Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt nach ihrer Satzung die wirtschaftlichen Interessen ihrer Gesellschafter wahr, die Sortenschutzinhaber sind und bundesweit Saatgut, darunter auch Weizen- und Gerstenarten, vertreiben. Die Beklagte betreibt einen Agrarhandel. Im März 2012 veräußerte die Beklagte 400 kg Sommerweizen und 600 kg Futtergerste an den Landwirt B. , der es zur Aussaat verwandte. Das verkaufte Getreide war Konsumgetreide, das nicht nach dem Saatgutverkehrsgesetz (SaatG) als zertifiziertes Saatgut oder Standardpflanzgut anerkannt war.
Die Klägerin beantragte, es der Beklagten zu verbieten, Gersten- oder Weizensaatgut anzubieten/abzugeben, soweit das Saatgut nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 1 SaatG entspricht, es sei denn die Abgabe erfolgt an amtliche Prüf oder Kontrollstellen, oder an Erbringer von Dienstleistungen zur Bearbeitung, insbesondere Aufbereitung oder Verpackung und zur Erzeugung bestimmter landwirtschaftlicher Rohstoffe oder zur Saatgutvermehrung zu diesem Zweck, ohne dass der Erbringer der Dienstleistungen einen Rechtsanspruch auf das Saatgut oder das Erntegut erwirbt. Zudem begehrte sie eine Verurteilung der Beklagte zur Zahlung von rd. 1.200 €. Die Beklagte macht geltend, der Verkauf von Konsumgetreide sei zulässig. Für die Verwendung des Getreides durch den Landwirt B. sei sie nicht verantwortlich.
LG und OLG gaben der Klage antragsgemäß statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Annahme des OLG, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei gem. §§ 8, 3, 4 Nr. 11 (a.F.) i.V.m. § 3 SaatG begründet, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 SaatG stellt eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG a.F. und § 3a UWG dar. Das SaatG gehört dem öffentlichen Recht an. Die Sicherstellung des Ernteertrags im Interesse der Lebensmittelversorgung ist ein kollektives Schutzgut, das allein die Einordnung der Vorschrift des § 3 Abs. 1 SaatG als Marktverhaltensregelung nicht gestattet. Hierin erschöpft sich der Zweck der Vorschrift allerdings nicht. Sie legt mit der Untersagung des Inverkehrbringens ein Absatzverbot für nicht den Vorschriften des SaatG entsprechendes Saatgut fest. Die Vorschrift setzt am Marktverhalten der Vertriebsunternehmen und ihrer Abnehmer, den Saatgutverbrauchern, an und fördert damit auch deren Interesse an der Bereitstellung dem gesetzlichen Kontrollmaßstab entsprechenden, unbedenklichen und leistungsfähigen Saatguts.
Vorliegend ist die Richtlinie 2005/29/EG nach ihrem Art. 3 Abs. 1 nicht anwendbar, weil vorliegend keine Geschäftspraktik gegenüber einem Verbraucher in Rede steht. Verbraucher i.S.d Richtlinie 2005/29/EG ist nach deren Art. 2 Buchst. a jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Im Streitfall ist die Abgabe von Saatgut an einen Landwirt für dessen betriebliche Zwecke erfolgt. Die landwirtschaftliche Tätigkeit ist zwar, soweit sie die Urproduktion umfasst, nicht gewerblichen Charakters. Sie ist aber als berufliche Tätigkeit einzuordnen, so dass der Abnehmer vorliegend nicht als Verbraucher handelte.
Der beanstandete Veräußerungsvorgang stellt einen Verstoß gegen das in § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a SaatG geregelte Verbot des gewerblichen Inverkehrbringens von nicht zertifiziertem Saatgut dar. Die Eingrenzung des Schutzgegenstands erfolgt sowohl im Sortenschutzrecht als auch im SaatG anhand des Kriteriums der "Bestimmung" von Samen oder Pflanzen zur Erzeugung von Pflanzen. Dabei ist es ein Gebot der Rechtssicherheit, auch im Zusammenhang mit dem SaatG die "Bestimmung" nicht als ein - nur schwer feststellbares - subjektives Tatbestandsmerkmal im Sinne einer Absicht des Händlers zu verstehen, sondern als ein objektives, durch äußere Umstände feststellbares Tatbestandsmerkmal.
Die Frage, ob Getreide als Saatgut im Sinne des SaatG vertrieben wird, ist mit Blick auf die tatsächliche Zweckbestimmung zur Zeit des Vertreibens zu beantworten. Um dem gesetzlichen Schutzzweck - den wettbewerblichen Interessen der Saatgutverbraucher - Rechnung zu tragen, ist es erforderlich, den gesamten Veräußerungstatbestand zu berücksichtigen. Ist für denjenigen, der das Saatgut gewerblich in Verkehr bringt, die von seinem Abnehmer später vorgenommene Aussaat des Konsumgetreides aufgrund objektiver Umstände voraussehbar, so liegt damit eine "Bestimmung" zur Aussaat bereits im Zeitpunkt des Inverkehrbringens vor.
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