Der Sachverhalt:
Der Antragsteller betreibt einen Versand-Einzelhandel über das Internet, insbesondere mit Schuhen und Textilien. Bei ihm wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume März 2016 bis März 2017 durchgeführt, in dessen Rahmen die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen des Antragstellers überprüft wurde. Die Prüferin zu dem Ergebnis, dass der Vorsteuerabzug aus fünf Eingangsrechnungen des Antragstellers der Firma A, aus drei Eingangsrechnungen der B UG, aus einer Rechnung der C, aus einer Rechnung der D GmbH sowie aus einer Rechnung der Firma E nicht anzuerkennen sei.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Rechnungen in Gänze keine ausreichenden Leistungsbeschreibungen enthielten und der Vorsteuerabzug bereits deshalb ausgeschlossen sei. Es lägen lediglich Gattungsbezeichnungen vor (etwa Schuhe, Jeans, Herren Sneaker, Laufschuhe, Sportschuhe, Herren Jeans), welche die angeblich gelieferten Gegenstände nicht hinreichend konkretisierten. Zudem lägen in Bezug auf die A und die D Erkenntnisse darüber vor, dass diese Unternehmen keine Warenlieferung erbracht und deshalb nur Scheinrechnungen ausgestellt hätten. Bei allen Rechnungen sei weiterhin auffällig, dass die Barmittel aus den Auszahlungen vom Bankkonto des Antragstellers nicht zur Begleichung der Rechnungen ausreichend gewesen seien. Unbare Zahlungen könnten nicht festgestellt werden. Die Rechnung der Firma E sei lediglich eine sog. Proformarechnung, der keine Lieferung zugrunde liege.
Infolgedessen ergingen geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung. Der Antragsteller hiergegen Klage erhoben (6 K 102/19) und bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er war der Ansicht, die Waren, die er erworben habe, seien von ihm persönlich beim Großhändler abgeholt worden. In seiner Branche sei es üblich, dass die Ware nur gegen Bargeld herausgegeben werde. Der in diesem Verfahren maßgebliche Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb vor dem FG erfolglos.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat den Vorsteuerabzug aus den streitgegenständlichen Eingangsrechnungen nach summarischer Prüfung zu Recht versagt.
Zwar bestehen ernstliche Zweifel i.S.v. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO daran, welche Anforderungen an eine Leistungsbeschreibung i.S.v. § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG für Waren im Niedrigpreissegment zu stellen sind. Ein Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen kann letztlich nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die in der Rechnung ausgewiesene Lieferung oder sonstige Leistung tatsächlich an den Unternehmer bewirkt worden ist. Ein Gutglaubensschutz besteht insoweit weder nach nationalem noch nach Unionsrecht. Wer einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, muss auch aus unionsrechtlicher Perspektive nachweisen, dass er die Voraussetzungen hierfür erfüllt.
Daran gemessen, bestanden vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate April 2016 bis März 2017. Der Vorsteuerabzug für die Proformarechnung war schon deshalb zu versagen, weil insoweit keine Warenlieferung erfolgt war. Auch hatte der Antragsteller bislang lediglich unsubstantiiert behauptet, die Ware persönlich bei Großhändlern mit dem Auto abgeholt zu haben. Aus diesem Vortrag ergab sich aber nicht ansatzweise nachvollziehbar, wann konkret bei wem welche Waren in welcher Menge abgeholt worden sein sollen. Dokumentierte Nachweise über die Warenlieferungen, etwa Lieferscheine oder sonstige Unterlagen wurden nicht vorgelegt.
Rechnungen alleine belegen keinen Leistungsaustausch. Auch der Vortrag, dass ein Großteil der Ware zwischenzeitlich verkauft worden sei und ein Teil am Lager in Augenschein genommen werden könne, belegt als solches nicht, dass die hier relevanten Warenlieferungen tatsächlich erfolgt sind. Entsprechendes gilt für den vom Antragsteller vorgetragenen erzielten Rohgewinn von 39,7 % aus dem Onlinehandel. Letztlich ergaben sich aus dem Betriebsprüfungsarbeitsakten Anhaltspunkte dafür, dass jedenfalls die Firmen A und D an den Antragsteller keine Waren geliefert, sondern lediglich Scheinrechnungen ausgestellt hatten.
Somit sind vom Antragsteller weder der Anordnungsanspruch noch der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden. Es war nicht erkennbar, aus welchen Gründen in Bezug auf die streitgegenständlichen Steuerforderungen die Voraussetzungen einer Stundung nach § 222 AO vorliegen sollten. Hierfür ist erforderlich, dass die Einziehung eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde. Doch der Antragsteller hatte keinerlei Angaben zu seiner wirtschaftlichen Situation gemacht.
Linkhinweis:
- Der Volltext des Urteils ist erhältlich auf dem Justizportal Hamburg.
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.