Der Informationsfluss wird immer schneller. Waren es vor 20 Jahren noch die gedruckten Medien, vor zehn Jahren die Meldungen im World Wide Web und E-Mails, so wird heute getwittert, was das Zeug hält. Content is King, je aktueller, desto besser. Kaum ist eine Nachricht, gleichgültig ob aus Politik oder Wirtschaft, gepostet, muss schon darauf reagiert werden. Und natürlich erwartet jeder postwendend ein Like oder eine Reaktion. Auch bei E-Mail-Anfragen ist die Erwartungshaltung, dass eine Antwort doch postwendend eintreffen müsste. Das digitale Zeitalter wird viel gepriesen. Aber ist wirklich alles besser? Oder leidet gar die Arbeitsqualität und -effektivität? Können Informationen in dieser Geschwindigkeit sinnvoll verarbeitet und zielgerichtet weitergegeben werden? Darüber spricht Jens Lingthaler, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei Ebner Stolz in Hamburg, mit Zach Davis, Autor des Buches „Vom Zeitmanagement zur Zeitintelligenz: mehr schaffen mit weniger Stress“.
Social Media & Co. - allen voran Facebook, Instagram und Twitter. Dazu noch zig E-Mails stündlich. Unsere Smartphones sind ein wahres Füllhorn an Informationen. Aber können wir dieser Informationsflut intellektuell überhaupt noch Herr werden und das Unwesentliche vom Wesentlichen unterscheiden?
Die Gefahr ist, dass aus der Zeitverwendung eine Menge Zeitverschwendung wird. Damit meine ich konkret, dass man zu viel Zeit mit unwichtigen Informationen verbringt. Wenn die Informationen keinen Nutzen haben, betreibt man bei der Aufnahme dieser Informationen keine Wertschöpfung.
Ich empfehle, unwichtige Informationen nicht nur zu löschen, sondern nach Möglichkeit für die Zukunft abzustellen. Bei einem Newsletter ist dies meistens einfach. Aber auch bei kleineren, manuell erstellten Verteilern, gilt es auszusortieren. Sie hatten zwar einmal mit einem Thema oder Projekt zu tun, sind nun aber nicht mehr involviert? Dann informieren Sie den Absender hierüber.
Ich empfehle, unwichtige Informationen nicht nur zu löschen, sondern nach Möglichkeit für die Zukunft abzustellen. Bei einem Newsletter ist dies meistens einfach. Aber auch bei kleineren, manuell erstellten Verteilern, gilt es auszusortieren. Sie hatten zwar einmal mit einem Thema oder Projekt zu tun, sind nun aber nicht mehr involviert? Dann informieren Sie den Absender hierüber.
Hinter einer Nachricht steckt doch grundsätzlich die Erwartung einer schnellen Reaktion auf die gepostete Information? Wie sollte man damit umgehen?
Ich denke, dass es gerade bei E-Mails manchmal die Erwartungshaltung gibt, dass der Empfänger im Moment des Versands alles Andere liegenlässt und sich um den Sachverhalt aus der E-Mail kümmert.
Was tun? Ich stelle die Frage: Wie oft macht es Sinn, in die Mails zu schauen? Das kann man leider nicht pauschal beantworten. In vielen Bereichen reicht es, bspw. zwei- oder viermal am Tag ins Postfach zu schauen. Der geringste Nenner ist: Zumindest die Aufgabe oder Teilaufgabe – oft geht es nur um zwei, fünf oder zehn Minuten – abschließen, bevor man sich neuen Informationen und Themen widmet.
Das Problem ist, dass die bloße Kenntnis einer neuen Nachricht neugierig macht. Wenn man einen Signalton hört oder das kleine Briefumschlagsymbol sieht, ist der Impuls da, die Nachricht auch gleich zu lesen.
Meine Empfehlung: Deaktivieren Sie alle Hinweise auf neue E-Mails. Dann sind meistens 10 bis 50 % aller Unterbrechungen weg, ohne dass dadurch nennenswerte Nachteile entstehen.
