Der Sachverhalt:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, mit welcher Bemessungsgrundlage Wärmelieferungen der klagenden GmbH an Personen aus ihrem Umfeld im Streitjahr 2013 umsatzsteuerlich anzusetzen sind. Die Klägerin ist 2011 errichtet worden, Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist D. Gegenstand der Klägerin ist die Erzeugung von Strom aus regenerativen Energien, die Verarbeitung von Biomassen, die Produktion und Veräußerung von Wärme, Energie und Wertstoffen sowie Agrardienstleistungen aller Art. Für das Streitjahr reichte die Klägerin 2014 eine Umsatzsteuererklärung, ein die das Finanzamt der Besteuerung zugrunde legte.
Im Juli 2015 führte das Finanzamt bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die steuerlichen Verhältnisse in den Jahren 2011 bis 2013 umfasste. Dabei griff der Außenprüfer u. a. folgenden Sachverhalt auf: 2013 schloss die Klägerin mit der GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls D ist, einen Wärmelieferungsvertrag ab. Die Klägerin verpflichtete sich dabei, für das Objekt der GmbH überschüssige Wärme aus der von ihr betriebenen Biogasanlage in einem Umfang von etwa 170 kW/h bereitzustellen. Die komplette Versorgung mit Wärme wurde nicht garantiert. Zur Absicherung der Wärmeversorgung war die GmbH zur Vorhaltung eines eigenen Heizungssystems verpflichtet. Als Basiswärmepreis vereinbarten die Vertragsparteien einen Nettobetrag von 15 € MWh. Für fünf Jahre bestand eine Preisbindung; danach konnte eine Preisanpassung erfolgen. Die Klägerin stellte die Übergabestation und die Nahwärmeleitungen. Die GmbH versteuert ihre Umsätze als Regelbesteuerer. Einen inhaltlich gleichlautenden Vertrag schloss die Klägerin mit D, die nach Durchschnittssatz gem. § 24 UStG versteuert. Im Streitjahr lieferte die Klägerin an die GmbH 338.890 kWh und an D 439.0003 kWh.
Der Außenprüfer ging davon aus, dass der vereinbarte Preis für die Wärmelieferungen nicht dem ortsüblichen entspreche. Er ermittelte die Selbstkosten für die Produktion der Wärme mit 8,31 Cent pro kWh. Die sich ergebende Differenz setzte er bei der Körperschaftsteuer als verdeckte Gewinnausschüttung und bei der Umsatzsteuer als Mindestbemessungsgrundlage an. Das Finanzamt folgte der Auffassung seines Außenprüfers und erließ einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Auf den Einspruch der Klägerin senkte das Finanzamt die Bemessungsgrundlage für die verbilligten Lieferungen der Wärme auf 7,5 Cent pro kWh senkte. Im Übrigen wurden die Einsprüche zurückgewiesen. Ein Vergleich mit den entstandenen Selbstkosten bei der Produktion der Wärme zeige bereits eindrucksvoll, dass die vereinbarten 1,5 Cent pro kWh nicht ortüblich seien.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die beim BFH anhängige Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamts wird dort unter dem Az. V B 96/18 geführt.
Die Gründe:
Der Umsatzsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als für die Wärmelieferungen an die GmbH abweichend vom vereinbarten Entgelt von 1,5 Cent/kWh eine höhere Bemessungsgrundlage angesetzt worden ist und für die Wärmelieferungen an D eine Bemessungsgrundlage von mehr als 3,9 Cent/kWh.
Von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann nur dann als Einkaufspreis für den Gegenstand oder einen gleichartigen Gegenstand i.S.d. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG angesehen werden, wenn sie zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Nur dann kann im Zeitpunkt des Bedarfs die selbst erzeugte Wärme durch eine gleichartige, einzukaufende ersetzt und der Einkaufspreis ermittelt werden, der einem fremden Anbieter für den Liefergegenstand "Wärme" zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlt werden müssen. Ist ein (fiktiver) Einkaufspreis nicht feststellbar, sind die Selbstkosten als Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG anzusetzen. Die Selbstkosten umfassen alle vorsteuerbelasteten und nichtvorsteuerbelasteten Kosten, die für die Herstellung der jeweiligen Wärmemenge unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort anfallen.
Auch bei der Prüfung der Selbstkosten ist der Umsatz gem. § 10 Abs. 5 S. 1 2. Alt. UStG in jedem Fall aber auf das marktübliche Entgelt begrenzt. Marktübliches Entgelt ist der gesamte Betrag, den ein Leistungsempfänger an einen Unternehmer unter Berücksichtigung der Handelsstufe zahlen müsste, um die betreffende Leistung zu diesem Zeitpunkt unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zu erhalten. Für die Ermittlung des marktüblichen Entgelts sind also - entsprechend den Bedingungen des freien Wettbewerbs - die konkreten Verhältnisse am Standort des Energieverbrauches entscheidend. Eine Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG entfällt schließlich auch dann mangels einer Gefahr für eine Steuerhinterziehung oder -umgehung, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger beide zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind und der vom Leistungsempfänger in Anspruch genommene Vorsteuerabzug keiner Vorsteuerberichtigung i.S.d. § 15 a UStG unterliegt. In einem solchen Fall kann eine Steuerhinterziehung oder -umgehung stattfinden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze scheidet die Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG für die Wärmelieferungen der Klägerin an die GmbH von vornherein aus. Sowohl die Klägerin als auch die GmbH als Leistungsempfängerin sind als Regelbesteuerer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Gerade die Aufzucht von Geflügel, für die die bezogene Wärme verwendet wird, und die anschließende Veräußerung sind umsatzsteuerpflichtig, weil Befreiungstatbestände mit Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG nicht erkennbar sind. Auch eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG ist hier nicht denkbar. Bei der bezogenen Wärme handelt es sich um ein Wirtschaftsgut zum einmaligen Verbrauch, sodass lediglich § 15 a Abs. 2 UStG in Betracht kommen könnte. Da die bezogene Wärme aber im gleichen Moment verbraucht wird, ist eine Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Verhältnisse zwischen Bezug und beabsichtigtem Verbrauch und späterem tatsächlichen Verbrauch technisch nicht denkbar. Somit verbleibt es bei der Besteuerung der Wärmelieferungen gegenüber der GmbH beim Ansatz des vereinbarten Entgelts von 1,5 Cent pro kWh.
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