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Steuerberatung

Wegzug: Wertzuwächse aus Schweizer Kapitalgesellschaftsbeteiligung

FG Baden-Württemberg v. 31.8.2020 - 2 K 835/19

Zieht ein Ge­sell­schaf­ter-Ge­schäftsführer ei­ner Schwei­zer Ka­pi­tal­ge­sell­schaft von Deutsch­land in die Schweiz, un­ter­lie­gen seine Wert­zuwächse aus der Be­tei­li­gung nicht be­reits bei Weg­zug der inländi­schen Ein­kom­men­steuer.

Der Sach­ver­halt:
Der ver­hei­ra­tete Kläger mit deut­scher Staats­an­gehörig­keit ist zu 50 % an ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft in der Schweiz be­tei­ligt und de­ren Ge­schäftsführer. Im Streit­jahr 2011 mie­tete er eine Woh­nung in der Schweiz an. Seine Ehe­frau wohnte wei­ter­hin in Deutsch­land. Der Kläger be­an­tragte die Ein­zel­ver­an­la­gung und erklärte in sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung, als Grenzgänger nicht im In­land der Be­steue­rung zu un­ter­lie­gen.

Das Fi­nanz­amt ge­langte zu dem Er­geb­nis, der Kläger habe in­folge sei­nes Weg­zugs in die Schweiz einen Veräußerungs­ge­winn zu ver­steu­ern (sog. Weg­zugs­be­steue­rung nach § 6 AStG i.V.m. § 17 EStG). Das Fi­nanz­amt setzte Ein­kom­men­steuer fest. Hier­ge­gen wen­det sich der Kläger. Die Be­steue­rung und so­for­tige Er­he­bung der Steuer ver­stoße ge­gen das sog. Freizügig­keits­ab­kom­men mit der Schweiz (FZA). Während des Rechts­be­helfs­ver­fah­rens änderte das Fi­nanz­amt die Steu­erhöhe zu­guns­ten des Klägers. Die­ser be­zahlte die Ein­kom­men­steuer "vorläufig".

Das FG setzte das Ver­fah­ren zunächst aus und rich­tete ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen an den EuGH. Nach des­sen Ent­schei­dung gab das FG der Klage nun­mehr statt und setzte die Ein­kom­men­steuer mit 0 € fest. Die beim BFH anhängige Re­vi­sion des Fi­nanz­amts wird dort un­ter dem Az. I R 35/20 geführt.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat zu Un­recht die Weg­zugs­be­steue­rung ohne Auf­schub der Zah­lung der ge­schul­de­ten Steuer vor­ge­nom­men. Eine Weg­zugs­be­steue­rung ohne Zah­lungs­auf­schub der ge­schul­de­ten Ein­kom­men­steuer ver­letzt das Recht des Klägers auf Gleich­be­hand­lung so­wie sein Nie­der­las­sungs­recht nach dem FZA. Der Tenor des für den Se­nat un­mit­tel­bar ver­bind­li­chen Ur­teils des EuGH ist im Lichte der Ent­schei­dungsgründe aus­zu­le­gen. Das FZA ist Be­stand­teil der Ge­mein­schafts­ord­nung und an­wend­bar. Im Falle ei­ner ab­kom­mens­wid­ri­gen in­ner­staat­li­chen Rechts­vor­schrift be­wirkt es de­ren Nicht­an­wend­bar­keit.

Der An­wen­dungs­be­reich des FZA ist eröff­net. Der Kläger ist Selbständi­ger i.S.d. FZA und kann sich auf den Grund­satz der Gleich­be­hand­lung be­ru­fen. Der Grund­satz der Gleich­be­hand­lung ist vor­lie­gend ver­letzt. Der Kläger hat sein Recht auf Nie­der­las­sung in der Schweiz ausgeübt und er­lei­det in­folge des Weg­zugs einen steu­er­li­chen Nach­teil. Er muss Ein­kom­men­steuer auf den Wert­zu­wachs sei­ner Be­tei­li­gung be­reits bei Weg­zug zah­len. Dies führt zu einem Li­qui­ditätsnach­teil. Ein sol­cher ist ge­eig­net, einen Steu­er­pflich­ti­gen da­von ab­zu­hal­ten, von sei­nem Nie­der­las­sungs­recht gem. FZA tatsäch­lich Ge­brauch zu ma­chen.

Die Un­gleich­be­hand­lung ist auch nicht ge­recht­fer­tigt. Im Streit­fall ist zwar die Be­stim­mung der Steuer im Zeit­punkt der Ver­le­gung des Wohn­sit­zes in die Schweiz eine ge­eig­nete Maßnahme, um die Er­rei­chung des Ziels in Be­zug auf die Wah­rung der Auf­tei­lung der Be­steue­rungs­be­fug­nis zwi­schen der Schweiz und Deutsch­land si­cher­zu­stel­len. Die­ses Ziel ist je­doch keine Recht­fer­ti­gung dafür, dass ein Auf­schub der Zah­lung der ge­schul­de­ten Steuer unmöglich ist. Eine Stun­dung stellt kei­nen Ver­zicht auf die Be­fug­nis der Be­steue­rung der Wert­zuwächse dar. Ein feh­len­der Zah­lungs­auf­schub geht auch über das hin­aus, was zur Er­rei­chung ei­ner wirk­sa­men steu­er­li­chen Kon­trolle nötig ist. Das Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men mit der Schweiz sieht einen Aus­tausch von Steu­er­in­for­ma­tio­nen zwi­schen den Ver­trags­staa­ten vor. Deutsch­land kann die not­wen­di­gen In­for­ma­tio­nen über die Veräußerung der Ge­sell­schafts­an­teile er­hal­ten. Außer­dem be­steht die Möglich­keit ei­ner Si­cher­heits­leis­tung, da es mit der Schweiz keine Me­cha­nis­men der ge­gen­sei­ti­gen Un­terstützung bei der Bei­trei­bung von Steu­er­for­de­run­gen gibt.

Im Streit­fall ist nicht erst das Leis­tungs­ge­bot im Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 2011 rechts­wid­rig, son­dern be­reits die Steu­er­fest­set­zung. Der EuGH be­ur­teilt das Steu­er­sys­tem. Ein sol­ches ist ein Ge­bilde, das aus meh­re­ren Kom­po­nen­ten be­steht. § 6 AStG enthält Kom­po­nen­ten der Fest­set­zung und der Er­he­bung. Da­nach be­steht die Möglich­keit, von der so­for­ti­gen Er­he­bung der Steuer im Falle er­heb­li­cher Härten und bei einem Weg­zug in das EU-/EWR-Aus­land ab­zu­se­hen, je­doch nicht bei einem Weg­zug in die Schweiz. In­so­weit gilt § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, wo­nach die fällige Ein­kom­men­steuer so­fort zu zah­len ist. Eine zins­lose Stun­dung von Amts we­gen sieht we­der das AStG noch das EStG oder ein an­de­res Ge­setz vor. In­fol­ge­des­sen wird das na­tio­nale Recht den Be­stim­mun­gen des FZA nicht ge­recht.

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