Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit Juli 2010 Geschäftsführer der U-GmbH. Im Frühjahr 2011 wurde die Gesellschaft in die U-AG umgewandelt. Der Kläger wurde als CFO Mitglied des Vorstands. Nach seinem Anstellungsvertrag, der bis Ende 2012 fest abgeschlossen wurde, betrug sein Jahresgehalt 188.000 €. Dazu kamen noch weitere Leistungen. Im Laufe des Jahres 2011 geriet die U-AG in Schieflage. Auf Drängen der Banken berief der Aufsichtsrat den Kläger am Ende 2011 als Vorstand ab und stellte ihn unter widerruflicher Ankündigung der Fortzahlung seiner Bezüge frei. Ab Januar 2012 zahlte sie ihm aber keine Bezüge mehr.
Im April 2012 beschloss der Aufsichtsrat, die Reduzierung der Vorstandsbezüge rückwirkend aufzuheben. Der Kläger meldete seine Gehaltsansprüche für Januar bis März 2012 i.H.v. 38.510 € sowie den "Verfrühungsschaden" für die Monate Juli bis Dezember 2012 i.H.v. 93.388,08 € zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte bestritt die Forderungen. Das LG hat der Klage teilweise, das OLG hat ihr im vollen Umfang stattgegeben. Auf die Revision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Gründe:
Das angefochtene Urteil war insgesamt aufzuheben.
Das Recht zur Herabsetzung der Bezüge gem. § 87 Abs. 2 AktG ist ein einseitiges Gestaltungsrecht der AG, das durch eine Gestaltungserklärung ausgeübt wird, die der Aufsichtsrat in Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied abgibt. Macht das Vorstandsmitglied wie im vorliegenden Fall geltend, die aufgrund des Aufsichtsratsbeschlusses vorgenommene Herabsetzung seiner Bezüge sei unwirksam, ist bei der gerichtlichen Überprüfung zu unterscheiden, ob die angeführten Unwirksamkeitsgründe (nur) die interne Willensbildung des Aufsichtsrats betreffen oder (auch) Auswirkungen auf die im Außenverhältnis dem Vorstandsmitglied gegenüber abgegebene Gestaltungserklärung haben. Dabei ist zu beachten, dass bei etwaigen Mängeln eines Aufsichtsratsbeschlusses nach ständiger Rechtsprechung nicht entsprechend den §§ 241 ff. AktG zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen zu unterscheiden ist, sondern Aufsichtsratsbeschlüsse, die in verfahrensmäßiger oder inhaltlicher Beziehung gegen zwingendes Recht verstoßen, grundsätzlich nichtig sind.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der Aufsichtsratsbeschluss aus März 2012 nicht wegen Unbestimmtheit unwirksam. Dem Berufungsgericht konnte aus Rechtsgründen auch nicht darin gefolgt werden, dass die Herabsetzung der Bezüge aufgrund des Beschlusses dem Kläger gegenüber (schon) deshalb unwirksam war, weil der Beklagte nicht dargetan habe, dass der Beschluss auf einer nachvollziehbaren und von sachfremden Erwägungen freien Ermessensausübung des Aufsichtsrats beruhe.
Insbesondere durfte das OLG nach der rechtsfehlerfreien Feststellung, dass die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Bezüge gem. § 87 Abs. 2 AktG gegeben waren, der Klage nicht in voller Höhe stattgeben. Denn dass sich die Lage der Gesellschaft verschlechtert hatte und die Weitergewährung der Bezüge des Klägers unbillig für die Gesellschaft i.S.d. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG war, wurde rechtsfehlerfrei festgestellt. Eine Verschlechterung der Lage tritt jedenfalls dann ein, wenn die Gesellschaft insolvenzreif wird. Die Weiterzahlung der Bezüge ist unbillig i.S.d. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG, wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat oder ihm zwar kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt.
Die Herabsetzung der Bezüge muss mindestens auf einen Betrag erfolgen, dessen Gewährung angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nicht mehr als unbillig angesehen werden kann. Die Vorschrift erlaubt andererseits keine Herabsetzung der Bezüge des Vorstandsmitglieds, die weiter geht, als es die Billigkeit angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft erfordert. Da die Gesellschaft - oder wie hier der Insolvenzverwalter - mit der von ihr einseitig erklärten Herabsetzung von der vereinbarten Vergütung abweichen will, trägt sie grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Soweit es im Rahmen der Billigkeitsprüfung darauf ankommt, ob und in welchem Umfang die Herabsetzung für das Vorstandsmitglied zumutbar ist, kann ihm hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse die sekundäre Darlegungslast obliegen.
Zu Unrecht hatte das Berufungsgericht die Gehälter der leitenden Angestellten als Untergrenze der nach § 87 Abs. 2 AktG herabgesetzten Vorstandsvergütung angesehen. Soweit es sich dabei auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses bezogen hatte, war der angeführten Stelle (BT-Drucks. 16/13433, S. 10) eine entsprechende Äußerung des Rechtsausschuss in der Begründung seiner Empfehlung zur Änderung des § 87 Abs. 2 AktG nicht zu entnehmen.
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