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Steuerberatung

Verzinsungsanspruch nach Unionsrecht

BFH v. 22.10.2019 - VII R 24/18

Ein Zins­be­scheid über Pro­zess­zin­sen enthält nicht zu­gleich eine still­schwei­gende Ab­leh­nung wei­te­rer Zin­sen, ins­be­son­dere auf uni­ons­recht­li­cher Grund­lage. Sieht eine Richt­li­nie eine ob­li­ga­to­ri­sche Steu­er­be­frei­ung vor, die der Mit­glied­staat nicht recht­zei­tig in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt hat, und kann sich der Steu­er­pflich­tige des­halb un­mit­tel­bar auf die ent­spre­chende Richt­li­ni­en­be­stim­mung be­ru­fen, ste­hen ihm nach den uni­ons­recht­li­chen Grundsätzen Zin­sen auf den Ent­las­tungs­be­trag zu, wenn der Mit­glied­staat anfäng­lich des­sen Aus­zah­lung ver­wei­gert.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin be­treibt Mo­to­renprüfstände, in de­nen die durch die Ver­bren­nung von ver­steu­er­tem Ben­zin er­zeugte me­cha­ni­sche En­er­gie un­ter Ein­satz an­ge­schlos­se­ner Ge­ne­ra­to­ren in Strom um­ge­wan­delt wird. Das Fi­nanz­amt hatte nach einem für die Kläge­rin er­folg­rei­chen Pro­zess vor dem FG Pro­zess­zin­sen fest­ge­setzt. Nach Ab­lauf der Rechts­be­helfs­frist ge­gen die­sen Zins­be­scheid machte die Kläge­rin eine wei­ter­ge­hende Ver­zin­sung nach Uni­ons­recht gel­tend. Das Fi­nanz­amt lehnte dies un­ter Hin­weis auf den Ab­lauf der Rechts­be­helfs­frist so­wie ei­ner für die Be­scheidände­rung er­for­der­li­chen Ände­rungs­norm ab.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage wei­test­ge­hend statt.

Gründe:
Der Kläge­rin steht ein wei­ter­ge­hen­der Zins­an­spruch zu, der sich di­rekt aus dem Uni­ons­recht er­gibt. In­so­weit ist die EuGH-Recht­spre­chung zur Ver­zin­sung auf den vor­lie­gen­den Fall über­trag­bar.

Wie der EuGH ent­schie­den hat, ent­fal­tet Art. 14 Abs. 1 Buchst. a En­er­gie­StRL un­mit­tel­bare Wir­kung, so dass ein Wirt­schafts­be­tei­lig­ter un­ter Be­ru­fung auf diese Vor­schrift die Er­stat­tung ei­ner un­ter Ver­stoß ge­gen diese Be­stim­mung er­ho­bene Steuer er­wir­ken kann. Hin­sicht­lich der feh­len­den Verfügbar­keit des Er­stat­tungs­be­trags darf ihm nach den Grundsätzen der Äqui­va­lenz und Ef­fek­ti­vität eine an­ge­mes­sene Ent­schädi­gung nicht vor­ent­hal­ten wer­den. In­so­weit ist die vor­ge­nannte EuGH-Recht­spre­chung auf den vor­lie­gen­den Fall.

Im Streit­fall ste­hen der Kläge­rin uni­ons­recht­li­che Zin­sen al­ler­dings erst ab dem 10.12.2011 und - be­grenzt durch die be­reits fest­ge­setz­ten Pro­zess­zin­sen - nur bis zum 25.2.2015 zu. Denn nach der EuGH-Recht­spre­chung zum Mehr­wert­steuerüber­schuss und zur Durch­set­zung des Neu­tra­litätsprin­zips steht der Steu­er­behörde eine an­ge­mes­sene Frist für die Be­ar­bei­tung zu. Maßgeb­lich ist da­nach, in wel­chem an­ge­mes­se­nen Zeit­raum eine Be­ar­bei­tung des Er­stat­tungs­an­trags er­war­tet wer­den kann. Die­ser Zeit­raum ist bei der Be­rech­nung des Zins­an­spruchs, der dem Aus­gleich des in­folge des vorüber­ge­hen­den Ka­pi­ta­lent­zugs ent­stan­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­teils dient, zu berück­sich­ti­gen. In­so­weit be­gren­zen die Er­for­der­nisse ei­nes ord­nungs­gemäßen Voll­zugs steu­er­recht­li­cher Ent­las­tungs­re­ge­lun­gen den auf Uni­ons­recht be­ru­hen­den Zins­an­spruch.

Maßge­bend für den Zins­be­ginn ist die Ab­gabe des vollständi­gen An­trags auf Ent­las­tung. Nur bei Vor­lage ei­nes ord­nungs­gemäßen und vollständi­gen An­trags wird die Behörde in die Lage ver­setzt, den An­trag zu be­ar­bei­ten und das Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen für die be­an­tragte Steu­er­ent­las­tung fest­zu­stel­len. Im Streit­fall hatte das FG nicht fest­ge­stellt, dass ein un­vollständi­ger An­trag vor­liegt, so dass der BFH von der Ab­gabe ei­nes vollständi­gen An­trags am 25.07.2011 aus­geht. Der Zins­lauf be­ginnt mit­hin 4 Mo­nate (25.11.2011) und 10 Ar­beits­tage (28.11.2011 bis 02.12.2011 und 05.12.2011 bis 09.12.2011) nach Ab­gabe die­ses An­trags, also am 10.12.2011.

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