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Vorgaben für die Herabsetzung der Vorstandsbezüge wegen Verschlechterung der Lage der Gesellschaft

BGH 27.10.2015, II ZR 296/14

Das Recht zur Her­ab­set­zung der Bezüge gem. § 87 Abs. 2 AktG ist ein ein­sei­ti­ges Ge­stal­tungs­recht der AG, das durch eine Ge­stal­tungs­erklärung ausgeübt wird, die der Auf­sichts­rat in Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft ge­genüber dem Vor­stands­mit­glied ab­gibt. Eine Ver­schlech­te­rung der Lage der Ge­sell­schaft i.S.v. § 87 Abs. 2 AktG tritt je­den­falls dann ein, wenn die Ge­sell­schaft in­sol­venz­reif wird.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war seit Juli 2010 Ge­schäftsführer der U-GmbH. Im Frühjahr 2011 wurde die Ge­sell­schaft in die U-AG um­ge­wan­delt. Der Kläger wurde als CFO Mit­glied des Vor­stands. Nach sei­nem An­stel­lungs­ver­trag, der bis Ende 2012 fest ab­ge­schlos­sen wurde, be­trug sein Jah­res­ge­halt 188.000 €. Dazu ka­men noch wei­tere Leis­tun­gen. Im Laufe des Jah­res 2011 ge­riet die U-AG in Schief­lage. Auf Drängen der Ban­ken be­rief der Auf­sichts­rat den Kläger am Ende 2011 als Vor­stand ab und stellte ihn un­ter wi­der­ruf­li­cher Ankündi­gung der Fort­zah­lung sei­ner Bezüge frei. Ab Ja­nuar 2012 zahlte sie ihm aber keine Bezüge mehr.

Im Fe­bruar 2012 wurde der Be­klagte zum vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Im März 2012 for­derte die­ser die Auf­sichts­rats­mit­glie­der un­ter Hin­weis auf de­ren Ver­pflich­tung gem. § 87 Abs. 2 AktG auf, die Vergütung der Vorstände zu be­gren­zen. Nach­dem das In­sol­venz­ver­fah­ren noch im glei­chen Mo­nat eröff­net und der Be­klagte zum In­sol­venz­ver­wal­ter er­nannt wor­den war, kündigte er den An­stel­lungs­ver­trag des Klägers zum 30.6.2012 und ver­wei­gerte wei­tere Zah­lun­gen un­ter Hin­weis dar­auf, dass der Kläger ihm keine Auskünfte über eine an­der­wei­tige Be­schäfti­gung und über den Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld er­teilt habe.

Im April 2012 be­schloss der Auf­sichts­rat, die Re­du­zie­rung der Vor­stands­bezüge rück­wir­kend auf­zu­he­ben. Der Kläger mel­dete seine Ge­halts­an­sprüche für Ja­nuar bis März 2012 i.H.v. 38.510 € so­wie den "Verfrühungs­scha­den" für die Mo­nate Juli bis De­zem­ber 2012 i.H.v. 93.388,08 € zur In­sol­venz­ta­belle an. Der Be­klagte be­stritt die For­de­run­gen. Das LG hat der Klage teil­weise, das OLG hat ihr im vollen Um­fang statt­ge­ge­ben. Auf die Re­vi­sion des Be­klag­ten hat der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück­ver­wie­sen.

Gründe:
Das an­ge­foch­tene Ur­teil war ins­ge­samt auf­zu­he­ben.

