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Zu den Anforderungen an Sternchenhinweise in blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussagen

BGH 15.10.2015, I ZR 260/14

Die An­nahme, der Ver­brau­cher werde die Ein­schränkung ei­ner blick­fangmäßig her­aus­ge­stell­ten Wer­be­aus­sage durch eine an­dere Aus­sage in der Wer­bung er­ken­nen, zu der er nicht durch einen kla­ren und un­miss­verständ­li­chen Hin­weis an der blick­fangmäßig her­aus­ge­stell­ten Aus­sage hin­geführt wird, ist nur un­ter en­gen Vor­aus­set­zun­gen ge­recht­fer­tigt.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ver­treibt Te­le­fon­dienst­leis­tun­gen. Im No­vem­ber 2013 be­warb sie in ei­ner dop­pel­sei­tig be­druck­ten Bei­lage zur Zeit­schrift "ADAC Mo­tor­welt" u.a. eine "All Net Flat" zum Preis von "19,90 €/Mo­nat statt re­gulär 29,90 €" so­wie ein "Samsung Ga­laxy Y Smart­phone" mit der An­gabe "im Wert von 229,- €1) für ein­ma­lig 1,- €*". Auf der einen Seite des Wer­be­blat­tes wurde der Leis­tungs­um­fang der "All Net Flat" in den bei­den ers­ten Absätzen des lau­fen­den Tex­tes wie folgt be­schrie­ben:

"Für nur 19,90 € statt 29,90 € im Mo­nat te­le­fo­nie­ren und sur­fen Sie ab so­fort so lange und wann Sie wol­len. Alle Ge­spräche ins na­tio­nale Fest­netz und in alle deut­schen Handy-Netze sind in­klu­sive. Da­mit ha­ben Sie die Ga­ran­tie nie mehr als 19,90 € im Mo­nat zu be­zah­len - ganz gleich, wie viel Sie te­le­fo­nie­ren oder auch mit Ih­rem Smart­phone im In­ter­net sur­fen."

Am Ende der an­de­ren Seite des Wer­be­blat­tes wurde der auf bei­den Sei­ten des Wer­be­blat­tes an ins­ge­samt zehn Stel­len in teil­weise schwar­zer und teil­weise ro­ter Farbe ge­ge­bene Stern­chen­hin­weis für meh­rere Wer­be­aus­sa­gen, dar­un­ter die An­ga­ben "All Net Flat 19,90 €/Mo­nat" und "Samsung Smart­phone für ein­ma­lig 1,€" u.a. mit dem Text Na­tio­nale Stan­dard­ge­spräche (ins dt. Fest­netz, in alle dt. Handy-Netze und zur Mail­box) sind in­klu­sive (aus­ge­nom­men Ser­vice- und Son­der­ruf­num­mern so­wie Aus­kunfts­dienste). und "Start­pa­ket­preis ein­ma­lig 29,90 €." auf­gelöst.

Der kla­gende Wett­be­werbs­ver­band be­an­stan­det zum einen die Aus­sage in dem Wer­be­blatt zu der Ga­ran­tie, für alle Ge­spräche ins na­tio­nale Fest­netz und in alle deut­schen Handy-Netze nie mehr als 19,90 € im Mo­nat be­zah­len zu müssen. Er ist der An­sicht, diese Aus­sage sei ir­reführend und da­mit wett­be­werbs­wid­rig, weil da­bei die für Ser­vice- und Son­der­ruf­num­mern an­fal­len­den Kos­ten un­berück­sich­tigt blie­ben. Eben­falls ir­reführend sei es, die zu zah­len­den Ak­ti­vie­rungs­kos­ten (den "Start­pa­ket­preis") al­lein - wie ge­sche­hen - in der Fuß-note am Ende des Wer­be­blat­tes an­zu­ge­ben.

LG und OLG ga­ben der auf Un­ter­las­sung ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das OLG hat rechts­feh­ler­frei an­ge­nom­men, dass die Wer­bung der Be­klag­ten hin­sicht­lich der "All Net Flat" un­wahre und da­mit ir­reführende und des­halb nach §§ 8, 3, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG zu un­ter­las­sende An­ga­ben über den Um­fang der von der Be­klag­ten zum Preis von 19,90 € an­ge­bo­te­nen Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst­leis­tun­gen enthält. Die Dienst­leis­tun­gen wer­den ent­ge­gen der Wer­be­aus­sage nicht un­ein­ge­schränkt, son­dern nur in­so­weit er­bracht, als we­der Ser­vice- oder Son­der­ruf­num­mern noch Aus­kunfts­dienste be­trof­fen sind. Das er­gibt sich aus der Fußnote am Ende der Rück­seite des Wer­be­blat­tes, in der die zu­vor ge­ge­be­nen Stern­chen­hin­weise auf­gelöst wer­den. Die von der Be­klag­ten ver­wen­de­ten For­mu­lie­run­gen "Alle Ge­spräche ins na­tio­nale Fest­netz sind in­klu­sive." und "Da­mit ha­ben Sie die Ga­ran­tie nie mehr als 19,90 € im Mo­nat zu be­zah­len - ganz gleich, wie viel Sie te­le­fo­nie­ren oder auch mit Ih­rem Smart­phone im In­ter­net sur­fen." las­sen kei­nen Zwei­fel daran, dass mit dem mtl. zu zah­len­den Fest­be­trag von 19,90 € alle Ge­sprächs­gebühren ab­ge­gol­ten sein sol­len.

