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Widerrufsrecht des Verbrauchers auch bei Online-Matratzenkauf

BGH v. 3.7.2019 - VIII ZR 194/16

Bei einem On­line-Ma­trat­zen­kauf durch einen Ver­brau­cher han­delt es sich nicht um einen Ver­trag zur Lie­fe­rung ver­sie­gel­ter Wa­ren, die aus Gründen des Ge­sund­heits­schut­zes oder der Hy­giene zur Rück­gabe un­ge­eig­net sind, wenn die Ver­sie­ge­lung nach der Lie­fe­rung ent­fernt wird. In­fol­ge­des­sen steht dem Ver­brau­cher auch dann ein Wi­der­rufs­recht zu, wenn er die Schutz­fo­lie ent­fernt hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist eine On­line-Händ­le­rin, die u.a. Ma­trat­zen ver­treibt. Der Kläger hatte über ihre Web­site zu pri­va­ten Zwecken eine Ma­tratze zu einem Kauf­preis von rund 1.094 € be­stellt, die ihm später mit ei­ner ver­sie­gel­ten Schutz­fo­lie ge­lie­fert wurde. In der Rech­nung der Be­klag­ten vom 26.11.2014 wurde auf die dort ab­ge­druck­ten AGB hin­ge­wie­sen, in de­nen auch eine "Wi­der­rufs­be­leh­rung für Ver­brau­cher" ent­hal­ten ist. Dort ist u.a. aus­geführt, dass das Wi­der­rufs­recht bei Verträgen zur Lie­fe­rung ver­sie­gel­ter Wa­ren, die aus Gründen des Ge­sund­heits­schut­zes oder der Hy­giene nicht zur Rück­gabe ge­eig­net sind, vor­zei­tig er­lischt, wenn ihre Ver­sie­ge­lung nach der Lie­fe­rung ent­fernt wurde. Der Kläger ent­fernte die Schutz­fo­lie den­noch.

Mit E-Mail vom 9.12.2014 bat der Kläger den Be­klag­ten um die Ver­ein­ba­rung ei­nes Ter­mins zum Rück­trans­port, da er die Ma­tratze zurück­sen­den wolle. Da die Be­klagte den er­be­te­nen Rück­trans­port nicht ver­an­lasste, gab der Kläger den Trans­port selbst in Auf­trag und zahlte 95,59 €. Später ver­langte der Kläger die Er­stat­tung des Kauf­prei­ses und der Trans­port­kos­ten i.H.v. rund 1.190 €. Das AG gab der Klage statt. Das LG bestätigte im Be­ru­fungs­ver­fah­ren diese Ent­schei­dung. Es stellte ins­be­son­dere dar­auf ab, dass es sich bei ei­ner Ma­tratze nicht um einen Hy­gie­ne­ar­ti­kel i.S.d. § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB han­dele, so dass der Wi­der­ruf auch nach dem Ent­fer­nen der Schutz­fo­lie durch den Kläger nicht aus­ge­schlos­sen ge­we­sen sei.

Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hat der BGH das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem EuGH u.a. die Frage zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt, ob Art. 16 Buchst. e der Ver­brau­cher­rech­te­richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen ist, dass zu den dort ge­nann­ten Wa­ren, die aus Gründen des Ge­sund­heits­schut­zes oder aus Hy­gie­negründen nicht zur Rück­gabe ge­eig­net sind, auch Wa­ren (wie etwa Ma­trat­zen) gehören, die zwar bei be­stim­mungs­gemäßem Ge­brauch di­rekt mit dem mensch­li­chen Körper in Kon­takt kom­men, aber durch ge­eig­nete (Rei­ni­gungs-)Maßnah­men des Un­ter­neh­mers wie­der ver­kehrsfähig ge­macht wer­den können (Be­schl. v. 15.11.2017 - VIII ZR 194/16).

Nach dem Ur­teil des BGH vom 27.3.2019 - C-681/17 - hat der die Re­vi­sion der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen.

Gründe:
Da die Vor­in­stanz die Ankündi­gung der Rück­sen­dung der Ma­tratze und die Bitte um Über­nahme der Trans­port­kos­ten rechts­feh­ler­frei als Wi­der­rufs­erklärung aus­ge­legt hatte, wa­ren die Par­teien gem. § 355 Abs. 1 BGB nicht mehr an ihre auf den Ab­schluss des Ver­tra­ges ge­rich­te­ten Wil­lens­erklärun­gen ge­bun­den mit der Folge, dass die be­klagte On­line-Händ­le­rin den Kauf­preis und die ver­aus­lag­ten Trans­port­kos­ten an den Kläger zu er­stat­ten hat.

