Um diese Unsicherheiten einzudämmen, setzen Käufer auf MAC-Klauseln, Kaufpreiseinbehalte, variable Kaufpreismechanismen als Closing-Accounts-Mechanismus und Earn-out-Regelungen. Demgegenüber drängen Verkäufer auf Locked-Box-Mechanismen, um eine spätere Kaufpreisanpassung zu vermeiden. In der aktuellen Lage ist davon auszugehen, dass die Verwendung variabler Kaufpreismechanismen zunehmen wird. Da diese häufig konfliktträchtig sind, steigt damit auch die Gefahr zunehmender M&A-Streitigkeiten nach dem Unternehmenserwerb.
Welcher Betrachtungszeitraum ist für die Kaufpreisbestimmung maßgeblich?
Erfolgt die Kaufpreisbestimmung anhand eines variablen Mechanismus, sind die für die Kaufpreisformel relevanten bilanziellen Größen zum Closing Date zu ermitteln, die Closing Accounts. Aus den Closing Accounts ergibt sich dann der endgültige Kaufpreis. Üblicherweise wird im Kaufvertrag das Verfahren zur Aufstellung dieser Accounts definiert. Streitanfällig ist insbesondere die Frage, bis wann für die Ermittlung der Closing Accounts wertaufhellende Ereignisse berücksichtigt werden müssen. Hier kann grundsätzlich auf das Closing Date, einen bestimmten Zeitraum im Anschluss an das Closing Date oder einen Zeitraum bis zur Lösung eines potenziellen Disputs abgestellt werden. Unabhängig von der Wahl des jeweiligen Ansatzes sollte der Wertaufhellungszeitraum sowohl für den Aufstellungszeitraum der Closing Accounts als auch den Streitbeilegungsmechanismus explizit vertraglich festgeschrieben werden.
Welche Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sind anzuwenden?
Bei Uneinigkeiten in Bezug auf die Kaufpreisermittlung wird häufig über die relevanten Einflussgrößen gestritten. Neben den in die Berechnung einfließenden bilanziellen und nicht-bilanziellen Größen selbst geht es auch um die zugrundeliegenden Bewertungsparameter. Dabei ist eine interessengeleitete Anpassung dieser Größen durch die Partei, die die Closing-Accounts aufstellt, zu vermeiden, selbst wenn sie im Rahmen der handelsrechtlichen Vorgaben erfolgt. Vielmehr sollte eine Regelung in den Vertrag aufgenommen werden, die die Past Practice, d. h. die stetige Fortsetzung der bisherigen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, festschreibt. Dazu sollten die relevanten Bilanzierungsvorgaben und deren Verhältnis zueinander, insbesondere ihre Hierarchie im Fall von Widersprüchen, eindeutig geregelt werden.
Besonders streitanfällig sind beispielsweise geänderte Einschätzungen über die Höhe und Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses, für das eine Rückstellung zu bilden ist. Deshalb sollte Klarheit über den inhaltlichen und zeitlichen Aufklärungsspielraum im Rahmen der Konfliktlösung bestehen.
Auch die im Vergleich zu den zugrundeliegenden Parametern offenkundigeren Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sollten nicht außer Acht gelassen werden. Derartige Risiken können mit einer fundierten Due Diligence über das Zielunternehmen und der Berücksichtigung der daraus gewonnenen Erkenntnisse im Kaufvertrag minimiert werden.
Kaufpreismechanismus
Marktstandard ist, dass ein sog. „Equity Value“ ausgehend von einem Gesamtunternehmenswert durch Abzug der Nettofinanzverbindlichkeiten als Kaufpreis ermittelt wird. Die Zuordnung einzelner bilanzieller und nicht bilanzieller Größen in diese sog. Equity-Bridge besitzt dabei eine entscheidende Bedeutung. Die Technik der Ermittlung der einzelnen Größen ist regelmäßig komplex und hängt von der Qualität und Vollständigkeit der Informationen sowie von den Kenntnissen der Beteiligten ab. Die einzubeziehenden Anpassungsgrößen sind dabei in besonderem Maße streitanfällig. Deshalb sollte die Rechenlogik möglichst eindeutig, vollständig und abschließend festgelegt und zweifelsfrei geregelt werden, welche Größen in welcher Form einzubeziehen sind.
Klare vertragliche Verhältnisse
Abschließend bleibt festzuhalten, dass typische Konfliktpunkte bereits im Kaufvertrag präzise und umfassend geregelt werden sollten. Es sollte klargestellt werden, welcher Zeitraum für die Wertaufhellung der in den Closing Accounts enthaltenen Bewertungen maßgeblich ist. Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie die Ableitung der Bewertungsparameter sind konkret festzuschreiben. Dabei ist klarzustellen, welche Hierarchie den einzelnen Regelungen im Fall von Widersprüchen zukommt. Im Kaufpreismechanismus sind zudem nicht nur Bilanzpositionen zu berücksichtigen. Stattdessen sollten alle Buchungskonten einer Position zugeordnet werden, um spätere Streitigkeiten hierüber zu vermeiden.
Hinweis: Eine ausführliche Darstellung zu ausgewählten Fragestellungen im Rahmen von M&A-Streitigkeiten aus betriebswirtschaftlicher Sicht geben Dr. Christoph Eppinger, Wirtschaftsprüfer und Partner bei Ebner Stolz sowie Dr. Max Meinhövel, Senior Consultant bei Ebner Stolz, in M&A-Review 2021, S. 204 ff.