Der Sachverhalt:
Zwischen der Klägerin, damals in der Rechtsform einer GmbH, als Organgesellschaft und der B-AG als Organträgerin bestand seit 1990 eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft, die zum 31.12.2000 beendet wurde. Im Jahr 2005 wurden die Geschäftsanteile der Klägerin an andere Gesellschafter veräußert. Über das Vermögen der B-AG wurde im Jahr 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Das für die B-AG i.L. zuständige Finanzamt teilte der Klägerin im Oktober 2009 mit, dass es beabsichtige, sie für Körperschaftsteuerschulden der B-AG gem. § 73 AO in Haftung zu nehmen. Im Wege einer tatsächlichen Verständigung wurde ein quotaler Haftungsbetrag für die Körperschaftsteuer 2000 der B-AG i.L. vereinbart. Ein entsprechender Haftungsbescheid erging im Juni 2010.
In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2009 bildete die Klägerin wegen der drohenden Haftungsinanspruchnahme gem. § 73 AO eine Rückstellung. Im Rahmen ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2009 wies sie ausdrücklich darauf hin, dass sie die Haftungsschulden nach § 73 AO als abzugsfähig ansehe, weil es sich nicht um Steuern i.S. des § 10 Nr. 2 KStG handele. Das Finanzamt folgte dem zunächst und veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte er seine Auffassung, rechnete den zurückgestellten Betrag gem. § 10 Nr. 2 KStG außerbilanziell dem Gewinn der Klägerin wieder hinzu und änderte den Bescheid über Körperschaftsteuer 2009 entsprechend ab.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Das Finanzamt hat zutreffend angenommen, dass die einkommensmindernde Rückstellung für eine drohende Haftungsinanspruchnahme nach § 73 AO durch eine außerbilanzielle Gewinnerhöhung zu neutralisieren war. Eine solche ist zwar nicht nach § 10 Nr. 2 KStG, aber nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vorzunehmen.
Gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist entweder das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer - ggf. zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen - Verbindlichkeit und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Im Streitfall lagen die Voraussetzungen des vorgenannten zweiten Tatbestandes vor, indem das Bestehen und die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 73 AO aufgrund eines Anschreiben des Finanzamtes als wahrscheinlich angesehen worden war.
Die hiernach zu passivierende Rückstellung wird nicht dadurch neutralisiert, dass dem Jahresergebnis der Steuerpflichtigen, einer GmbH, der entsprechende Betrag außerbilanziell nach § 10 Nr. 2 KStG wieder hinzuzurechnen wäre. Denn Aufwendungen einer Organgesellschaft aufgrund einer Haftungsinanspruchnahme für Körperschaftsteuerschulden des Organträgers nach § 73 AO fallen nicht unter das Abzugsverbot des § 10 Nr. 2 KStG fallen. Nach dem Wortlaut der Norm greift das Abzugsverbot des § 10 Nr. 2 KStG für Steuern vom Einkommen oder andere Personensteuern. Nicht erfasst werden hingegen Haftungsschulden, da die AO sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrer Systematik eindeutig zwischen Steueransprüchen (Steuerschulden) einerseits und Haftungsansprüchen (Haftungsschulden) als gesonderten Ansprüchen (Verpflichtungen) aus dem Steuerschuldverhältnis andererseits unterscheidet (§ 37 Abs. 1 AO).
Die mit der Rückstellung verbundene Gewinnminderung wird jedoch dadurch neutralisiert, dass dem Jahresergebnis der Steuerpflichtigen der entsprechende Betrag außerbilanziell als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG wieder hinzugerechnet wird. Denn bei der Klägerin war eine Vermögensminderung durch die Passivierung der Rückstellung für die drohende Haftungsinanspruchnahme eingetreten, die sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG ausgewirkt hat und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stand.
Die vermögensmindernde Haftungsinanspruchnahme der Klägerin war auch durch das Gesellschaftsverhältnis zur Organträgerin veranlasst. Die Klägerin war aufgrund des Gewinnabführungsvertrags, der zur Begründung des Organschaftsverhältnisses und damit auch zur Übernahme des - genuin organschaftsrechtlichen - Haftungsrisikos nach § 73 AO geführt hat, verpflichtet. Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags mit dem beherrschenden Gesellschafter ist jedoch stets durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft würde die Gesellschaft nämlich nicht gegenüber einem gesellschaftsfremden Dritten verpflichten, ihren gesamten Gewinn an diesen abzuführen und zusätzlich das Risiko zu übernehmen, für dessen Steuerschulden zu haften. Die Eingehung einer solchen Verpflichtung durch die Organgesellschaft ist wirtschaftlich nur mit dem vorrangigen Konzerninteresse zu erklären und rührt folglich aus dem Gesellschaftsverhältnis her.
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