Verlegt ein unbeschränkt Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz ins Ausland, unterliegt der Wertzuwachs einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i. H. v. mindestens 1 % (sog. wesentliche Beteiligung) der Wegzugbesteuerung nach § 6 AStG. Daneben greift die Wegzugsbesteuerung auch dann, wenn eine solche wesentliche Beteiligung unentgeltlich auf einen nicht unbeschränkt Steuerpflichtigen übertragen oder dergestalt veräußert wird, dass dadurch das Besteuerungsrecht Deutschlands am Veräußerungsgewinn der Kapitalgesellschaftsanteilen beschränkt oder ausgeschlossen wird.
Der Vorinstanz folgend entschied der BFH (Urteil vom 08.12.2021, Az. I R 30/19, DStR 2022, S. 1094), dass die unentgeltliche Anteilsübertragung auf eine beschränkt steuerpflichtige Person auch dann eine Wegzugsbesteuerung auslöst, wenn das nationale Besteuerungsrecht durch die Übertragung nicht unmittelbar ausgeschlossen oder beschränkt wird. Eine einschränkende Auslegung des Tatbestands der unentgeltlichen Anteilsübertragung durch Annahme eines entsprechenden ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals sei nicht geboten.
Im Streitfall wurde eine wesentliche Beteiligung an einer GmbH mit Sitz im Inland an eine in der USA ansässige natürliche Person unentgeltlich übertragen. Da das Betriebsvermögen der GmbH aus in Deutschland belegenem Grundbesitz bestand, wurde das nationale Besteuerungsrecht nach den Vorgaben des DBA aufgrund der Übertragung nicht beschränkt. Nach Auffassung des BFH war dies für die Anwendung der Wegzugsbesteuerung irrelevant. Allein die abstrakte Gefahr, dass Deutschland aufgrund einer Vermögensumschichtung das Besteuerungsrecht verlieren könnte, reiche für den unmittelbaren Steuerzugriff aus. Aus diesem Grund sei auch keine einschränkende Auslegung der Wegzugsbesteuerung aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
Hinweis: Die Regelung zur Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG wurde mit Wirkung ab 2022 zwar neugefasst. Die Voraussetzungen, die zu einer Wegzugsbesteuerung führen, wurden allerdings insoweit beibehalten, so dass der BFH auch unter dem neu gefassten Wortlaut zu keinem anderen Ergebnis kommen dürfte.