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Steuerberatung

Vorsteuerberichtigung bei in Etappen errichteten Gebäuden

BFH v. 29.4.2020 - XI R 14/19

"Wirt­schafts­gut" i.S. des § 15a UStG und da­mit Be­rich­ti­gungs­ob­jekt ist bei einem in Ab­schnit­ten er­rich­te­ten Gebäude der Teil, der ent­spre­chend dem Bau­fort­schritt in Ver­wen­dung ge­nom­men wor­den ist. Die in § 15a Abs. 1 UStG ver­wen­de­ten Be­griffe "Wirt­schafts­gut" und "Grundstücke ein­schließlich ih­rer we­sent­li­chen Be­stand­teile" sind his­to­ri­sch be­dingt er­trag­steu­er­recht­lich bzw. zi­vil­recht­lich geprägt.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hat einen Wein­bau-Be­trieb, einen Ge­wer­be­be­trieb "Wein­kom­mis­sion" und er­bringt land­wirt­schaft­li­che Dienst­leis­tun­gen. Seine land­wirt­schaft­li­chen Umsätze ver­steu­erte der Kläger gemäß § 24 UStG, die übri­gen gem. § 20 UStG. Im Jahr 2006 hatte er sein Be­triebs­gebäude er­wei­tert und ein ge­mischt ge­nutz­tes Wohn­haus er­rich­tet. Nach den Plänen be­fin­den sich im Kel­ler eine ab­ge­schlos­sene Woh­nung für Ern­te­hel­fer so­wie La­bor, Büro, Ar­chiv und Räume für die "Wein­kom­mis­sion". Im Erd­ge­schoss be­fin­det sich ne­ben pri­va­ten Wohnräumen ein Emp­fangs­raum. Im Ober­ge­schoss sind ne­ben wei­te­ren pri­va­ten Wohnräumen zwei Fe­ri­en­woh­nun­gen un­ter­ge­bracht. Im De­zem­ber 2008 wa­ren Un­ter- und Erd­ge­schoss so­wie die Wohnräume im Ober­ge­schoss fer­tig ge­stellt, nicht aber die Fe­ri­en­woh­nun­gen.

Der Kläger ord­nete das ge­samte Gebäude sei­nem Un­ter­neh­men zu und be­an­tragte in den Jah­ren des Leis­tungs­be­zugs den Vor­steu­er­ab­zug aus den Bau­kos­ten (für die selbst ge­nutzte Woh­nung un­ter Be­ru­fung auf die sog. See­ling-Recht­spre­chung). Dem Wein­bau-Be­trieb ord­nete er nach dem Flächen­schlüssel einen nicht ab­zugsfähi­gen Vor­steu­er­an­teil von 11,51 % zu. In den Um­satz­steu­er­erklärun­gen für die Streit­jahre 2009 bis 2012 machte der Kläger keine An­ga­ben zu Vor­steu­er­beträgen, die nach § 15a UStG zu be­rich­ti­gen wären. Diese Um­satz­steu­erklärun­gen gal­ten als Fest­set­zun­gen un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung.

Im Rah­men ei­ner land­wirt­schaft­li­chen Be­triebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass als Ver­mie­tungs­einkünfte erklärte Miet­ein­nah­men die Woh­nung für die Ern­te­hel­fer be­tra­fen. Hin­sicht­lich der tatsäch­li­chen Nut­zung des Kel­ler­ge­schos­ses wurde Ei­ni­gung darüber er­zielt, dass die­ses hälf­tig dem land­wirt­schaft­li­chen Be­trieb und dem Ge­wer­be­be­trieb zu­zu­ord­nen sei; dies führte zur Neu­be­rech­nung der Flächen­an­teile. Die bei­den Fe­ri­en­woh­nun­gen seien 2015 noch im Roh­bau ge­we­sen. Der Prüfer meinte, dass die Vor­aus­set­zun­gen für die Be­rich­ti­gung des Vor­steu­er­ab­zugs nicht vorlägen (§ 15a Abs. 11 UStG i.V.m. § 44 Abs. 2 UStDV).

das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Es war der An­sicht, dass bei An­wen­dung von § 15a Abs. 1 UStG und § 44 UStDV auf das (ge­samte) "Wirt­schafts­gut" und seine "erst­ma­lige Ver­wen­dung" ab­zu­stel­len sei. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Gründe:
Die Vor­aus­set­zun­gen der Vor­steu­er­be­rich­ti­gung nach § 15a Abs. 1 UStG zu Las­ten des Klägers sind erfüllt. Die Ba­ga­tell­gren­zen des § 15a Abs. 11 UStG i.V.m. § 44 Abs. 2 UStDV sind in Be­zug auf das ver­wen­dete Be­rich­ti­gungs­ob­jekt mögli­cher­weise über­schrit­ten. Zur Frage, ob bzw. in wel­chem Um­fang diese Gren­zen in den Streit­jah­ren tatsäch­lich über­schrit­ten wur­den, muss das FG al­ler­dings wei­tere Fest­stel­lun­gen tref­fen.

