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Steuerberatung

Vorerwerb: Kein Ausschluss der Kapitalwertberichtigung durch § 10 Abs. 3 ErbStG

BFH v. 22.8.2018 - II R 51/15

Die un­ver­zins­li­che le­bensläng­li­che Stun­dung ei­ner Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung ist im Hin­blick auf den gewähr­ten Nut­zungs­vor­teil eine der Schen­kung­steuer un­ter­lie­gende frei­ge­bige Zu­wen­dung. Wird der aus­gleichs­ver­pflich­tete Ehe­gatte beim Tod des aus­gleichs­be­rech­tig­ten Ehe­gat­ten des­sen Al­lein­erbe, steht der fin­gierte Fort­be­stand von Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung und -ver­bind­lich­keit nach § 10 Abs. 3 ErbStG der Be­rich­ti­gung des Ka­pi­tal­werts des als Vor­er­werb an­zu­set­zen­den Nut­zungs­vor­teils nicht ent­ge­gen.

Der Sach­ver­halt:

Der Kläger ist ein Tes­ta­ments­voll­stre­cker. Ihm ob­liegt die Ver­wal­tung und Ver­tre­tung ei­ner un­selbständi­gen Stif­tung in der Stif­ter­ge­mein­schaft der Spar­kasse. Das Stif­tungs­vermögen be­steht aus dem Nach­lass des ur­sprüng­li­chen Klägers X, der während des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens ver­stor­ben ist.

 

Der im März 1940 ge­bo­rene X und seine Ehe­frau, die spätere Erb­las­se­rin Y, leb­ten im Güter­stand der Zu­ge­winn­ge­mein­schaft. Im De­zem­ber 2004 be­en­de­ten sie durch no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­ten Ehe- und Erb­ver­trag die­sen Güter­stand und ver­ein­bar­ten den Güter­stand der Güter­tren­nung. Die Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung der Erb­las­se­rin i.H.v. 375.823 € wurde auf Le­bens­zeit des zur Zah­lung ver­pflich­te­ten X ge­stun­det; eine Ver­ein­ba­rung zur Ver­zin­sung der For­de­rung wurde nicht ge­trof­fen. Zu­dem setz­ten sich die Ehe­leute ge­gen­sei­tig zu Al­lein­er­ben ein. Die Y ver­st­arb im No­vem­ber 2009.

 

Das Fi­nanz­amt er­fasste die Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung als Er­werb des X mit dem Nenn­wert. Zusätz­lich setzte es den Vor­teil aus der zins­lo­sen Stun­dung der Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung mit dem Ka­pi­tal­wert ei­ner le­bensläng­li­chen Nut­zung i.H.v. 192.499 € als Vor­schen­kung an. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Der BFH bestätigte die Ent­schei­dung.

 

Gründe:

Die Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung war nur mit einem ab­ge­zins­ten Wert i.H.v. 177.107 € und die aus der zins­lo­sen Stun­dung der Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung re­sul­tie­rende Vor­schen­kung nur mit einem lauf­zeit­be­zo­ge­nen Ka­pi­tal­wert i.H.v. 90.522 € an­zu­set­zen.

 

Die schen­kung­steu­er­li­chen Grundsätze für die Gewährung ei­nes zins­lo­sen Dar­le­hens gel­ten für die zins­lose Stun­dung ei­ner Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung ent­spre­chend. Denn auch in die­sem Fall hat sich der aus­gleichs­be­rech­tigte Ehe­gatte der Nut­zungsmöglich­keit des Ka­pi­tals aus der For­de­rung für die Zeit der Stun­dung be­ge­ben und die Nut­zung dem aus­gleichs­ver­pflich­te­ten Ehe­gat­ten über­las­sen. Eine Ver­zin­sung der Aus­gleichs­for­de­rung ist da­her nicht ge­ne­rell aus­ge­schlos­sen. Dies zeigt sich schon darin, dass bei ei­ner Stun­dung der Aus­gleichs­for­de­rung durch das Fa­mi­li­en­ge­richt die ge­stun­dete For­de­rung durch den Schuld­ner zu ver­zin­sen wäre (§ 1382 Abs. 2 BGB). Die zins­lose Stun­dung der Aus­gleichs­for­de­rung ist des­halb nicht mit der zins­lo­sen Stun­dung ei­nes nicht gel­tend ge­mach­ten Pflicht­teils­an­spruchs ver­gleich­bar.

 

Im vor­lie­gen­den Fall war der Nut­zungs­vor­teil auf­grund der zins­lo­sen Stun­dung der Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung zu­tref­fend mit einem Ka­pi­tal­wert i.H.v. 90.522 € als Vor­schen­kung berück­sich­tigt wor­den. Gem. § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG wer­den meh­rere in­ner­halb von zehn Jah­ren von der­sel­ben Per­son an­fal­lende Vermögens­vor­teile in der Weise zu­sam­men­ge­rech­net, dass dem letz­ten Er­werb die früheren Er­werbe nach ih­rem früheren Wert zu­ge­rech­net wer­den und von der Steuer für den Ge­samt­be­trag die Steuer ab­ge­zo­gen wird, die für die früheren Er­werbe zur Zeit des letz­ten Er­werbs zu er­he­ben ge­we­sen wäre.