Den Un­ter­las­sungs­an­trag hin­sicht­lich der Wer­be­aus­sage "Start­pa­ket­preis ein­ma­lig 29,90 €." hat das OLG mit Recht un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner ir­reführen­den Wer­bung über den Preis gem. §§ 8, 3, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 UWG als begründet an­ge­se­hen. Das OLG ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass die Be­klagte den Preis für die "All Net Flat" in ih­rer Wer­bung blick­fangmäßig her­aus­ge­stellt hat. Mit Recht hat es auch an­ge­nom­men, dass die An­gabe des Prei­ses für das Start­pa­ket in der Fußnote im un­ters­ten Be­reich der einen Seite des Wer­be­blat­tes, in der vier auf die­ser Seite und sechs auf der an­de­ren Seite des Wer­be­blat­tes an­ge­brachte Stern­chen­hin­weise auf­gelöst wur­den, die durch die Wer­bung mit ei­ner "All Net Flat" für 19,90 € be­wirkte Ir­reführung über den Preis der an­ge­bo­te­nen Leis­tung nicht aus­geräumt hat. Nach ständi­ger BGH-Recht­spre­chung kann in Fällen, in de­nen eine blick­fangmäßig her­aus­ge­stellte An­gabe in ei­ner Wer­bung bei iso­lier­ter Be­trach­tung eine feh­ler­hafte Vor­stel­lung ver­mit­telt, der da­durch ver­an­lasste Irr­tum re­gelmäßig nur durch einen kla­ren und un­miss­verständ­li­chen Hin­weis aus­ge­schlos­sen wer­den, der selbst am Blick­fang teil­hat.

Nach der Recht­spre­chung des Se­nats ist al­ler­dings nicht in je­dem Fall ein Stern­chen­hin­weis oder ein an­de­rer klar­stel­len­der Hin­weis an bei iso­lier­ter Be­trach­tung ir­reführen­den blick­fangmäßigen An­ga­ben in ei­ner Wer­bung er­for­der­lich, um einen Irr­tum der Ver­brau­cher aus­zu­schließen. Ein Irr­tum kann viel­mehr auch dann aus­ge­schlos­sen sein, wenn es sich um eine Wer­bung etwa für lang­le­bige und kost­spie­lige Güter han­delt, mit der sich der Ver­brau­cher nach der Le­bens­er­fah­rung ein­ge­hend be­fasst, und die Wer­bung da­bei so kurz und über­sicht­lich ge­stal­tet ist, dass an­ge­nom­men wer­den kann, der Ver­brau­cher werde sie ins­ge­samt zur Kennt­nis neh­men. Da­bei ist al­ler­dings zu berück­sich­ti­gen, dass der hauptsäch­li­che Zweck der Richt­li­nie 2005/29/EG über un­lau­tere Ge­schäfts­prak­ti­ken und da­mit ebenso der Be­stim­mun­gen des UWG den Ver­brau­cher in sei­ner Fähig­keit zu ei­ner freien und in­for­ma­ti­ons­ge­lei­te­ten Ent­schei­dung zu schützen. Dem­ent­spre­chend ist die An­nahme, der Ver­brau­cher werde die Ein­schränkung ei­ner blick­fangmäßig her­aus­ge­stell­ten Wer­be­aus­sage durch eine an­dere Aus­sage in der Wer­bung er­ken­nen, zu der er nicht durch einen kla­ren und un­miss­verständ­li­chen Hin­weis an der blick­fangmäßig her­aus­ge­stell­ten Aus­sage hin­geführt wird, nur un­ter en­gen Vor­aus­set­zun­gen ge­recht­fer­tigt.

Da­nach kann vor­lie­gend nicht an­ge­nom­men wer­den, der Ver­brau­cher werde die das Wer­be­blatt der Be­klag­ten auf der einen Seite un­ten ab­schließende Fußnote vor­aus­sicht­lich zur Kennt­nis neh­men und ihr ins­be­son­dere ent­neh­men, dass die dort in der dritt­letz­ten von ins­ge­samt neun Aus­sa­gen ent­hal­tene Wen­dung "Start­pa­ket­preis ein­ma­lig 29,90 €" der Sa­che nach eine Ein­schränkung der auf dem Wer­be­blatt zu­vor mehr­fach er­folg­ten und auf bei­den Sei­ten je­weils auch blick­fangmäßig her­aus­ge­stell­ten Wer­bung für eine "All Net Flat" zum Preis von nur 19,90 € mtl. dar­stellte. Die ein­ge­schränkte Über­sicht­lich­keit der Wer­bung der Be­klag­ten wurde da­durch be­einträch­tigt, dass die ein­zel­nen Vor­teile des An­ge­bots auf der Vor­der­seite rechts noch­mals in mo­di­fi­zier­ter Form und auf der Rück­seite dann er­neut in ab­ge­wan­del­ter und durch die An­gabe ver­schie­de­ner tech­ni­scher De­tails ergänz­ter Form dar­ge­stellt wur­den. Ebenso we­nig war die Fußnote am un­teren Rand der einen Seite des Wer­be­blat­tes über­sicht­lich ge­stal­tet, zu der zu­dem ins­ge­samt zehn Stern­chen­hin­weise zu drei un­ter­schied­li­chen Wer­be­aus­sa­gen hinführ­ten.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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