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Werbung für Erwerb eines Werkes greift in Urheberrecht ein

BGH 5.11.2015, I ZR 91/11 u.a.

Der In­ha­ber des aus­schließli­chen Ver­brei­tungs­rechts an einem ge­schütz­ten Werk kann ge­zielte Wer­bung in Be­zug auf das Ori­gi­nal oder auf Ver­vielfälti­gungsstücke des Wer­kes auch dann ver­bie­ten, wenn nicht er­wie­sen ist, dass es auf­grund die­ser Wer­bung zu einem Er­werb des Schutz­ge­gen­stands durch einen Käufer aus der Union ge­kom­men ist, so­fern die Wer­bung die Ver­brau­cher des Mit­glied­staats, in dem das Werk ur­he­ber­recht­lich ge­schützt ist, zu des­sen Er­werb an­regt. Ent­spre­chen­des gilt für den In­ha­ber des aus­schließli­chen Rechts des ausüben­den Künst­lers nach § 77 Abs. 2 S. 1 UrhG, den Bild- oder Tonträger, auf den die Dar­bie­tung des ausüben­den Künst­lers auf­ge­nom­men wor­den ist, zu ver­brei­ten.

Der Sach­ver­halt:

+++ I ZR 91/11 +++
Die Kläge­rin die­ses Ver­fah­rens ist In­ha­be­rin der aus­schließli­chen ur­he­ber­recht­li­chen Nut­zungs­rechte an Möbeln nach Entwürfen von Mar­cel Breuer und Lud­wig Mies van der Rohe. Die Be­klagte ist eine in Ita­lien ansässige Ge­sell­schaft, die eu­ro­pa­weit De­si­gnmöbel im Di­rekt­ver­trieb ver­mark­tet. Sie wirbt auf ih­rer in deut­scher Sprache ab­ruf­ba­ren In­ter­net­seite und in Deutsch­land er­schei­nen­den Ta­ges­zei­tun­gen, Zeit­schrif­ten und Wer­be­pro­spek­ten für den Kauf ih­rer Möbel mit dem Hin­weis: Sie er­wer­ben Ihre Möbel be­reits in Ita­lien, be­zah­len aber erst bei Ab­ho­lung oder An­lie­fe­rung durch eine in­kass­obe­rech­tigte Spe­di­tion (wird auf Wunsch von uns ver­mit­telt).

Zu den Möbeln gehören auch Nach­bil­dun­gen der von Mar­cel Breuer ent­wor­fe­nen Möbel. Die Kläge­rin ist der An­sicht, die Be­klagte ver­letze mit ih­rer Wer­bung das Recht des Ur­he­bers nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, Ver­vielfälti­gungsstücke des Wer­kes der Öff­ent­lich­keit an­zu­bie­ten. Sie nimmt die Be­klagte auf Un­ter­las­sung und Scha­dens­er­satz in An­spruch.

LG und OLG ga­ben der Klage statt. Die Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

+++ I ZR 76/11 +++
Die Kläge­rin in die­sem Ver­fah­ren ist In­ha­be­rin der aus­schließli­chen ur­he­ber­recht­li­chen Nut­zungs­rechte an Leuch­ten nach Entwürfen von Prof. Wil­helm Wa­gen­feld. Sie pro­du­ziert und ver­treibt die so­ge­nannte Wa­gen­feld-Leuchte. Bei der Be­klag­ten han­delt es sich um das auch im Ver­fah­ren I ZR 91/11 be­klagte Un­ter­neh­men. Sie bringt Nach­bil­dun­gen der Wa­gen­feld-Leuchte auf den Markt. Sie wirbt deutsch­spra­chig im In­ter­net und in Print­me­dien un­ter wört­li­cher oder bild­li­cher Be­zug­nahme auf die Wa­gen­feld-Leuchte mit der Möglich­keit des Be­zugs ei­ner der­ar­ti­gen Leuchte in Ita­lien.

Die Wer­bung enthält den Hin­weis, dass deut­sche Kun­den die Leuchte un­mit­tel­bar oder zu Händen ei­nes Spe­di­teurs zur Mit­nahme nach Deutsch­land übe­reig­net er­hal­ten können. Die Kläge­rin ist der An­sicht, die Wer­bung der Be­klag­ten greife in das Recht des Ur­he­bers zum öff­ent­li­chen An­bie­ten i.S.v. § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG ein. Sie nimmt die Be­klagte auf Un­ter­las­sung und Scha­dens­er­satz in An­spruch.

LG und OLG ga­ben der Klage statt. Die Re­vi­sion der Be­klag­ten blieb vor dem BGH ohne Er­folg.