 

Bei der Be­rech­nung der Erb­schaft­steuer gem. § 14 ErbStG sind meh­rere Vermögens­vor­teile, die in­ner­halb von zehn Jah­ren von der­sel­ben Per­son da­durch an­fal­len, dass je­mand zunächst das Recht auf un­ent­gelt­li­che Nut­zung ei­nes Ge­gen­stands und da­nach den der Nut­zung un­ter­lie­gen­den Ge­gen­stand selbst er­wirbt, bei der Zu­sam­men­rech­nung der Er­werbe mit den ih­nen je­weils zu­kom­men­den Wer­ten an­zu­set­zen. Auf­grund der Selbständig­keit der Be­steue­rung der ein­zel­nen Er­werbe ist der in die Zu­sam­men­rech­nung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ein­zu­be­zie­hende Vor­er­werb dem letz­ten Er­werb mit dem ma­te­ri­ell-recht­lich zu­tref­fen­den Wert hin­zu­zu­rech­nen. Dies gilt auch, wenn bei der vor­an­ge­gan­ge­nen Steu­er­fest­set­zung für den Vor­er­werb ein ma­te­ri­ell-recht­lich nicht zu­tref­fen­der Wert berück­sich­tigt wurde oder keine Steu­er­fest­set­zung für den Vor­er­werb er­folgt ist.

 

Hier war der zu­ge­wen­dete Nut­zungs­vor­teil auf­grund der zins­lo­sen Stun­dung der Aus­gleichs­for­de­rung nicht wie eine le­bensläng­li­che Nut­zung, son­dern wie eine Nut­zung auf be­stimmte Zeit zu be­wer­ten. Mit dem Ab­le­ben der Erb­las­se­rin als Gläubi­ge­rin der Aus­gleichs­for­de­rung en­dete der Nut­zungs­vor­teil des Al­lein­er­ben aus der zins­lo­sen Stun­dung, mit der Folge, dass der Ka­pi­tal­wert nach der wirk­li­chen Dauer der Nut­zung zu be­rich­ti­gen war.

 

Die Be­rich­ti­gung des Ka­pi­tal­werts des Nut­zungs­vor­teils aus der zins­lo­sen Stun­dung der Zu­ge­winn­aus­gleichs­for­de­rung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BewG ist auch nicht durch § 10 Abs. 3 ErbStG aus­ge­schlos­sen. § 10 Abs. 3 ErbStG gilt für den je­weils zu be­steu­ern­den Er­werb, der zi­vil­recht­lich das Recht und die Ver­bind­lich­keit durch Kon­fu­sion zum Erlöschen bringt. Dies er­gibt sich un­mit­tel­bar aus dem Wort­laut der Vor­schrift, nach dem erb­schaft­steu­er­recht­lich die Fik­tion des Nichterlöschens für die "in­folge des An­falls" ein­tre­tende Ver­ei­ni­gung von Recht und Ver­bind­lich­keit ein­tritt. Dies lässt die Berück­sich­ti­gung des Vor­er­werbs un­berührt. Der Vor­er­werb ist dem Letz­ter­werb mit dem früheren Wert hin­zu­zu­rech­nen. Da­bei ist der ma­te­ri­ell-recht­lich zu­tref­fende Wert­an­satz maßge­bend. Spätere Er­eig­nisse, wie z.B. ein Er­werb von To­des we­gen, sind bei der Er­mitt­lung des zu­tref­fen­den Wert­an­sat­zes des Vor­er­werbs nur zu berück­sich­ti­gen, wenn dies ge­setz­lich vor­ge­se­hen ist.

 

Han­delt es sich bei dem Vor­er­werb um eine le­bensläng­li­che Nut­zung oder Leis­tung, die nach § 14 Abs.1 BewG zu be­wer­ten und de­ren Wert nach § 14 Abs.2 BewG zu be­rich­ti­gen ist, ist der be­rich­tigte Wert der ma­te­ri­ell-recht­lich zu­tref­fende Wert­an­satz des Vor­er­werbs. Die spe­zi­ell für le­bensläng­li­che Nut­zun­gen und Leis­tun­gen ge­trof­fene Re­ge­lung in § 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BewG geht in­so­weit der all­ge­mein ein Erlöschen von Rechts­verhält­nis­sen aus­schließen­den Fik­tion in § 10 Abs. 3 ErbStG vor. Die Be­rich­ti­gung des Ka­pi­tal­werts des Vor­er­werbs in Form ei­ner le­bensläng­li­chen Nut­zung oder Leis­tung nach § 14 Abs. 2 BewG ist auch möglich, wenn in­folge des To­des des Be­rech­tig­ten oder Ver­pflich­te­ten eine Ver­ei­ni­gung von Recht und Ver­bind­lich­keit in der Per­son des Er­ben ein­tritt. Ein Aus­schluss der­ar­ti­ger Fall­ge­stal­tun­gen lässt sich we­der dem Wort­laut noch dem Zweck der Vor­schrift ent­neh­men.

 

Link­hin­weis:

 

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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