Bei einem Kauf­ver­trag, den ein Ver­brau­cher mit einem On­line-Händ­ler über eine Ma­tratze schließt, die ihm mit ei­ner Schutz­fo­lie ver­sie­gelt ge­lie­fert wird, han­delt es sich nicht um einen Ver­trag zur Lie­fe­rung ver­sie­gel­ter Wa­ren, die aus Gründen des Ge­sund­heits­schut­zes oder der Hy­giene zur Rück­gabe un­ge­eig­net sind, wenn die Ver­sie­ge­lung nach der Lie­fe­rung ent­fernt wird (§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB). In­fol­ge­des­sen steht dem Ver­brau­cher auch dann das Recht zu, seine auf den Ver­trags­schluss ge­rich­tete Wil­lens­erklärung gem. § 312g Abs. 1 BGB zu wi­der­ru­fen, wenn er die Schutz­fo­lie ent­fernt hat. Diese Recht­spre­chung folgt im Er­geb­nis und in der Begründung den Maßstäben, die der EuGH auf den Vor­la­ge­be­schluss des Se­nats vom 15.11.2017 hin (s.o.) vor­ge­ge­ben hat. Denn die deut­sche Aus­nah­me­vor­schrift des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB geht auf die gleich­lau­tende eu­ro­pa­recht­li­che Vor­schrift des Art. 16 Buchst. e der Ver­brau­cher­rech­te­richt­li­nie zurück, die der deut­sche Ge­setz­ge­ber vollständig in deut­sches Recht um­set­zen wollte.

Eine Aus­nahme von dem bei Fern­ab­satz­verträgen Ver­brau­chern grundsätz­lich ein­geräum­ten Wi­der­rufs­recht ist vor al­lem mit Blick auf des­sen Sinn und Zweck zu ver­nei­nen. Schließlich soll das Wi­der­rufs­recht den Ver­brau­cher in der be­son­de­ren Si­tua­tion im Fern­ab­satz­han­del schützen, in der er keine Möglich­keit hat, das Er­zeug­nis vor Ab­schluss des Ver­tra­ges zu se­hen und seine Ei­gen­schaf­ten zur Kennt­nis zu neh­men. Die­ser Nach­teil soll mit dem Wi­der­rufs­recht aus­ge­gli­chen wer­den, das dem Ver­brau­cher eine an­ge­mes­sene Be­denk­zeit einräumt, in der er die Möglich­keit hat, die ge­kaufte Ware zu prüfen und aus­zu­pro­bie­ren. So­mit greift die Aus­nah­me­re­ge­lung nur dann ein, wenn nach der Ent­fer­nung der Ver­sie­ge­lung der Ver­pa­ckung die darin ent­hal­tene Ware aus Gründen des Ge­sund­heits­schut­zes oder der Hy­giene endgültig nicht mehr ver­kehrsfähig ist, weil der Un­ter­neh­mer Maßnah­men, die sie un­ter Wah­rung des Ge­sund­heits­schut­zes oder der Hy­giene wie­der ver­kehrsfähig mach­ten, nicht oder nur un­ter un­verhält­nismäßigen Schwie­rig­kei­ten er­grei­fen könnte.

Bei An­le­gung die­ses Maßstabs fällt eine Ma­tratze, de­ren Schutz­fo­lie der Ver­brau­cher ent­fernt hat, nicht un­ter den Aus­nah­me­tat­be­stand. Eine Ma­tratze kann im Hin­blick auf das Wi­der­rufs­recht mit einem Klei­dungsstück gleich­ge­setzt wer­den, das eben­falls mit dem mensch­li­chen Körper di­rekt in Kon­takt kom­men kann. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass Un­ter­neh­mer bezüglich bei­der Wa­ren in der Lage sind, diese nach Rück­sen­dung mit­tels ei­ner Be­hand­lung wie ei­ner Rei­ni­gung oder ei­ner Des­in­fek­tion für eine Wie­der­ver­wen­dung durch einen Drit­ten und da­mit für ein er­neu­tes In­ver­kehr­brin­gen ge­eig­net zu ma­chen.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für den Voll­text der Pres­se­mit­tei­lung kli­cken Sie bitte hier.
     
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