+++ I ZR 88/13 +++
Die Be­klagte die­ses Ver­fah­rens be­treibt im In­ter­net einen Tonträger­han­del. Am 30.11.2011 war auf der In­ter­net­ver­kaufs­seite der Be­klag­ten die DVD "Al Di Meola - In To­kio (Live)" ein­ge­stellt. Die auf der DVD be­find­li­che Auf­nahme war vom aufführen­den Künst­ler Al Di Meola nicht au­to­ri­siert wor­den (sog. Schwarz­pres­sung). Die Kläge­rin, eine Rechts­an­walts­kanz­lei, mahnte die Be­klagte im Auf­trag des Künst­lers ab. Sie ist der An­sicht, das An­bie­ten der DVD ver­letze das Ver­brei­tungs­recht des ausüben­den Künst­lers aus § 77 Abs. 2 S. 1 Fall 2 UrhG.

Die Be­klagte ent­fernte zwar das An­ge­bot von ih­rer In­ter­net­seite und gab eine straf­be­wehrte Un­ter­las­sungs­erklärung ab; sie wei­gerte sich je­doch, die Kos­ten der Ab­mah­nung zu er­stat­ten. Die Kläge­rin nimmt die Be­klagte auf Er­stat­tung der Ab­mahn­kos­ten in An­spruch.

AG und LG ga­ben der Klage statt. Die Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Bei dem Ver­brei­tungs­recht des Ur­he­bers han­delt es sich um ein nach Art. 4 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/29/EG har­mo­ni­sier­tes Recht. Da­her ist die Be­stim­mung der § 17 Abs. 1 UrhG richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen. Der EuGH hat auf Vor­lage des BGH ent­schie­den, Art. 4 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/29/EG sei da­hin aus­zu­le­gen, dass der In­ha­ber des aus­schließli­chen Ver­brei­tungs­rechts an einem ge­schütz­ten Werk An­ge­bote zum Er­werb oder ge­zielte Wer­bung in Be­zug auf das Ori­gi­nal oder auf Ver­vielfälti­gungsstücke des Wer­kes auch dann ver­bie­ten könne, wenn nicht er­wie­sen sein sollte, dass es auf­grund die­ser Wer­bung zu einem Er­werb des Schutz­ge­gen­stands durch einen Käufer aus der Union ge­kom­men sei, so­fern die Wer­bung die Ver­brau­cher des Mit­glied­staats, in dem das Werk ur­he­ber­recht­lich ge­schützt sei, zu des­sen Er­werb an­rege. Ent­spre­chen­des gilt für den In­ha­ber des aus­schließli­chen Rechts des ausüben­den Künst­lers nach § 77 Abs. 2 S. 1 UrhG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richt­li­nie 2006/115/EG), den Bild- oder Tonträger, auf den die Dar­bie­tung des ausüben­den Künst­lers auf­ge­nom­men wor­den ist, zu ver­brei­ten.

Dem­zu­folge ver­letzt die be­an­stan­dete Wer­bung in den Ver­fah­ren I ZR 91/11 und I ZR 76/11 das aus­schließli­che Recht zur Ver­brei­tung von Ver­vielfälti­gungsstücken der in Deutsch­land als Werke der an­ge­wand­ten Kunst ge­schütz­ten Mo­delle der Möbel von Mar­cel Breuer, Lud­wig Mies van der Rohe und der Wa­gen­feld-Leuchte. Bei der Wer­bung han­delt es sich um eine ge­zielte Wer­bung in Be­zug auf Ver­vielfälti­gungsstücke der Möbel­mo­delle und des Leuch­ten­mo­dells, die die Ver­brau­cher in Deutsch­land zu de­ren Er­werb an­regt. Sie kann da­her auch dann ver­bo­ten wer­den, wenn es auf­grund die­ser Wer­bung nicht zu einem Er­werb sol­cher Möbel durch Käufer aus der Union ge­kom­men sein sollte. Des­glei­chen stellt im Ver­fah­ren I ZR 88/13 das Ein­stel­len der DVD auf ei­ner In­ter­net­ver­kaufs­platt­form, durch das zum Er­werb des Ver­vielfälti­gungsstücks ei­nes Bild­tonträgers auf­ge­for­dert wird, auf den die Dar­bie­tung des ausüben­den Künst­lers Al Di Meola auf­ge­nom­men wor­den ist, ein das Ver­brei­tungs­recht des ausüben­den Künst­lers ver­let­zen­des An­ge­bot an die Öff­ent­lich­keit dar.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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