Der Sachverhalt:
Die Kläger sind in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Die Klägerin war an einer GmbH beteiligt. Aus dieser Beteiligung erhielt die Klägerin regelmäßig Ausschüttungen, die bei ihr zu - der Abgeltungsteuer unterliegenden - Einkünften aus Kapitalvermögen führten. Die Klägerin war bereits im Jahr 2012 aus der Kirche ausgetreten. Dennoch behielt die GmbH bei der Gewinnausschüttung im Vorjahr 2013 neben der Kapitalertragsteuer auch Kirchensteuer ein. Dieser Vorgang wiederholte sich im Streitjahr 2014, indem die GmbH von der Gewinnausschüttung neben der Kapitalertragsteuer wiederum Kirchensteuer einbehielt.
Die zu Unrecht einbehaltene Kirchensteuer wurde der Klägerin für das Jahr 2013 im Jahr 2014 und für das Jahr 2014 im Jahr 2015 erstattet. Die Kläger gaben ihre Einkommensteuererklärungen für das Streitjahr 2014 im Jahr 2015 ab. Bei der Veranlagung berücksichtigte das Finanzamt die Kirchensteuererstattung für das Jahr 2013 als sog. Erstattungsüberhang steuererhöhend und erließ den entsprechenden Einkommensteuerbescheid. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Für das Streitjahr 2015 gaben die Kläger ihre Einkommensteuererklärung im Folgejahr 2016 ab. Hier berücksichtigte das Finanzamt bei der Veranlagung wiederum die für 2014 erstattete Kirchensteuer steuererhöhend als sog. Erstattungsüberhang und erließ den entsprechenden Einkommensteuerbescheid. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit ihrer Klage vertreten die Kläger die Auffassung, der Ansatz von Erstattungsüberhängen nach § 10 Abs. 4 Buchst.b EStG sei nicht rechtmäßig. So sei ein Sonderausgabenabzug für Kirchensteuer, die als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlt worden sei, nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG ausgeschlossen. Entsprechend sei die Erstattung einer solchen Kirchensteuer auch nicht als Erstattungsüberhang anzusetzen.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die den Klägern in den Streitjahren erstatteten Kirchensteuern zu Unrecht als Erstattungsüberhang i.S.d. § 10 Abs. 4b EStG behandelt und jeweils dem Gesamtbetrag der Einkünfte zugerechnet.
Seit dem Veranlagungszeitraum 2009 unterscheidet das Gesetz beim Sonderausgabenabzug für gezahlte Kirchensteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG zwischen der als Zuschlag zur Lohn- oder Einkommensteuer gezahlten Kirchensteuer und der als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlten Kirchensteuer. Während nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 EStG die als Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer gezahlte Kirchensteuer unbeschränkt als Sonderausgaben abziehbar ist, scheidet ein Sonderausgabenabzug für als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlte Kirchensteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG von vornherein aus. Grund für diese gesetzgeberischen Änderungen war die Einführung der sog. Abgeltungsteuer für die Einkünfte aus Kapitalvermögen zum 1.1.2009.
Zwar ist dem Finanzamt darin zuzustimmen, dass sich auch durch die Berücksichtigung der als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlten Kirchensteuer im Rahmen einer Ermäßigung der Kapitalertragsteuer eine einem unbeschränkten Sonderausgabenabzug vergleichbare Steuerminderung ergibt. Dies rechtfertigt aber nicht den Ansatz einer Erstattung einer solchen Kirchensteuer als Erstattungsüberhang nach § 10 Abs. 4b EStG. Die gesetzgeberische Entscheidung, durch die Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 die Einkünfte aus Kapitalvermögen einer eigenständigen Besteuerung zu unterwerfen, ist nach dem Grundsatz der Folgerichtigkeit auch bei der Anwendung der Vorschrift des § 10 Abs. 4 Buchst. b EStG zu beachten. So hat der Gesetzgeber selbst durch die Änderung der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG klargestellt, dass ab dem Veranlagungszeitraum 2009 zwischen der als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlten Kirchensteuer und der als Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer gezahlten Kirchensteuer zu unterscheiden ist.
In den Streitjahren hat sich dementsprechend die Zahlung der Kirchensteuer für die Kläger nicht nur nicht auf die veranlagte Einkommensteuer "ausgewirkt", sondern war von vornherein aus dem Anwendungsbereich für einen Sonderausgabenabzug ausgeschlossen. Der erkennende Senat legt dementsprechend die in § 10 Abs. 4b EStG getroffene Regelung zum Erstattungsüberhang als gesetzgeberisches korrespondierendes Gegenstück (actus contrarius) zur Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG aus, so dass, so wie die als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlte Kirchensteuer vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen ist, die als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer erstattete Kirchensteuer vom Ansatz eines Erstattungsüberhangs auszunehmen ist.
Zwar ergibt sich dadurch zunächst ein ungerechtfertigter Vorteil der Kläger dadurch, dass sich die als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlte Kirchensteuer auf die Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer ermäßigend ausgewirkt hat. Dieser Vorteil ist aber nicht über den Ansatz eines Erstattungsüberhangs "abzuschöpfen". Hier muss es ggf. zu einer Änderung der Kapitalertragssteuerfestsetzung kommen. Vorliegend kommt noch hinzu, dass der Kapitalertragssteuerabzug von vornherein unzutreffend (zu niedrig) war, da eine Kirchensteuerpflicht der Klägerin im Zeitpunkt des Steuerabzugs nicht (mehr) bestand.
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