Haben diese schnellen Informationen Vorteile für die Arbeitswelt? Und wenn ja, welche aus Ihrer Sicht?
Manchmal ist Schnelligkeit ein Vorteil. Wer Aufträge per E-Mail bekommt, kann schlecht nur dreimal am Tag in sein Postfach schauen. In kaum einem Bereich kann man das Thema Schnelligkeit gänzlich ignorieren.
Ganz viel wird aber dringend gemacht, ohne dringend zu sein, gerade per E-Mail: Bei den meisten Menschen - und zwar auch solchen, die viel Verantwortung tragen - sind 99 % der E-Mails nicht dringend. Wichtig und dringend sind zwei unterschiedliche Dimensionen. Und wenn es wirklich dringend und wichtig ist, dann ist E-Mail nicht der richtige Kanal.
Stellen Sie sich vor, dass in den Raum, in dem Sie sich befinden, Qualm aus dem Nachbarraum eindringen würde. Im Klartext: Es brennt! Würden Sie diese – durchaus wichtige und dringende - Information per E-Mail an die örtliche Feuerwehr durchgeben? Natürlich nicht: Sie würden zum Telefon greifen.
Welche Nachteile bringt diese Masse an Informationen mit sich?
Informationsaufnahme ist nur eine Vorbereitung auf eine wertschöpfende Tätigkeit und nicht selbst ein wertschöpfender Vorgang. Es gilt, mit der Information eine bessere Entscheidung zu treffen oder eine Handlung durchzuführen.
Zu viele Informationen können dazu führen, dass das Wesentliche schwerer erkennbar wird und dadurch schlechtere Entscheidungen, auch in Bezug auf die Zeitverwendung, getroffen werden.
Führungskräfte verbringen im Schnitt rund vier Stunden am Tag damit, schriftliche Informationen aufzunehmen. Das ist übrigens meistens der größte Zeitblock am Tag, über dessen Optimierung kaum nachgedacht wird. Wenig bekannt ist bspw., dass es möglich ist, mit nur einem Tag Training seine Leseeffizienz zu verdoppeln, bei gleichem Verständnis – ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl zu meinem zweiten Schwerpunkt Power Reading.
In jedem Fall macht es Sinn, seine Fähigkeiten im Umgang mit der Informationsflut zu verbessern, sei es mit Schnelllesetechniken oder Tastenkürzeln.
Entsprechend der Geschwindigkeit des Informationsflusses besteht auch oftmals die Erwartungshaltung, dass Arbeitsergebnisse schnell vorliegen müssen. Leidet darunter die Qualität? Ist es überhaupt möglich, solide Arbeitsergebnisse auf Basis sich schnell verändernder Informationen zu erzielen?
Das Problem sind vor allem die Unterbrechungen. Unterbrochene Aufgaben dauern im Schnitt ca. 50 % länger und sind fehleranfälliger. Unterbrechungen kosten Zeit und verringern die Qualität. Zudem erhöhen sie den Stresspegel.
Wie arbeitet man unterbrechungsfreier? Sicherlich ist jeder schon einmal auf die Idee gekommen, Zeit zu blocken für eine wichtige Tätigkeit. In den allermeisten Fällen klappt das aber nicht.
Wie erhöht man den Umsetzungserfolg? Ein Schnelltipp: Betrachten Sie diese Zeit wie einen Termin mit einem Gast. Dann geht der Umsetzungserfolg deutlich nach oben. Einfach und wirksam zugleich.
Sie sind Coach für zeitintelligentes Handeln. Worauf sollte eine Führungskraft unbedingt achten, um ihren Arbeitsalltag besser in den Griff zu bekommen?
Maximal delegieren, bis zur Überforderung (quantitativ und inhaltlich) und dann ein paar Schritte weniger davon. Das ist natürlich salopp formuliert, aber durchaus auch mit einem Ernst versehen. Mehr und in der richtigen Menge zu delegieren ist sicherlich kein gänzlich neuer Gedankengang, aber dennoch etwas, das regelmäßig übersehen wird.
