Lange Zeit waren in Deutschland – anders als im angloamerikanischen Raum – Massenverfahren unbekannt. Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl einzelner Klagen in gleichgelagerten Fällen gegen denselben Beklagten. In letzter Zeit erfreuen sich diese Klagen eines regelrechten Booms, etwa wenn es um die die Geltendmachung von Fluggastrechten, Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Kündigungen bei Bausparverträgen oder die Erhöhung von Kontoführungsgebühren von Banken geht. Eine erfolgreiche Verteidigung gegen eine solche Klageflut erfordert nicht nur ausgezeichnete juristische Expertise, sondern vor allem einen strukturiert aufgesetzten Workflow und ein straffes Projektmanagement.
Zusammenspiel von Prozesseffizienz und Know-how
Die Herausforderung bei Massenverfahren liegt also in der Effizienz der Bearbeitung. Die Verteidigung gegen eine Masse gleichgelagerter Einzelklagen gelingt nämlich nur dann effizient, wenn neben juristischer Expertise auch das anwaltliche Projekt- und Fristenmanagement reibungslos ineinandergreift. Läuft ein Massenverfahren in der Bearbeitung optimal, wird die Reputation des Unternehmens kosteneffizient bewahrt.
Multidisziplinäres Team
Bei der Organisation der Verteidigung ist wichtig, zu Beginn ein multidisziplinäres Team aus den Bereichen Litigation und Branchenexperten zusammenzustellen. Dieses Team erarbeitet gemeinsam die Verfahrensstrategie zur Fallverteidigung sowie zur externen und internen Kommunikation. Auch die Teamstruktur sowie den Prozess zum Management der Daten und Sachverhalte (Knowledge-Management) setzt diese interdisziplinäre Gruppe auf. Die Experten aus dem Litigation-Bereich erarbeiten die inhaltliche Strategie zur rechtlichen Verteidigung und lassen dabei die Expertise der übrigen Teams einfließen.
Im nächsten Schritt passt das Team das Konzept dynamisch an die Entwicklung der Verfahren über mehrere Instanzen an und berücksichtigt neue materiellrechtliche und prozessuale Fragen. Auf diese Weise kann im Laufe der Zeit auf entstandene tatsächliche und rechtliche Änderungen adäquat reagiert und die Vergleichsstrategie bedarfsgerecht angepasst werden.
Kommunikation als zentraler Punkt
Flankierend hierzu wird gemeinsam mit dem Mandanten erarbeitet, wie extern mit Gerichten, der Presse sowie den Klägervertretern kommuniziert werden soll. Intern muss zudem ein barrierefreier Informationsfluss zwischen Unternehmen und Berater geschaffen werden. Dies gelingt am besten durch die Einrichtung gemeinsamer (IT-)Schnittstellen, wodurch auch der Mandant zum Teil des Projektteams wird. Er tauscht Daten in Echtzeit aus und wirkt aktiv am Knowledge-Management mit. Durch die eigene Aktivität senkt der Mandant nicht nur die Kosten des Rechtsstreits, sondern schafft den notwendigen Wissensvorsprung und zusätzliche Transparenz im Verfahren.
Teamstruktur im Massenverfahren
Für die erfolgreiche Verfahrensbearbeitung besteht das Projektteam aus arbeitsteilig gemischten Kompetenzen. Assistenzkräfte unterstützen das Team vor allem bei der Eingangsverarbeitung der Flut an gerichtlicher Korrespondenz und führen das Fristenmanagement. Rechtsanwälte arbeiten komplexe rechtliche Fragen auf und Wirtschaftsjuristen bringen ihre ökonomische Expertise ein und unterstützen bei der Schriftsatzerstellung und dem Projektmanagement. Schließlich stehen die Prozessanwälte als Lead-Ansprechpartner für Mandanten zur Verfügung und übernehmen die externe Kommunikation sowie die Vertretung vor Gericht. Durch die verzahnte Arbeitsaufteilung schafft man ein flexibles und fokussiertes Projektteam sowie breite Expertise auf allen Ebenen.
Erleichterung durch den Einsatz von Legaltech
Abgerundet wird ein erfolgreiches Massenverfahren-Projekt durch den Einsatz von Legaltech-Anwendungen. Auf diese Weise lassen sich Massenverfahren (kosten-)effizient verteidigen. Diese Anwendungen unterstützen das Projektteam bei der Kontrolle der Vielzahl von Fristen und Gerichtsterminen, dem Knowledge-Management, der internen und externen Kommunikation sowie bei der Erstellung von Schriftsätzen. Legaltech-Tools reduzieren in Massenverfahren das Risiko von Fehlern und halten durch klare Abläufe die Kosten gering.
Hinweis: Zu Massenverfahren im speziellen Bereich der Finanzbranche finden Sie einen aktuellen Beitrag von Dr. Manuela Martin, Rechtsanwältin und Partnerin bei RSM Ebner Stolz und Alexander Reif, Rechtsanwalt bei RSM Ebner Stolz, beide Stuttgart, in der Börsenzeitung.