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Vorsteuerabzug bei Zweifeln an der tatsächlichen Lieferung

FG Düsseldorf 26.3.2014, 1 V 3235/13 A(U)

Nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung des BFH sind auch im Aus­set­zungs­ver­fah­ren die Re­geln über die Ver­tei­lung der ob­jek­ti­ven Be­weis­last (Fest­stel­lungs­last) zu be­ach­ten. Die ob­jek­tive Be­weis­last für das Vor­lie­gen der ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des Vor­steu­er­ab­zugs trägt dem­ent­spre­chend der den Vor­steu­er­ab­zug be­geh­rende Un­ter­neh­mer.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin be­trieb in den Streit­jah­ren 2007 bis 2009 einen Ein­zel­han­del mit Tex­ti­lien mit zwei La­den­lo­ka­len. Anläss­lich ei­ner Be­triebsprüfung hin­sicht­lich der Streit­jahre stellte der Prüfer u.a. fest, dass die An­trag­stel­le­rin in den Ver­an­la­gungs­zeiträumen 2007 bis 2009 Vor­steu­er­beträge i.H.v. 9.614 € (2007), 18.804 € (2008) und 30.134 € (2009) aus meh­re­ren Rech­nun­gen ei­ner Firma D, In­ha­ber E., über die Lie­fe­run­gen von Klei­dungsstücken ab­ge­zo­gen hatte. Der Prüfer ver­trat die Auf­fas­sung, der Vor­steu­er­ab­zug aus den ge­nann­ten Rech­nun­gen sei zu ver­sa­gen, da den Rech­nun­gen tatsäch­lich keine ent­spre­chen­den Lie­fe­run­gen des E. an die An­trag­stel­le­rin zu­grunde ge­le­gen hätten.

Seine Auf­fas­sung stützte der Prüfer auf eine Selbst­an­zeige des E. aus dem Jahr 2010, in der die­ser erklärt hatte, in der Zeit von 2007 bis 2010 we­der Tex­til­einkäufe vor­ge­nom­men noch Tex­til­verkäufe durch­geführt zu ha­ben, son­dern an­de­ren Großhänd­lern Schein­rech­nun­gen er­teilt zu ha­ben, um die­sen einen Vor­steu­er­ab­zug zu ermögli­chen. Die An­trag­stel­le­rin be­an­tragte die Aus­set­zung der Voll­zie­hung der Um­satz­steu­er­be­scheide. So habe der E. in sei­ner Selbst­an­zeige le­dig­lich aus­geführt, an­de­ren Großhänd­lern Schein­rech­nun­gen er­teilt zu ha­ben. Bei ihr han­dele es sich hin­ge­gen um eine Ein­zelhänd­le­rin.

Das FG wies den An­trag zurück. Al­ler­dings wurde die Be­schwerde zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung sind auch im Aus­set­zungs­ver­fah­ren die Re­geln über die Ver­tei­lung der ob­jek­ti­ven Be­weis­last (Fest­stel­lungs­last) zu be­ach­ten. Die ob­jek­tive Be­weis­last für das Vor­lie­gen der ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des Vor­steu­er­ab­zugs trägt dem­ent­spre­chend der den Vor­steu­er­ab­zug be­geh­rende Un­ter­neh­mer. Die ge­bo­tene Berück­sich­ti­gung der ob­jek­ti­ven Be­weis­last führt zwar nicht ge­ne­rell dazu, im Aus­set­zungs­ver­fah­ren ernst­li­che Zwei­fel an der Rechtmäßig­keit der Ver­wei­ge­rung des Vor­steu­er­ab­zugs zu ver­nei­nen. Ent­schei­dend sind viel­mehr stets die Umstände des Ein­zel­fal­les und das Ge­wicht der Gründe, die An­lass zum Zwei­fel ge­ben. Dem­ent­spre­chend kann je nach der ge­ge­be­nen Sach­lage eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung ge­recht­fer­tigt oder ab­zu­leh­nen sein.

In­fol­ge­des­sen war im vor­lie­gen­den Fall keine Aus­set­zung der Voll­zie­hung zu gewähren. Denn an­ge­sichts der Fest­stel­lun­gen des An­trags­geg­ners spra­chen er­heb­li­che Umstände ge­gen die Be­haup­tung der An­trag­stel­le­rin, E. habe die in den strei­ti­gen Rech­nun­gen auf­geführ­ten Wa­ren tatsäch­lich an die An­trag­stel­le­rin ge­lie­fert. Von we­sent­li­cher Be­deu­tung war in­so­weit, dass E. im Rah­men sei­ner Selbst­an­zeige erklärt hatte, ent­ge­gen den An­ga­ben in den von ihm er­teil­ten Rech­nun­gen in den Streit­jah­ren tatsäch­lich keine Lie­fe­run­gen von Tex­ti­lien aus­geführt zu ha­ben.

So­weit in der Selbst­an­zeige von Schein­rech­nun­gen an "Großhänd­ler" die Rede war, sollte da­mit nicht zum Aus­druck ge­bracht wer­den, dass es sich bei den Rech­nun­gen an Tex­til­ein­zelhänd­ler nicht um Schein­rech­nun­gen ge­han­delt habe. Ge­gen ein sol­ches Verständ­nis sprach etwa der in der Selbst­an­zeige ent­hal­tene Satz: "Tatsäch­lich hat E. we­der Tex­til­einkäufe vor­ge­nom­men, noch Tex­til­verkäufe durch­geführt." Denn wenn die Selbst­an­zeige nur einen Teil der von E. er­teil­ten Aus­gangs­rech­nun­gen hätte be­tref­fen sol­len, hätte es na­he­ge­le­gen, zum Aus­druck zu brin­gen, bei wel­chen Rech­nun­gen an wel­che Adres­sa­ten es sich um Schein­rech­nun­gen han­delte und wel­che Adres­sa­ten tatsäch­lich mit Tex­ti­lien be­lie­fert wur­den. In glei­cher Weise wäre auf der Wa­ren­ein­gangs­seite eine ent­spre­chende Auf­tei­lung er­for­der­lich ge­we­sen. Durch seine An­ga­ben hatte E. sich zu­dem selbst er­heb­lich be­las­tet. Die­ser Ge­sichts­punkt sprach ganz er­heb­lich für den Wahr­heits­ge­halt.

Die Zu­las­sung der Be­schwerde er­folgte zur Fort­bil­dung des Rechts im Hin­blick auf die neuere EuGH-Recht­spre­chung (Ur­teile v. 21.6.2012, Rs. C-80/11 und C-142/11 - Ma­hagében und Dávid; 6.12.2012, Rs. C-285/11 - Bo­nik EOOD -; 31.1.2013, Rs. C-642/11 - Stroy trans EOOD, Rs. C-643/11 - LVK - 56 EOOD).

Link­hin­weis:

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