Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine AG. Sie ist als Bauträger Generalunternehmer tätig. Im Streitjahr 2008 hatte sie für die von ihren Subunternehmern sowohl für ihre - umsatzsteuerfreie - Bauträgertätigkeit als auch für ihre - umsatzsteuerpflichtige - Generalunternehmertätigkeit erbrachten Bauleistungen entstandene Umsatzsteuer gem. § 13b UStG eingehalten und führte diese an das Finanzamt ab. Die Klägerin reichte ihre Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2012 beim Finanzamt ein. Sie erklärte u.a. Vorsteuerbeträge aus Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 1 UStG sowie gem. § 13b UStG für Bauleistungen als Steuerschuldner geschuldete Umsatzsteuer. Die Behörde stimmte den eingereichten Erklärungen sämtlich zu. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2008 bis 2010 gem. § 164 Abs. 2 AO und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Später lehnte das Finanzamt auch den Änderungsantrag der Klägerin ab. Eine Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 2007 sei bereits wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist gem. §§ 169 Abs. 1 und 2; 170 Abs. 1 AO nicht möglich. Die Erklärung sei am 15.9.2008 beim Amt eingegangen, die Festsetzungsfrist am 31.12.2012 abgelaufen. Eine Änderung der noch nicht festsetzungsverjährten Umsatzsteuerveranlagungen für die Jahre 2008 bis 2012 sei nicht möglich, weil das BFH-Urteil vom 22.8.2013 nicht im Bundesteuerblatt veröffentlicht worden und das Finanzamt daher an die bisherigen Verwaltungsanweisungen gebunden sei.
Das FG gab der Klage teilweise statt. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Klage war, soweit das Finanzamt Unterlagen für die Streitzeiträume 2008 bis 2010 angefordert hatte, begründet. Gem. § 90 AO sind die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes verpflichtet. Entsprechende Mitwirkungspflichten gelten gem. § 200 AO im Rahmen einer Außenprüfung. Gem. § 93 AO haben Beteiligte und andere Personen dem Finanzamt die für die Besteuerung erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
Die Umsatzsteuerbescheide der Klägerin der Jahre 2008 bis 2010 waren bestandskräftig und aufgrund der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr änderbar, so dass eine Rückabwicklung der tatsächlich nicht für Leistungen der Subunternehmer geschuldeten Umsatzsteuer gem. § 13b UStG bereits aus formellen Gründen nicht in Betracht kam. Können die Steuerbescheide der Klägerin als Leistungsempfängerin nicht mehr zu ihren Gunsten geändert werden, kommt auch eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide der leistenden Bauunternehmer zu deren Lasten unabhängig von der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG nicht in Betracht.
Auch § 200 AO kommt in einem solchen Fall als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht. Zwar kann grundsätzlich auch für bestandskräftig veranlagte Jahre eine Betriebsprüfung durchgeführt werden. Im Streitfall begehrte die Klägerin jedoch die Änderung von bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheiden, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich ist. Zur Begründung konnte insoweit auf das Urteil des Senats vom 10.6.2016 (Az.: 1 K 2226/14 U) Bezug genommen werden.
Die Klage war unbegründet, soweit das Finanzamt die streitigen Unterlagen für die Jahre 2011 und 2012 angefordert hatte. Denn die Klägerin hatte mit Antrag vom 2.12.2013 (auch) die Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2011 und 2012 zu ihren Gunsten beantragt. Sie begehrte eine Erstattung der zu Unrecht gem. § 13b UStG abgeführten Umsatzsteuer sowie die Festsetzung der entsprechenden Zinsen gem. § 233a AO. Sie begehrte zudem die Erstattung von Umsatzsteuerbeträgen, die nach ihren Angaben auf Leistungen entfielen, für die sie die Steuer nach BFH-Rechtsprechung (Urt. v. 22.8.2013, Az.: V R 37/10) tatsächlich nicht gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4; Abs. 5 S. 2 UStG schulde, weil sie diese nicht für ihre Tätigkeit als Bauunternehmer, sondern für ihre Tätigkeit als Bauträger verwendet habe.
Die Anforderung dieser Auskünfte erschien auch sachgerecht und angesichts der Höhe der Erstattungsbeträge, die die Klägerin begehrte, nicht unverhältnismäßig. Das Finanzamt hat einen weiten Ermessensspielraum bei der Frage, welche Unterlagen in welcher Form für das Besteuerungsverfahren - auch im Rahmen einer Außenprüfung - vom Steuerpflichtigen vorzulegen sind. Es entsprach der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastverteilung, dass die Klägerin nicht nur die Unterlagen, die einen Erstattungsanspruch begründen, vorzulegen hatte, sondern auch nachvollziehbar darlegen musste, mit welchem konkreten Sachverhalt sie ihr Änderungsverlangen begründet hatte. Letztlich überschritt auch die Aufforderung des Finanzamtes, die Auskünfte in Form einer Aufstellung zu erteilen, nicht die Grenzen des Ermessens.
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