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Vollmilch darf als "Weide-Milch" bezeichnet werden

OLG Nürnberg 7.2.2017, 3 U 1537/16

Es exis­tie­ren keine recht­li­chen Vor­ga­ben, wann eine Milch als "Weide-Milch" be­zeich­net wer­den darf. Es ist zu­dem zwei­fel­haft, ob ein re­le­van­ter Teil des an­ge­spro­che­nen Ver­brau­cher­krei­ses tatsäch­lich un­ter der Be­zeich­nung "Weide-Milch" eine Milch ver­steht, die nur von Kühen stammt, die sich am Tag der Mel­kung oder am Vor­tag min­des­tens 6 Stun­den auf der Weide be­fan­den und an­ge­sichts der glo­ba­li­sier­ten Welt die Er­war­tung he­gen, dass die Milch aus Tei­len der Welt kommt, in de­nen Kühe das ganze Jahr über im Freien wei­den können.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist ein bun­des­weit agie­ren­der Dis­coun­ter, die im Rah­men ih­res Le­bens­mit­tel­sor­ti­ments eine als "fri­sche Weide-Milch" be­zeich­nete Voll­milch ver­treibt. Ne­ben die­ser Be­zeich­nung be­fin­det sich auf dem Eti­kett der Fla­sche auf der "Schau­seite" die Ab­bil­dung gra­sen­der Kühe. Das rück­sei­tige Eti­kett enthält u.a. den Pas­sus "bei die­sem Pro­dukt han­delt es sich um 100% Wei­de­milch. Un­sere Wei­de­milch stammt von Kühen, die min­des­tens 120 Tage im Jahr und da­von min­des­tens 6 Stun­den am Tag auf der Weide ste­hen". Tatsäch­lich stammt die Milch aus­schließlich von Kühen, die an min­des­tens 120 Ta­gen im Jahr und da­von min­des­tens 6 Stun­den am Tag auf der Weide ste­hen.

Bei dem Kläger han­delt es sich um einen Wett­be­werbs­ver­band. Die­ser hielt die Be­wer­bung als Weide-Milch gem. §§ 3, 3a, 5, 8 UWG i.V.m. Art. 7 Abs. 1a LMIV für un­lau­ter und nahm die Be­klagte des­we­gen auf Un­ter­las­sung in An­spruch. Die Wer­bung sei ir­reführend, weil die Milch von Kühen stamme, die nur 120 Tage, je 6 Stun­den, im Jahr auf der Weide stünden, den Rest der Zeit je­doch im Stall. Es han­dele sich da­her um einen Sai­son­ar­ti­kel, der aber ganzjährig an­ge­bo­ten werde. Die Zu­satz­an­ga­ben auf der Rück­seite der Ver­pa­ckung könn­ten die Ir­reführungs­ge­fahr nicht be­sei­ti­gen. Der Ver­brau­cher er­warte auf­grund der Be­zeich­nung und der Ab­bil­dung von gra­sen­den. Kühen, dass die an­ge­bo­tene Milch von Milchkühen stamme, die vor dem Mel­ken auf der Weide ge­stan­den hätten und dem­ent­spre­chend frei und aus­gie­big hätten gra­sen können.

Das LG gab der Un­ter­las­sungs­klage statt. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hob das OLG die Ent­schei­dung auf und wies die Klage ab. Die Re­vi­sion wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Ein An­spruch nach § 3a UWG i.V.m. Art 7 Abs. 1a LMIV schei­terte be­reits daran, dass die Be­klagte als (nur) Händ­le­rin für einen et­wai­gen Ver­stoß ge­gen das in Art. 7 LMIV nor­mierte Ir­reführungs­ver­bot nicht als Ver­ant­wort­li­che i.S.d. Art. 8 Abs. 3 LMIV an­zu­se­hen wäre. Da­nach dürfen Le­bens­mit­tel­un­ter­neh­mer, de­ren Tätig­kei­ten die In­for­ma­tio­nen über Le­bens­mit­tel nicht be­ein­flus­sen, keine Le­bens­mit­tel ab­ge­ben, von de­nen sie auf­grund der ih­nen im Rah­men ih­rer Be­rufstätig­keit vor­lie­gen­den In­for­ma­tio­nen wis­sen oder an­neh­men müssen, dass sie dem an­wend­ba­ren Le­bens­mit­tel­in­for­ma­ti­ons­recht und den An­for­de­run­gen der ein­schlägi­gen ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten nicht ent­spre­chen. Hier­von konnte vor­lie­gend nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Es exis­tie­ren keine recht­li­chen Vor­ga­ben, wann eine Milch als "Weide-Milch" be­zeich­net wer­den darf.

