Der Sachverhalt:
Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum März 2012 bis März 2013. Der Kläger ist der Vater der vier Kinder A (geb. 1996), S (1999), D (2002) und F (2003). Er ist seit dem 1.3.2010 in Deutschland nichtselbständig tätig. D und F leben seit 2004 bei ihrer Mutter in Spanien, die dort erwerbstätig ist. A und S leben beim Kläger.
Das FG gab der Klage in vollem Umfang statt. Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld (vorrangig) dem Kläger zusteht. Der Kläger ist zwar nach nationalem Recht (§§ 62 ff. EStG) anspruchsberechtigt. Der Kindsmutter steht aber nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG ein vorrangiger Kindergeldanspruch zu.
Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 EStG. Allerdings ist die Kindsmutter nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG vorrangig anspruchsberechtigt. Denn sie hat D und F in ihren Haushalt aufgenommen und gem. Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit - VO Nr. 883/2004 (Grundverordnung) - i.V.m. Art. 60 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 Grundverordnung - VO Nr. 987/2009 (Durchführungsverordnung) - ist zu unterstellen, dass sie mit D und F in Deutschland wohnt.
Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 S. 1 EStG). Vorliegend ergibt sich die Anspruchsberechtigung der Kindsmutter aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zwar liegt der nach dieser Vorschrift erforderliche Inlandswohnsitz tatsächlich nicht vor. Es finden jedoch die Vorschriften der VO Nr. 883/2004 und der VO Nr. 987/2009 Anwendung. Dadurch wird gem. Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 ein Inlandswohnsitz der Kindsmutter fingiert.
Zu den "beteiligten Personen" i.S.d. Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 gehören die "Familienangehörigen" i.S.d. Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i der VO Nr. 883/2004. Da das Kindergeldrecht nach dem EStG den Begriff des Familienangehörigen weder verwendet noch definiert, sind hierunter neben den Elternteilen und dem Kind auch alle Personen zu verstehen, die nach nationalem Recht berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben. Daher werden von diesem Begriff nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auch Elternteile erfasst, die nicht miteinander verheiratet sind. Der Begriff der "beteiligten Personen" i.S.d. Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 ist auch nicht unter Rückgriff auf Art. 1 Buchst. i Nr. 2 der VO Nr. 883/2004 zu bestimmen.
Danach werden als "Familienangehörige" nur der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder angesehen, wenn die anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen unterscheiden, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind. Die Nichtanwendbarkeit dieser Bestimmung ergibt sich zum einen daraus, dass im deutschen Kindergeldrecht die Anspruchsberechtigung von einer familienrechtlichen Beziehung abhängig gemacht wird (vgl. § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 EStG). Zum anderen hat auch der EuGH in seinem Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 38 zur Bestimmung der "beteiligten Personen" auf die nach dem nationalen Recht Anspruchsberechtigten abgestellt und damit auch die ehemalige (geschiedene) Ehefrau des Anspruchstellers als "beteiligte Person" qualifiziert. Schließlich erfüllt die Kindsmutter auch die übrigen Voraussetzungen für eine vorrangige Anspruchsberechtigung.
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