Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Alleinerbin ihres im August 2012 verstorbenen Ehemannes. Sie hatte u.a. das gemeinsame Familienheim geerbt, in dem die Eheleute gemeinsam und nach dem Tod des Erblassers bis zu ihrem Auszug im November 2013 die Klägerin alleine wohnte. Das Grundstück wurde im Jahr 2014 veräußert.
Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer fest, ohne die Steuerbefreiung zu berücksichtigen. In den Erläuterungen zum Bescheid hieß es: "Die Steuerbefreiung für das bisher genutzte Familienwohnheim gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG kann leider nicht gewährt werden, da die für den Auszug der Erbin verantwortliche psychische Unzumutbarkeit des dortigen Wohnenbleibens keinen objektiv zwingenden Grund nach dem Erbschaftsteuergesetz darstellt."
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Steuerfreiheit für Familienheime war nicht zu gewähren, da die Klägerin das im Jahr 2012 erworbene Familienheim nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt und nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war.
Das Tatbestandsmerkmal "zwingende Gründe" i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 5 ErbStG ist gesetzlich nicht definiert. Dass gesundheitliche Einschränkungen hierzu zählen können, wird im Schrifttum verschiedentlich anerkannt. Das FG Münster (Az.: 3 K 1331/11 Erb) hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass das "selbständige Führen eines Haushaltes in dem erworbenen Familienheim" nicht zwingend dahingehend zu verstehen sei, dass dem Erwerber das Führen des Haushalts in dem konkreten (von ihm erworbenen) Familienheim unmöglich sein muss, vielmehr beziehe es sich auf das Führen eines eigenen Haushaltes schlechthin. Diese Auslegung entspreche auch den in dem Gesetzgebungsverfahren dokumentierten Ausnahmegründen, nämlich Pflegebedürftigkeit und Tod. Das Gericht hat sich damit am Gesetzeszweck orientiert und sich dabei im Ergebnis der Auffassung des BFH angeschlossen, dass eine einschränkende Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG verfassungsrechtlich geboten sei (vgl. BFH-Urt. v. 18.7.2013, Az.: II R 35/11).
Infolgedessen war der Senat zu der Überzeug gelangt, dass die von der Klägerin vorgetragenen Gründe keine zwingenden Gründe darstellten, die eine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken entbehrlich machten. Folgt man der Ansicht des FG Münster scheiterte die Gewährung der Steuerbefreiung bereits daran, dass die psychischen Probleme der Klägerin eine eigene Haushaltsführung nicht schlechthin ausgeschlossen haben, sondern nur in dem konkreten, im Nachlass befindlichen Familienheim. Für diese Auffassung sprächen nicht nur die in der Gesetzesbegründung genannten Beispiele, sondern auch die daraus folgende "Objektivierbarkeit" der Gründe, die eine Haushaltsführung ausschließen. Im Ergebnis konnte dies jedoch offen bleiben. Denn auch für den Fall, dass die zwingenden objektiven Gründe objektbezogen zu prüfen wären, war die Klage abzuweisen. Denn der Senat vermochte nicht festzustellen, dass der Klägerin das selbständige Führen ihres Haushaltes in dem Familienheim aufgrund ihrer psychischen Probleme unmöglich war.
Die Entscheidung der Klägerin, aufgrund ihrer dramatischen und - wohl auch traumatischen - Erlebnisse ihr Familienheim aufzugeben und woanders "neu" anzufangen zeigte schließlich, dass sie die dem § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zugrunde liegende "gegenständliche räumliche" Bindung an den früheren gemeinsamen familiären Lebensraum aufgegeben hatte. Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift - nämlich durch eine Steuerbefreiung dem Erwerber zu ermöglichen, sein Familienheim beizubehalten - bedurfte die Klägerin insofern nicht der geltend gemachten Steuerbegünstigung.
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