Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob es sich bei einem während der Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründeten Vorsteuererstattungsanspruch um einen Anspruch der Insolvenzmasse handelt oder dieser dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zuzuordnen ist. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH & Co. KG. Mit Beschluss des AG Hamburg wurde der Kläger im März 2014 zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Im März 2015 reichte der Kläger Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das 2. und 3. Kalendervierteljahr 2014 mit Vorsteuer-Guthaben ein. Das Finanzamt lehnte die Festsetzungen ab. Eine Festsetzung im Massezeitraum komme nur in Frage, sofern im Zeitraum des vorläufigen Insolvenzverfahrens insgesamt eine Umsatzsteuer-Zahllast entstanden sei. Vorliegend sei für beide Voranmeldungszeiträume jedoch eine Erstattung angemeldet worden. Erstattungsansprüche zählten zu den Insolvenzforderungen und nicht zu den Masseverbindlichkeiten. Nicht als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 4 InsO geltend zu machende Umsatzsteuerverbindlichkeiten müssten als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht angenommen, dass es sich bei dem während der Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründeten Vorsteuererstattungsanspruch um einen Anspruch der Insolvenzmasse handelt.
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten nur die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden. Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit.
Vorliegend ist § 55 Abs. 4 InsO schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar, da die Vorschrift lediglich Verbindlichkeiten, nicht aber Forderungen den Masseverbindlichkeiten zuweist. Angesichts des eindeutigen Wortlauts ist dieser einer abweichenden Auslegung nicht zugänglich. Denn auch die Gesetzesbegründung geht eindeutig davon aus, dass diese Norm lediglich den Nachteil ausgleichen will, den der Fiskus als Zwangsgläubiger hinzunehmen hat. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber insofern keine Gleichbehandlung von Verbindlichkeiten und Forderungen zum Regelungsziel hatte. Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG, da es sich bei der ansonsten schutzlosen Zwangsgläubigerschaft des Fiskus um einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für eine ggf. bestehende Ungleichbehandlung handelt.
Die Argumentation des Klägers, wonach eine Qualifikation des Vorsteuererstattungsanspruchs als Masseverbindlichkeit daraus abzuleiten sei, dass mit der Insolvenzeröffnung eine durchgängige Umstellung von der Soll- auf die Ist-Versteuerung mit der Folge einer Konnexität zwischen Umsatzsteuerpflicht und Vorsteuerabzugsberechtigung stattfinde, verkennt, dass nach ständiger zutreffender höchstrichterlicher Rechtsprechung das Unternehmen - bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts - nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil, Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen) besteht, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können.
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