Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung entschied der II. Zivilsenat des BGH (Urteil vom 28.06.2022, Az. II ZR 112/21), dass der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit durch eine Aneinanderreihung mehrerer stichtagsbezogener Liquiditätsstatus im Dreiwochenzeitraum erbracht werden kann. Das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit ist damit nicht mehr zwingend anhand einer Liquiditätsbilanz zu prüfen.
Ein Liquiditätsstatus kann erheblich leichter und kostengünstiger erstellt werden. Daneben wird die für die Zahlungsunfähigkeit maßgebliche 10 %-Grenze früher erreicht und eine Insolvenzantragspflicht ausgelöst. Für die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit in der Vergangenheit („ex post“) schafft der BGH die Liquiditätsbilanz damit quasi ab. Das Urteil hat jedoch auch erhebliche Auswirkungen auf die ex ante-Beurteilung. In der Beratungspraxis sollte daher aus Vorsichtsgründen zukünftig darauf geachtet werden, dass eine bestehende Liquiditätslücke innerhalb des Dreiwochenzeitraums planerisch geschlossen wird. Soweit dies nicht möglich ist, sind Liquiditätsstatus für den Dreiwochenzeitraum planerisch fortzuentwickeln, die geplante Entwicklung der Liquidität und fälligen Verbindlichkeiten aufzeigen.
In dem kurz nach Veröffentlichung erschienenen Kurzbeitrag „Was gibt es Neues zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit?“ der in Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (KSI), Heft 05/2022, S. 237, erschienen ist, stellt Bernhard Steffan das BGH-Urteil vom 28.06.2022 (Az. II ZR 112/21) dar und erläutert dessen Auswirkungen auf die Praxis. Vertiefend wird in dem in der Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, Heft 39/2022, S. 1961 ff. erschienenen Aufsatz von Bernhard Steffan, Janina Poppe und Sven Oberg auf das Urteil eingegangen.