Der Sachverhalt:
Im August änderte die Mitgliederversammlung der Klägerin den GV. Der Unternehmensgegenstand war nunmehr auf die Entwicklung der Tätigkeit von regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, Vereinen, Verbänden und Unternehmen gerichtet durch die Übernahme bestimmter Tätigkeiten oder durch Outsourcing. Die Klägerin könne auch als Marketing-, Vertriebs- und Einkaufsgemeinschaft für ihre Mitglieder tätig werden und Leistungen ihrer Mitglieder direkt durch eigene Rechnung abrechnen lassen. Die Mitglieder können sich Betriebskosten durch die Klägerin begleichen lassen. Weiter heißt es im neuen GV, dass die Klägerin nicht auf wirtschaftlichen Gewinn orientiert sei und die Gewinne und Verluste entsprechend der EG-Verordnung 2137/85 aufgeteilt würden.
Unter dem 9.6.2010 rechnete die Klägerin die Montage einer Dachanlage gegenüber der B ab. Die Rechnungen über einen Gesamtbetrag von 9.000 € enthielten den fett gedruckten und eingerahmten Zusatz: "Die von unserem Mitglied erbrachte Leistung rechnen wir hiermit ab". Als Mitglied wurde der E e.V. angegeben. Nachdem die Klägerin zur Abgabe von Steuererklärungen aufgefordert worden war, legte sie eine Feststellungserklärung vor, wonach sie Einkünfte i.H.v. 332.055 € erzielt habe. Aus dem vorgelegten Jahresabschluss ergaben sich Umsatzerlöse von ca. 1,85 Mio € und ein Gewinn von 0 €, weil die in der Feststellungserklärung angegebenen 332.055 € als Betriebsausgaben ("Abgeführte Gewinne auf Grund einer Gewinngemeinschaft") berücksichtigt wurden.
Das Finanzamt erließ Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag sowie die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 und berücksichtigte dabei einen gewerblichen Gewinn der Klägerin i.H.v. 332.055 €, der auf die 16 Mitglieder verteilt wurde. Der Gewerbesteuermessbetragsbescheid enthielt den Zusatz, dass er mit Wirkung für und gegen alle in der Anlage aufgeführten Mitglieder der EWIV als Gesamtschuldner ergehe.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.
Die Gründe:
Das Finanzamt war zu Unrecht von einer eigenen gewerblichen Betätigung der Klägerin ausgegangen. Er durfte daher weder gewerbliche Einkünfte gegenüber der Klägerin feststellen noch einen Gewerbesteuermessbetrag festsetzen.
Die EWIV ist eine besondere supranationale Rechtsform, die es Unternehmern ermöglicht, grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten, ohne diese Zusammenarbeit dem nationalen Recht eines der beteiligten Länder zu unterwerfen. Da sie lediglich als Hilfsinstrument für eine grenzüberschreitende Kooperation ihrer Mitglieder konzipiert ist (z.B. gemeinsame Vertriebsbüros, Personalaustausch, gemeinsame Weiterbildung, Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung, bei der Abwicklung von Transporten oder bei der Werbung), übt sie vielfach Tätigkeiten aus, mit denen keine Gewinne erzielt, sondern lediglich Aufwendungen reduziert werden sollen. Derartige Tätigkeiten führen mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht zu einer gewerblichen Betätigung.
Soweit aber gewerbliche Projekte mit Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt werden (z.B. bei einer Arbeitsgemeinschaft im Baugewerbe), kann die EWIV zu einer gewerblichen Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG führen. Sofern also eine EWIV lediglich Hilfsfunktionen für die erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten ihrer Mitglieder übernimmt und damit als Hilfsgesellschaft anzusehen ist, kann sie keine Mitunternehmerschaft darstellen und es fehlt an einer gemeinsamen Einkunftsquelle. In diesem Fall ist eine gesonderte Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO nicht möglich, da es an einer gemeinschaftlichen Erzielung von Einkünften fehlt.
Gem. § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn sie weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist und wenn sie den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschreitet. Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verlangt, dass eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen muss nach außen hin in Erscheinung treten und sich an eine -wenn auch begrenzte- Allgemeinheit wenden. Infolgedessen konnte der Senat kein gewerbliches Handeln der Klägerin feststellen. Es war keine Leistung ersichtlich, die sie äußerlich erkennbar am Markt anbietet. Soweit sich das Finanzamt auf die Abrechnung eines Betrages von 9.000 € berufen hatte, verkannte es, dass die Dienstleistung der Klägerin nur in einer Rechnungsstellung für ihr Mitglied bestand und Dritten nicht angeboten wurde.
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