Auch auf das Ir­reführungs­ver­bot gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG konnte sich der Kläger nicht stützen, da die eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben der LMIV nicht un­ter­lau­fen wer­den dürfen. § 5 UWG dient, so­weit Hand­lun­gen ge­genüber Ver­brau­chern in Rede ste­hen, der Um­set­zung der Richt­li­nie 2005/29/EG. Nach Art. 3 Abs. 4 der Richt­li­nie ge­hen ab­schließende Rechts­vor­schrif­ten der Ge­mein­schaft der Richt­li­nie und dar­auf be­ru­hen­dem na­tio­na­len Recht vor. Für den Le­bens­mit­tel­be­reich enthält Art. 7 Abs. 1 der LMIV ein um­fas­sen­des Ir­reführungs­ver­bot. Die Re­ge­lung ist ab­schließend und setzt nicht nur einen Min­dest­stan­dard, son­dern er­laubt auch keine stren­gere, na­tio­nale Re­ge­lung. Im Hin­blick auf die Ziel­rich­tung die­ses be­son­de­ren Ir­reführungs­ver­bots ist § 5 UWG in des­sen An­wen­dungs­be­reich aus­schließlich nach dem Maßstab des be­son­de­ren Ir­reführungs­ver­bo­tes aus­zu­le­gen. Da­nach rich­tet sich die Frage, ob die Be­klagte als Händ­le­rin ge­gen Art. 7 Abs. 1a LMIV ver­stoßen hat und auch für un­rich­tige In­for­ma­tio­nen auf von Drit­ten her­ge­stell­ten Le­bens­mit­teln ver­ant­wort­lich ist, al­lein nach Art. 8 LMIV, des­sen Vor­aus­set­zun­gen hier aber nicht erfüllt wa­ren.

Da die Be­klagte für eine et­waige Ver­let­zungs­hand­lung nicht ver­ant­wort­lich wäre, konnte letzt­lich of­fen blei­ben ob die Be­zeich­nung "fri­sche Weide-Milch", die an­ge­grif­fene Pro­dukt­auf­ma­chung und die An­gabe "Bei die­sem Pro­dukt han­delt es steh um 100% Wei­de­milch" auf der rück­sei­ti­gen Eti­ket­tie­rung ge­gen § 7 Abs. 1a LMIV ver­stoßen. Hier­von geht der Se­nat al­ler­dings, an­ders als das LG, nicht aus. Denn nach Art. 7 Abs. 1a LMIV dürfen In­for­ma­tio­nen über Le­bens­mit­tel nicht ir­reführend sein. Vor­aus­set­zung ei­ner Ir­reführung i.S.d. Vor­schrift ist es, dass die Vor­stel­lun­gen, die durch die In­for­ma­tion über das Le­bens­mit­tel bei den an­ge­spro­che­nen Ver­kehrs­krei­sen, also den End­ver­brau­chern (Art. 2 Abs. 2a LMIV) aus­gelöst wer­den, mit dem tatsäch­li­chen Zu­stand, ins­be­son­dere den Ei­gen­schaf­ten nicht übe­rein­stim­men. Und dies war nach Auf­fas­sung des Se­nats vor­lie­gend nicht der Fall. Es war schon zwei­fel­haft, ob ein re­le­van­ter Teil des an­ge­spro­che­nen Ver­brau­cher­krei­ses tatsäch­lich un­ter der Be­zeich­nung "Weide-Milch" eine Milch ver­steht, die nur von Kühen stammt, die sich am Tag der Mel­kung oder am Vor­tag min­des­tens 6 Stun­den auf der Weide be­fan­den und an­ge­sichts der glo­ba­li­sier­ten Welt die Er­war­tung he­gen, dass die Milch aus Tei­len der Welt kommt, in de­nen Kühe das ganze Jahr über im Freien wei­den können.

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