In dem Streitfall ging es um eine Werbe-E-Mail, die die Beklagte an die berufliche Adresse des Klägers geschickt hatte. Der Kläger machte einen Verstoß gegen Art. 6 DSGVO geltend, wonach die Nutzung seiner E-Mail-Adresse mangels Einwilligung datenschutzwidrig sei. Er klagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz, wobei die Höhe des Schmerzensgeldes den Betrag von 500 Euro nicht unterschreiten sollte. In der ersten Instanz wurde dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungs- sowie der Auskunftsanspruch zugebilligt. Den Schadensersatzanspruch wies das Amtsgericht allerdings mit der Begründung ab, dass dem Kläger kein ersichtlicher Schaden entstanden sei, da es sich lediglich um eine einzige Werbe-E-Mail handelte, die auch deutlich als solche zu erkennen gewesen sei.
Verletzung des Rechts auf gesetzlichen Richter
Der Kläger erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde und machte die Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter geltend. Das BVerfG gab der Klage statt., weil das Amtsgericht die letzte Instanz in diesem Verfahren sei. Es habe das Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter verletzt, indem seine Entscheidung nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorgelegt habe.
Hinweis: Die Vorlagepflicht beim EuGH durch ein letztinstanzliches Gericht gelte, sofern sich in einem Verfahren eine entscheidungserhebliche Frage des Unionsrechts stellt, die betreffende Bestimmung noch kein Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war und Zweifel hinsichtlich der richtigen Anwendung des Unionsrecht bestehen.
Der vom Amtsgericht zu beurteilende Sachverhalt werfe entscheidungserhebliche Fragen auf. Zu klären sei, unter welchen Voraussetzungen Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen Geldentschädigungsanspruch gewähre und welches Verständnis dieser Vorschrift im Hinblick auf Erwägungsgrund 146 S. 3 DSGVO zugrunde gelegt werden solle. Der Geldentschädigungsanspruch aus Art. 82 DSGVO sei in der Rechtsprechung des EuGH nicht erschöpfend geklärt und dessen Voraussetzungen können auch nicht unmittelbar aus der DSGVO bestimmt werden. Somit bestehen eindeutig Zweifel über die richtige Auslegung des Unionsrechts. Indem sich das Amtsgericht in Ablehnung des Anspruchs auf die Erforderlichkeit einer Erheblichkeitsschwelle gestützt hat, habe es fehlerhaft eine eigene Auslegung des Unionsrechts vorgenommen. Eine solche Erheblichkeitsschwelle werde weder von der Literatur befürwortet noch vom BGH angewendet und sei in dieser Form nicht in der DSGVO angelegt.
Die Rechtsfrage, ob ein Schadenersatzanspruch von dem Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle abhängig ist, wird jetzt dem EUGH zur Entscheidung vorgelegt werden müssen.
Folgen für die Praxis
Das Urteil macht deutlich, dass Unternehmen zunehmend nicht nur Konsequenzen von Seiten der Behörden unter Wettbewerbern zu fürchten haben, wenn es sich einen Verstoß gegen die DSGVO zu Schulden kommen lässt. Auch von Seiten der Verbraucher ist künftig mit mehr Widerstand zu rechnen. Es bleibt den deutschen Gerichten zwar weiterhin die Möglichkeit, Klagen auf den materiellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO wegen sonstiger Gründe abzulehnen. Allerdings wird eine Klage jetzt nicht mehr unter Verweis auf die Geringfügigkeit abgelehnt werden können, ohne hierbei die vom EuGH noch zu entwickelnden Maßstäbe zu berücksichtigen. Einmal mehr wird deutlich, dass DSGVO Compliance ein zentraler Bestandteil des Compliance Management System sein sollte.
Welche weitreichenden Sanktionen bei DSGVO-Verstößen durch die zuständigen Behörden verhängt werden können, lesen Sie hier.