Der Sachverhalt:
Die Klägerin hat drei ältere Geschwister. 1994 schlossen die Eltern der Klägerin und die vier Kinder einen notariellen Pflichtteilsverzichtvertrag. Die Eltern gaben an, sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt zu haben. Die Kinder verzichteten gegenüber dem überlebenden Elternteil auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht gegen Zahlung von je 150.000 DM, zu zahlen bis Ende 1994. Darüber hinaus verzichtete die Klägerin auf die Auszahlung des Betrages zu diesem Termin. Stattdessen sollte der Betrag an sie ausgezahlt werden nach dem Tode des letztversterbenden Elternteils nebst 5 % Zinsen. Zur Absicherung bewilligten und beantragten die Eltern die Eintragung einer Grundschuld i.H.v. 150.000 DM nebst 5 % Zinsen zu Lasten eines näher beschriebenen Grundstücks in C. Außerdem verzichteten die drei Geschwister der Klägerin auf evtl. Pflichtteilsansprüche gegen die Klägerin für den Fall, dass beim Tode des letztversterbenden Elternteils die Klägerin Alleinerbin des Grundbesitzes werden sollte, bezgl. dessen die Grundschuld bestellt wurde. Im Laufe des Jahres 1994 wurde an die Geschwister der jeweilige Betrag gezahlt. Im November 1994 wurde für die Klägerin die Grundschuld eingetragen.
Die Klägerin richtete ein Schreiben an das Finanzamt, zeigte darin insbesondere den Zufluss von 158.000 € an und teilte mit, sie gehe davon aus, dass der Vorgang ausschließlich der Schenkungsteuer und nicht der Einkommensteuer unterliege. Bereits bei Abschluss des Pflichtteilsverzichtsvertrages im Jahr 1994 war beabsichtigt, dass die Klägerin das elterliche Haus erhalten solle. Dies wurde mit dem Testament von 1994 umgesetzt. Entgegen der ursprünglichen Planung musste das Haus jedoch im Jahre 2015 zur Finanzierung der elterlichen Pflege veräußert werden. Die nicht erfolgte Rückmeldung durch das Finanzamt wurde von der Klägerin darauf zurückgeführt, dass der schenkungsteuerliche Freibetrag von 400.000 € nicht überschritten worden war.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung 2015 erklärten die Kläger aus dem Vorgang keine Einkünfte aus Kapitalvermögen, fügten jedoch eine formlose Anlage bei, in der sie den Sachverhalt darstellten und ausführten, nach ihrer Auffassung sei der Vorgang für die Einkommensteuer nicht relevant. Das Finanzamt erhöhte bei den Einkünften, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden, die Kapitalerträge der Ehefrau gegenüber den erklärten, unstreitigen um 81.000 €.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts ist beim BFH anhängig und wird dort unter dem Az. VIII R 22/17 geführt.
Die Gründe:
In dem Betrag von 158.000 €, den die Klägerin 2015 erhalten hat, sind keine einkommensteuerbaren Teile enthalten, insbesondere keine Zinsen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Es liegen keine Zinsen aus einer Grundschuld gem. § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG vor. Entgegen der Auffassung des Finanzamts liegen auch keine Zinsen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vor. Bei der Auslegung steuerrechtlicher Normen kommt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine erhöhte Bedeutung zu. Eine solche wirtschaftliche Betrachtungsweise scheint es auf den ersten Blick nahezulegen, dass die Klägerin und ihre drei Geschwister gleichermaßen im Jahr 1994 jeweils 150.000 DM erhielten und dann allein die Klägerin in einem zweiten Schritt ihren Eltern den Betrag wieder überließ gegen Zinsen.
Allerdings hat der BFH ausgeführt, dass bei einem Verzicht eines Kindes gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche selbst bei wiederkehrenden Zahlungen der Eltern kein entgeltlicher Leistungsaustausch zwischen Eltern und Kind und damit keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern vorliege. Wenn aber selbst bei laufender Zahlung kein steuerbarer Zinsanteil gegeben ist, muss dies bei einer Einmalzahlung erst recht gelten.
Der BFH hat ausdrücklich ausgesprochen, dass der auf Grund des Pflichtteilsverzichts eingeräumte Anspruch von vornherein entsprechend gestaltet ist. Nach Auffassung des BFH hat die Klägerin daher nicht 1994 150.000 DM zzgl. Zinsen erhalten, sondern es war letztlich von vornherein vereinbart, dass die Klägerin für den 1994 erklärten Pflichtteilsverzicht im Jahr 2015 158.000 € erhalten sollte. Vorher hat die Klägerin nach Auffassung des BFH nie etwas erhalten und konnte daher auch kein Kapital an ihre Eltern überlassen i.S.v § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Verwendung des Begriffes "Zinsen" im Pflichtteilsverzichtsvertrag von 1994 dient danach nur der Bemessung der genauen Höhe der von vornherein erst später von den Eltern an die Klägerin zu erbringenden Leistung.
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