Zudem empfehle ich eine Verschiebung hin zu mehr arbeiten „am“ und weniger „im“ Verantwortungsbereich. Stellen Sie sich einen Fluss mit hohem Strömungstempo vor. Regelmäßig landen Menschen in diesem Fluss und drohen zu ertrinken. Zum Glück steht am Ufer ein Retter, der die Menschen vor dem Ertrinken bewahrt. Ständig geht es so. Der Retter ist den ganzen Tag mit Rettungsaktionen beschäftigt. Er macht das auch sehr gut: Er ist ein „High-Performing-Retter“. Leider hat er keine Zeit, zu schauen wer 100 Meter weiter flussaufwärts permanent Leute hineinschubst.
Um die Metapher der Brände noch einmal aufzugreifen: Die Kunst ist es, einen höheren Anteil der Zeit mit Brandprävention und dem Entwickeln besserer Löschmethoden zu verbringen und nicht in den Dringlichkeiten des Alltags unterzugehen.
Die Lösung lautet also Zeitmanagement? Worauf ist für ein durchdachtes Zeitmanagement zu achten?
Zeitmanagement ist letztlich Prioritätenmanagement. Über Prioritäten ist viel gesagt und geschrieben worden. Gerne gebe ich zwei, vermutlich neue Gedankenanstöße.
Aspekt Nr. 1: Machen Sie sich nicht nur Gedanken über Ihre To-Do-Liste, sondern auch über Ihre Not-To-Do-Liste. Wie soll ein bestimmter, wichtiger Bereich zukünftig mehr Zeit einnehmen, wenn nicht dafür Anderes zukünftig weniger Zeit in Anspruch nehmen wird? Was werden Sie also in Zukunft weniger, gar nicht mehr oder nicht mehr selbst tun? Wenn Sie dies definieren und weniger Zeit hierin investieren, dann gewinnen Sie Zeit für Aufgaben mit höherer Priorität – das ist die selten diskutierte Voraussetzung für besseres Priorisieren.
Aspekt Nr. 2: Oft wird priorisiert nach dem Prinzip der jüngsten Unterbrechung. Man sitzt an einer Aufgabe und es kommt etwas Neues hinzu. Die Tendenz ist dann, das Neue vorzuziehen. Und wenn währenddessen wieder etwas Neues reinkommt, geht es gerade so weiter. Das ist nachvollziehbar, da Neues eine gewisse Anziehungskraft hat. Dies ist jedoch ein schlechtes Prioritätskriterium ist.
Sehen Sie die Digitalisierung vor diesem Hintergrund nun eher als Fluch oder als Segen?
Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Wenn Digitalisierung zu einem besseren Kundenerlebnis, zu geringeren Kosten oder – durch mehr Transparenz – zu besseren Entscheidungen oder Lösungen führt, wunderbar. Ich mag es, wenn immer mehr Vorgänge ohne Papier auskommen.
Und nun noch eine abschließende Frage: Digital oder Print - welches Medium eignet sich besser für eine gezielte Unternehmenskommunikation, wie etwa unseren novus?
Natürlich haben digitale Formate Vorteile, bspw. im Gewicht, im Versand, den Kosten und der Aufbewahrung. Ich persönlich habe allerdings sehr gerne etwas Physisches in der Hand. Ich kaufe weiterhin deutlich mehr als die Hälfte aller Bücher in der Form, die man in die Hand nehmen und darin blättern kann.
Hinweis
Mehr hierzu finden Sie in dem Werk von Zach Davis „Vom Zeitmanagement zur Zeitintelligenz: mehr schaffen mit weniger Stress“, das Ihnen gerne als E-Book kostenlos überlassen wird. Bei Interesse senden Sie bitte eine kurz E-Mail an info@peoplebuilding.de.