­va­tio­nen bei ei­ner Veräußerung nach die­sem Stich­tag von der Steu­er­pflicht aus­ge­nom­men ge­we­sen wären.

Die Ergänzung die­ser Vor­schrift durch das JStG 2009 um einen zwei­ten Halb­satz ist da­her als Re­ak­tion auf die BFH-Recht­spre­chung zur Be­steue­rung be­stimm­ter Fi­nanz­in­no­va­tio­nen zu ver­ste­hen. Diese Recht­spre­chung be­traf u.a. auch die im Streit­fall vor­lie­gen­den Floa­ter. Die Einfügung des § 52a Abs. 10 S. 7 2. Hs. EStG durch das JStG 2009 verstößt ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin auch nicht ge­gen den im Rechts­staats­prin­zip ver­an­ker­ten Ver­trau­ens­schutz­grund­satz. Vor­lie­gend han­delte es sich um den Fall ei­ner un­ech­ten Rück­wir­kung. So­weit - wie hier - be­las­tende Rechts­fol­gen ei­ner Norm erst nach ih­rer Verkündung ein­tre­ten, tat­be­stand­lich aber von einem be­reits ins Werk ge­setz­ten Sach­ver­halt aus­gelöst wer­den ("tat­be­stand­li­che Rück­anknüpfung"), liegt eine "un­echte" Rück­wir­kung vor. Eine sol­che ist in­des nicht grundsätz­lich un­zulässig. Die Rechts­frage, ob § 52a Abs. 10 S. 7 EStG i.d.F. des JStG 2009 ge­gen das Rück­wir­kungs­ver­bot verstößt, hat al­ler­dings grundsätz­li­che Be­deu­tung i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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