Das Recht zur Her­ab­set­zung der Bezüge gem. § 87 Abs. 2 AktG ist ein ein­sei­ti­ges Ge­stal­tungs­recht der AG, das durch eine Ge­stal­tungs­erklärung ausgeübt wird, die der Auf­sichts­rat in Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft ge­genüber dem Vor­stands­mit­glied ab­gibt. Macht das Vor­stands­mit­glied wie im vor­lie­gen­den Fall gel­tend, die auf­grund des Auf­sichts­rats­be­schlus­ses vor­ge­nom­mene Her­ab­set­zung sei­ner Bezüge sei un­wirk­sam, ist bei der ge­richt­li­chen Überprüfung zu un­ter­schei­den, ob die an­geführ­ten Un­wirk­sam­keitsgründe (nur) die in­terne Wil­lens­bil­dung des Auf­sichts­rats be­tref­fen oder (auch) Aus­wir­kun­gen auf die im Außenverhält­nis dem Vor­stands­mit­glied ge­genüber ab­ge­ge­bene Ge­stal­tungs­erklärung ha­ben. Da­bei ist zu be­ach­ten, dass bei et­wai­gen Mängeln ei­nes Auf­sichts­rats­be­schlus­ses nach ständi­ger Recht­spre­chung nicht ent­spre­chend den §§ 241 ff. AktG zwi­schen nich­ti­gen und an­fecht­ba­ren Be­schlüssen zu un­ter­schei­den ist, son­dern Auf­sichts­rats­be­schlüsse, die in ver­fah­rensmäßiger oder in­halt­li­cher Be­zie­hung ge­gen zwin­gen­des Recht ver­stoßen, grundsätz­lich nich­tig sind.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts war der Auf­sichts­rats­be­schluss aus März 2012 nicht we­gen Un­be­stimmt­heit un­wirk­sam. Dem Be­ru­fungs­ge­richt konnte aus Rechtsgründen auch nicht darin ge­folgt wer­den, dass die Her­ab­set­zung der Bezüge auf­grund des Be­schlus­ses dem Kläger ge­genüber (schon) des­halb un­wirk­sam war, weil der Be­klagte nicht dar­ge­tan habe, dass der Be­schluss auf ei­ner nach­voll­zieh­ba­ren und von sach­frem­den Erwägun­gen freien Er­mes­sens­ausübung des Auf­sichts­rats be­ruhe.

Ins­be­son­dere durfte das OLG nach der rechts­feh­ler­freien Fest­stel­lung, dass die Vor­aus­set­zun­gen für eine Her­ab­set­zung der Bezüge gem. § 87 Abs. 2 AktG ge­ge­ben wa­ren, der Klage nicht in vol­ler Höhe statt­ge­ben. Denn dass sich die Lage der Ge­sell­schaft ver­schlech­tert hatte und die Wei­ter­gewährung der Bezüge des Klägers un­bil­lig für die Ge­sell­schaft i.S.d. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG war, wurde rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt. Eine Ver­schlech­te­rung der Lage tritt je­den­falls dann ein, wenn die Ge­sell­schaft in­sol­venz­reif wird. Die Wei­ter­zah­lung der Bezüge ist un­bil­lig i.S.d. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG, wenn der Vor­stand pflicht­wid­rig ge­han­delt hat oder ihm zwar kein pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten vor­zu­wer­fen ist, die Ver­schlech­te­rung der Lage der Ge­sell­schaft je­doch in die Zeit sei­ner Vor­stands­ver­ant­wor­tung fällt und ihm zu­re­chen­bar ist. Diese Vor­aus­set­zun­gen wa­ren hier erfüllt.

Die Her­ab­set­zung der Bezüge muss min­des­tens auf einen Be­trag er­fol­gen, des­sen Gewährung an­ge­sichts der Ver­schlech­te­rung der Lage der Ge­sell­schaft nicht mehr als un­bil­lig an­ge­se­hen wer­den kann. Die Vor­schrift er­laubt an­de­rer­seits keine Her­ab­set­zung der Bezüge des Vor­stands­mit­glieds, die wei­ter geht, als es die Bil­lig­keit an­ge­sichts der Ver­schlech­te­rung der Lage der Ge­sell­schaft er­for­dert. Da die Ge­sell­schaft - oder wie hier der In­sol­venz­ver­wal­ter - mit der von ihr ein­sei­tig erklärten Her­ab­set­zung von der ver­ein­bar­ten Vergütung ab­wei­chen will, trägt sie grundsätz­lich die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für das Vor­lie­gen der ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen. So­weit es im Rah­men der Bil­lig­keitsprüfung dar­auf an­kommt, ob und in wel­chem Um­fang die Her­ab­set­zung für das Vor­stands­mit­glied zu­mut­bar ist, kann ihm hin­sicht­lich sei­ner persönli­chen Verhält­nisse die se­kundäre Dar­le­gungs­last ob­lie­gen.

Zu Un­recht hatte das Be­ru­fungs­ge­richt die Gehälter der lei­ten­den An­ge­stell­ten als Un­ter­grenze der nach § 87 Abs. 2 AktG her­ab­ge­setz­ten Vor­stands­vergütung an­ge­se­hen. So­weit es sich da­bei auf die Be­schluss­emp­feh­lung des Rechts­aus­schus­ses be­zo­gen hatte, war der an­geführ­ten Stelle (BT-Drucks. 16/13433, S. 10) eine ent­spre­chende Äußerung des Rechts­aus­schuss in der Begründung sei­ner Emp­feh­lung zur Ände­rung des § 87 Abs. 2 AktG nicht zu ent­neh­men.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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