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Steuerberatung

Wirtschaftliche Eingliederung bei umsatzsteuerlicher Organschaft

Mit Ur­teil vom 01.02.2022 nimmt der BFH zu den An­for­de­run­gen der wirt­schaft­li­chen Ein­glie­de­rung als eine der Vor­aus­set­zun­gen ei­ner um­satz­steu­er­li­chen Or­gan­schaft Stel­lung. Er bestätigt seine bis­he­rige Recht­spre­chung, wo­nach mehr als nur un­er­heb­li­che wirt­schaft­li­che Be­zie­hun­gen zwi­schen Un­ter­neh­mens­tei­len er­for­der­lich sind, um eine wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung her­zu­stel­len.

In sei­nem Ur­teil vom 01.02.2022 (Az. V R 23/21, DStR 2022, S. 1952) hatte der BFH zu klären, in­wie­fern eine wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung durch die Ver­mie­tung von Büroräumen her­ge­stellt wer­den kann.

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Was bisher geschah - worum geht es?

Eine um­satz­steu­er­li­che Or­gan­schaft setzt ne­ben der fi­nan­zi­el­len und or­ga­ni­sa­to­ri­schen auch die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung der po­ten­ti­el­len Or­gan­ge­sell­schaft vor­aus.

Strei­tig war, ob die Ge­schäftsführ­er­leis­tun­gen, die eine Kom­ple­mentär-GmbH ge­genüber ih­rer Schwes­ter-KG er­brachte, in­ner­halb ei­ner um­satz­steu­er­li­chen Or­gan­schaft er­bracht wur­den und da­her nicht steu­er­bar wa­ren.

Dies hätte eine or­gan­schaft­li­che Ver­flech­tung mit dem ein­zi­gen Ge­sell­schaf­ter Z der bei­den Ge­sell­schaf­ten vor­aus­ge­setzt, der le­dig­lich ent­gelt­lich Büroräume und Pkw an die KG zur Nut­zung über­ließ. Zu­dem war Z Al­lein­ge­schäftsführer der Kom­ple­mentär-GmbH und da­mit auch der KG. Die Ge­schäftsführer-Tätig­keit übte er je­doch nicht im Rah­men ei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Tätig­keit, son­dern un­selbständig im Rah­men ei­nes An­stel­lungs­verhält­nis­ses aus. Da­mit lag der Ent­schei­dung der fol­gende Sach­ver­halt zu Grunde:

Aktuelle Entscheidung des BFH

Die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung er­for­dert eine Ein­glie­de­rung in das Un­ter­neh­men des po­ten­ti­el­len Or­ganträgers, im Streit­fall des Al­lein­ge­sell­schaf­ters Z.

Keine wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung auf­grund der (un­selbständi­gen) Ge­schäftsführungstätig­keit des Z

In sei­ner Ur­teils­begründung hält der BFH zunächst fest, dass Z nicht als Or­ganträger der Kom­ple­mentär-GmbH in Be­tracht kommt:

Der Ge­sell­schaf­ter Z war zwar auf­grund des Be­trie­bes ei­ner Pho­to­vol­taik-An­lage als Un­ter­neh­mer an­zu­se­hen und über­ließ im Rah­men sei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Tätig­keit Büroräume so­wie zwei Pkw an die Ge­sell­schaf­ten, an de­nen er be­tei­ligt war. Die Ge­schäftsführungstätig­keit wurde im Verhält­nis zum Kom­ple­mentär-GmbH hin­ge­gen un­selbständig auf Grund­lage ei­nes An­stel­lungs­ver­tra­ges ausgeübt. In­so­weit fehlte es an der selbständi­gen Leis­tungs­er­brin­gung des Z, so­dass die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung der GmbH in sein Un­ter­neh­men nicht mit­hilfe der Ge­schäftsführungstätig­keit begründet wer­den konnte.

Wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung setzt mehr als nur un­er­heb­li­che wirt­schaft­li­che Be­zie­hun­gen zwi­schen den Un­ter­neh­mens­tei­len vor­aus

Auch eine Ein­glie­de­rung der KG in das Un­ter­neh­men des Z kommt auf­grund der Ver­mie­tung der Büroräume nicht in Be­tracht:

Die Ver­mie­tung der Büroräume durch Z an die KG er­folgte zwar ent­gelt­lich und im Rah­men ei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Tätig­keit. Nach Auf­fas­sung des BFH genügte die ent­gelt­li­che Ver­mie­tung von ohne wei­te­res aus­tausch­ba­ren Büroräumen je­doch nicht für die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung, die für eine um­satz­steu­er­li­che Or­gan­schaft er­for­der­lich wäre. Denn die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung er­for­dert mehr als nur un­er­heb­li­che wirt­schaft­li­che Be­zie­hun­gen in­ner­halb des Or­gankrei­ses.

Hin­weis: Da­mit bestätigt der BFH seine bis­he­rige Recht­spre­chung. So wurde die bloße Über­nahme von ad­mi­nis­tra­ti­ven und kaufmänni­schen Leis­tun­gen in den Be­rei­chen Buch­hal­tung, Per­so­nal­we­sen, Lohn- und Ge­halts­ab­rech­nun­gen und Steu­er­be­ra­tung eben­falls als nicht aus­rei­chend ein­ge­stuft (BFH-Ur­teil vom 25.06.1998, Az. V R 76/97, BFH/NV 1998, S. 1534).