Ändern sich bei einem Wirt­schafts­gut, das nicht nur ein­ma­lig zur Ausführung von Umsätzen ver­wen­det wird, in­ner­halb von fünf Jah­ren ab dem Zeit­punkt der erst­ma­li­gen Ver­wen­dung die für den ur­sprüng­li­chen Vor­steu­er­ab­zug maßge­ben­den Verhält­nisse, ist für je­des Ka­len­der­jahr der Ände­rung ein Aus­gleich durch eine Be­rich­ti­gung des Ab­zugs der auf die An­schaf­fungs- oder Her­stel­lungs­kos­ten ent­fal­len­den Vor­steu­er­beträge vor­zu­neh­men (§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG). Bei Grundstücken ein­schließlich ih­rer we­sent­li­chen Be­stand­teile, bei Be­rech­ti­gun­gen, für die die Vor­schrif­ten des bürger­li­chen Rechts über Grundstücke gel­ten, und bei Gebäuden auf frem­dem Grund und Bo­den tritt an die Stelle des Zeit­raums von fünf Jah­ren ein Zeit­raum von zehn Jah­ren (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG).

Al­ler­dings kann aus Ver­ein­fa­chungsgründen (s. Über­schrift zu § 44 UStDV: "Ver­ein­fa­chun­gen bei der Be­rich­ti­gung des Vor­steu­er­ab­zugs" und Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung in § 15a Abs. 11 Nr. 1 UStG) in be­stimm­ten Fällen eine Be­rich­ti­gung ent­fal­len, wenn sich bei einem Wirt­schafts­gut in einem Ka­len­der­jahr die für den ur­sprüng­li­chen Vor­steu­er­ab­zug maßge­ben­den Verhält­nisse um we­ni­ger als zehn Pro­zent­punkte geändert ha­ben (§ 44 Abs. 2 Satz 1 UStDV). Das gilt wie­derum nicht, wenn der Be­trag, um den der Vor­steu­er­ab­zug für die­ses Ka­len­der­jahr zu be­rich­ti­gen ist, 1.000 € über­steigt (§ 44 Abs. 2 Satz 2 UStDV).

Diese na­tio­na­len Re­ge­lun­gen be­ru­hen auf Art. 187 und 189 der Richt­li­nie 2006/112/EG des Ra­tes vom 28.11.2006 über das ge­mein­same Mehr­wert­steu­er­sys­tem (MwSt­Sys­tRL; zu­vor Art. 20 Abs. 2 und Abs. 4 der Sechs­ten Richt­li­nie 77/388/EWG des Ra­tes vom 17.5.1977 zur Har­mo­ni­sie­rung der Rechts­vor­schrif­ten über die Um­satz­steu­ern --Richt­li­nie 77/388/EWG--). Da­nach hat die Vor­in­stanz im Streit­fall das Über­schrei­ten der ab­so­lu­ten und das Er­rei­chen der re­la­ti­ven Ba­ga­tell­grenze je Ka­len­der­jahr rechts­feh­ler­haft ab­ge­lehnt. Zwar lässt eine Aus­le­gung nach dem Wort­laut gem. § 15a Abs. 1 UStG zu, das ge­samte Gebäude als Be­zugs­ob­jekt der Prüfung her­an­zu­zie­hen. Nach dem Zweck des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG ist norm­spe­zi­fi­sch je­doch auf das ver­wen­dete Be­rich­ti­gungs­ob­jekt ab­zu­stel­len. Die in § 15a Abs. 1 UStG ver­wen­de­ten Be­griffe "Wirt­schafts­gut" und "Grundstücke ein­schließlich ih­rer we­sent­li­chen Be­stand­teile" sind his­to­ri­sch be­dingt er­trag­steu­er­recht­lich bzw. zi­vil­recht­lich geprägt.

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