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Aktuelles

Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen bei einvernehmlicher Streitbeilegung vor dem FG

BFH 6.7.2016, X R 57/13

Hebt das Fi­nanz­amt auf­grund ei­ner mit dem Steu­er­pflich­ti­gen ge­trof­fe­nen Verständi­gung über die ein­ver­nehm­li­che Be­en­di­gung des Fi­nanz­rechts­streits einen Steu­er­be­scheid in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem FG auf und erklärt den Rechts­streit in der Haupt­sa­che für er­le­digt, ist es nach dem Grund­satz von Treu und Glau­ben daran ge­hin­dert, er­neut einen in­halts­glei­chen Steu­er­be­scheid zu er­las­sen, wenn der Steu­er­pflich­tige in Ein­hal­tung die­ser Ab­spra­che über einen ver­fah­rens­recht­li­chen Be­sitz­stand dis­po­niert hat. Letz­te­res ist der Fall, wenn er sei­nen Ein­spruch zurück­ge­nom­men und eben­falls die Haupt­sa­che für er­le­digt erklärt hat.

Der Sach­ver­halt:
Das Fi­nanz­amt verständigte sich mit der Kläge­rin in ei­ner einen Fest­stel­lungs­be­scheid (Steu­er­be­scheid) be­tref­fen­den Fi­nanz­streit­sa­che nach einem ent­spre­chen­den Hin­weis des FG zunächst da­hin­ge­hend, den in Streit ste­hen­den Ände­rungs­be­scheid noch während der münd­li­chen Ver­hand­lung auf­zu­he­ben und den Rechts­streit in der Haupt­sa­che für er­le­digt zu erklären. Im Ge­gen­zug nahm die Kläge­rin ih­ren Ein­spruch zurück und erklärte den Rechts­streit eben­falls in der Haupt­sa­che für er­le­digt. Kurze Zeit später er­ließ das Fi­nanz­amt einen in­halts­glei­chen Ände­rungs­be­scheid, den es nun­mehr auf eine an­dere Rechts­grund­lage stützte.

Das FG, das von der Kläge­rin er­neut an­ge­ru­fen wor­den war, hob den Zweit­be­scheid auf, weil die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der vom Fi­nanz­amt be­ab­sich­tig­ten Kor­rek­tur des Steu­er­be­scheids im Ur­teils­fall nicht ge­ge­ben ge­we­sen seien. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt war be­reits auf­grund sei­ner Erklärun­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung nach dem Grund­satz von Treu und Glau­ben daran ge­hin­dert, die streit­ge­genständ­li­che Ände­rung er­neut vor­zu­neh­men, bzw. im Nach­gang einen in­halts­glei­chen Steu­er­be­scheid er­neut zu er­las­sen.

Ent­schei­dend ist in­so­weit die zwi­schen den Be­tei­lig­ten ge­trof­fene ver­fah­rens­be­en­dende Ab­spra­che vor dem FG. In­dem das Fi­nanz­amt da­nach den ers­ten Ände­rungs­be­scheid mit Zu­stim­mung der Kläge­rin auf­ge­ho­ben und den Rechts­streit ohne jede Ein­schränkung oder Be­din­gung für er­le­digt erklärt hat, wurde auf Sei­ten der Kläge­rin ein Ver­trau­en­stat­be­stand ge­schaf­fen. Die­ser hat zu ei­ner wirt­schaft­li­chen Dis­po­si­tion der Kläge­rin geführt, da die Kläge­rin durch die Rück­nahme des Ein­spruchs und die kor­re­spon­die­rende Er­le­di­gungs­erklärung ih­ren ver­fah­rens­recht­li­chen Be­sitz­stand auf­ge­ge­ben hat.

In­folge des ziel­stre­bi­gen und vor­be­halts­lo­sen Hin­wir­kens des Fi­nanz­amts auf eine um­ge­hende Be­en­di­gung des Fi­nanz­ge­richts­pro­zes­ses "ohne Ur­teil" durfte sie un­ein­ge­schränkt dar­auf ver­trauen, dass sich die Fi­nanz­behörde auch künf­tig nicht mehr in Wi­der­spruch set­zen würde. An­halts­punkte, die An­lass ge­ge­ben hätten, hieran zu zwei­feln (z.B. wenn das Fi­nanz­amt durch das Ge­richt auf of­fen­sicht­lich un­lau­tere Weise zur "ein­ver­nehm­li­chen" Ver­fah­rens­be­en­di­gung gedrängt wor­den wäre), sind we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich.

Dass die Kläge­rin das für sie nach den Er­geb­nis­sen der Zwi­schen­be­ra­tung des Tat­sa­chen­ge­richts nach da­ma­li­gem Sach- und Streit­stand au­gen­schein­lich aus­sichts­rei­che fi­nanz­ge­richt­li­che Ver­fah­ren nicht zu Ende geführt, son­dern den von ih­rer Zu­stim­mung abhängi­gen Weg­fall des ers­ten Ände­rungs­be­scheids zu­ge­las­sen und auch ih­rer­seits die Haupt­sa­cheer­le­di­gung erklärt hat, be­ruhte al­lein auf der Ver­ab­re­dung ei­ner ein­ver­nehm­li­chen Streit­bei­le­gung mit dem Fi­nanz­amt in der kon­kre­ten Ver­fah­rens­si­tua­tion. Auf­grund die­ser Dis­po­si­tion ver­zich­tete die Kläge­rin auf ein in Rechts­kraft er­wach­sen­des Sa­chur­teil des FG, des­sen Bin­dungs­wir­kung den künf­ti­gen Kor­rek­tur­rah­men nach Maßgabe der Ände­rungs­sperre des § 110 Abs. 2 FGO ein­ge­schränkt hätte.

Link­hin­weis:

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