Dem­ge­genüber kann über die Ver­mie­tung von we­sent­li­chen Be­triebs­grund­la­gen, bspw. bei der Ver­mie­tung großer Be­triebs­grundstücke, de­nen für die Un­ter­neh­menstätig­keit be­son­de­res Ge­wicht zu­kommt, die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung begründet wer­den (so bspw. BFH-Ur­teil vom 16.08.2001, Az. V R 34/01, BFH/NV 2002, S. 223, und BFH-Ur­teil vom 29.01.2009, Az. V R 67/07, BStBl. II 2009, S. 1029; vgl. auch A 2.8 Abs. 6 Satz 5 UStAE zur Be­triebs­auf­spal­tung).

Keine um­satz­steu­er­li­che Or­gan­schaft nur zwi­schen Schwes­ter­ge­sell­schaf­ten

Fer­ner nimmt der BFH zu der Frage Stel­lung, ob zwi­schen der KG und der GmbH als Schwes­ter­ge­sell­schaf­ten eine Or­gan­schaft be­ste­hen kann:

Zwi­schen der Kom­ple­mentär-GmbH und der Kom­man­dit­ge­sell­schaft wur­den die Ge­schäftsführungs­leis­tun­gen zwar ent­gelt­lich und da­mit im Rah­men ei­nes Leis­tungs­tau­sches er­bracht. Grundsätz­lich kann sich die enge wirt­schaft­li­che Ver­flech­tung auch zwi­schen Un­ter­neh­mens­tei­len des Or­gankrei­ses er­ge­ben, dies setzt aber die wirt­schaft­li­che Ver­flech­tung zu­min­dest ei­ner Or­gan­ge­sell­schaft in das Un­ter­neh­men des po­ten­ti­el­len Or­ganträgers vor­aus und diese Vor­aus­set­zung war im Streit­fall eben nicht erfüllt.

Zwi­schen Schwes­ter­ge­sell­schaf­ten fehlt es an der für die Or­gan­schaft eben­falls not­wen­di­gen fi­nan­zi­el­len Ein­glie­de­rung, die die Be­tei­li­gung ei­nes Ge­sell­schaf­ters mit Stim­men­mehr­heit vor­aus­setzt.

Da­mit hält der BFH an sei­ner Auf­fas­sung fest, dass zwi­schen Or­ganträger und Or­gan­ge­sell­schaft ein Über­ord­nungs­verhält­nis be­ste­hen muss, wo­mit die be­ste­hende Recht­spre­chung des XI. Se­nats bestätigt wird (vgl. BFH-Ur­teil vom 01.12.2010, Az. XI R 43/08, BStBl. II 2011, S. 600).

Hin­weis: Uni­ons­recht­li­che Be­den­ken weist der BFH zurück und geht ex­pli­zit auf die bei­den Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren des BFH beim EuGH zur Ver­ein­bar­keit der deut­schen Or­gan­schafts­re­ge­lung mit dem Uni­ons­recht ein (vgl. un­ser News­let­ter vom 14.02.2022), auf de­ren Aus­gang es nach sei­ner Auf­fas­sung in die­sem Streit­fall je­doch nicht an­komme. Da im Streit­fall das Vor­lie­gen ei­ner Or­gan­schaft ver­neint wurde, stelle sich nicht die Frage, ob an­stelle ei­nes Or­ganträgers eine Mehr­wert­steu­er­gruppe als Steu­er­schuld­ner zu be­stim­men ist oder ob es für die Or­gan­schaft auf eine Wil­lens­durch­set­zung an­kommt (BFH-Be­schluss vom 11.12.2019, Az. XI R 16/18, DStR 2020, S. 645, anhängig un­ter Rs. C-141/20, Nod­deut­sche Ge­sell­schaft für Dia­ko­nie mbH und BFH-Be­schluss vom 07.05.2020, Az. V R 40/19, DStR 2020, S. 1367, anhängig un­ter Rs. C-269/20).

Was ist jetzt zu tun?

Mit dem vor­lie­gen­den Ur­teil bestätigt der BFH im We­sent­li­chen seine be­reits be­kannte Rechts­auf­fas­sung zu Or­gan­schaf­ten zwi­schen Schwes­ter­ge­sell­schaf­ten und ver­deut­licht noch­mals die An­for­de­run­gen an die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung.

So­fern bis­lang die wirt­schaft­li­che Ein­glie­de­rung auf­grund der Über­nahme ad­mi­nis­tra­ti­ver Tätig­kei­ten oder der Ver­mie­tung von Wirt­schaftsgütern, die keine we­sent­li­chen Be­triebs­grund­la­gen dar­stel­len, begründet wurde, sollte das Ur­teil zum An­lass ge­nom­men wer­den, die be­ste­hen­den wirt­schaft­li­chen Be­zie­hun­gen zwi­schen den ver­schie­de­nen Ge­sell­schaf­ten kri­ti­sch zu überprüfen und ggf. zu stärken.

Zu be­den­ken ist eben­falls, dass auf­grund der anhängi­gen EuGH-Ver­fah­ren die Überprüfung von bis­her erklärten Or­gan­schaf­ten stärker in den Fo­kus der Fi­nanz­ver­wal­tung rücken könnte.

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