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Außenprüfung: Recht und Umfang der Anforderung streitiger Unterlagen

FG Düsseldorf 10.6.2016, 1 K 467/15 AO

Gem. § 93 AO ha­ben Be­tei­ligte und an­dere Per­so­nen dem Fi­nanz­amt die für die Be­steue­rung er­for­der­li­chen Auskünfte zu er­tei­len. Das Fi­nanz­amt hat einen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum bei der Frage, wel­che Un­ter­la­gen in wel­cher Form für das Be­steue­rungs­ver­fah­ren - auch im Rah­men ei­ner Außenprüfung - vom Steu­er­pflich­ti­gen vor­zu­le­gen sind.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine AG. Sie ist als Bauträger Ge­ne­ral­un­ter­neh­mer tätig. Im Streit­jahr 2008 hatte sie für die von ih­ren Sub­un­ter­neh­mern so­wohl für ihre - um­satz­steu­er­freie - Bauträgertätig­keit als auch für ihre - um­satz­steu­er­pflich­tige - Ge­ne­ral­un­ter­neh­mertätig­keit er­brach­ten Bau­leis­tun­gen ent­stan­dene Um­satz­steuer gem. § 13b UStG ein­ge­hal­ten und führte diese an das Fi­nanz­amt ab. Die Kläge­rin reichte ihre Um­satz­steu­er­erklärun­gen für die Jahre 2008 bis 2012 beim Fi­nanz­amt ein. Sie erklärte u.a. Vor­steu­er­beträge aus Leis­tun­gen i.S.d. § 13b Abs. 1 UStG so­wie gem. § 13b UStG für Bau­leis­tun­gen als Steu­er­schuld­ner ge­schul­dete Um­satz­steuer. Die Behörde stimmte den ein­ge­reich­ten Erklärun­gen sämt­lich zu. Nach Durchführung ei­ner Be­triebsprüfung änderte das Fi­nanz­amt die Um­satz­steu­er­fest­set­zun­gen für die Jahre 2008 bis 2010 gem. § 164 Abs. 2 AO und hob den Vor­be­halt der Nachprüfung auf.

Am 2.12.2013 be­an­tragte die Kläge­rin un­ter Hin­weis auf die BFH-Ent­schei­dung vom 22.8.2013 (Az.: V R 37/10) die Ände­rung der Um­satz­steu­er­be­scheide der Jahre ab 2007, weil sie, so­weit sie um­satz­steu­er­freie Leis­tun­gen als Bauträger er­bringe, nicht Steu­er­schuld­ner nach § 13b UStG für hierfür be­zo­gene Bau­leis­tun­gen sein könne. Das Schrei­ben ent­hielt we­der ge­naue An­ga­ben zu den zu ändern­den Be­schei­den noch zur Höhe der nach Auf­fas­sung der Kläge­rin zu Un­recht ab­geführ­ten Um­satz­steu­er­beträge.

Später lehnte das Fi­nanz­amt auch den Ände­rungs­an­trag der Kläge­rin ab. Eine Ände­rung des Um­satz­steu­er­be­schei­des für 2007 sei be­reits we­gen Ab­laufs der Fest­set­zungs­frist gem. §§ 169 Abs. 1 und 2; 170 Abs. 1 AO nicht möglich. Die Erklärung sei am 15.9.2008 beim Amt ein­ge­gan­gen, die Fest­set­zungs­frist am 31.12.2012 ab­ge­lau­fen. Eine Ände­rung der noch nicht fest­set­zungs­verjähr­ten Um­satz­steu­er­ver­an­la­gun­gen für die Jahre 2008 bis 2012 sei nicht möglich, weil das BFH-Ur­teil vom 22.8.2013 nicht im Bun­de­steu­er­blatt veröff­ent­licht wor­den und das Fi­nanz­amt da­her an die bis­he­ri­gen Ver­wal­tungs­an­wei­sun­gen ge­bun­den sei.

Das FG gab der Klage teil­weise statt. Die Re­vi­sion wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Klage war, so­weit das Fi­nanz­amt Un­ter­la­gen für die Streit­zeiträume 2008 bis 2010 an­ge­for­dert hatte, begründet. Gem. § 90 AO sind die Be­tei­lig­ten zur Mit­wir­kung bei der Er­mitt­lung des für die Be­steue­rung er­heb­li­chen Sach­ver­hal­tes ver­pflich­tet. Ent­spre­chende Mit­wir­kungs­pflich­ten gel­ten gem. § 200 AO im Rah­men ei­ner Außenprüfung. Gem. § 93 AO ha­ben Be­tei­ligte und an­dere Per­so­nen dem Fi­nanz­amt die für die Be­steue­rung er­for­der­li­chen Auskünfte zu er­tei­len.

Die Um­satz­steu­er­be­scheide der Kläge­rin der Jahre 2008 bis 2010 wa­ren be­standskräftig und auf­grund der Auf­he­bung des Vor­be­halts der Nachprüfung nicht mehr änder­bar, so dass eine Rück­ab­wick­lung der tatsäch­lich nicht für Leis­tun­gen der Sub­un­ter­neh­mer ge­schul­de­ten Um­satz­steuer gem. § 13b UStG be­reits aus for­mel­len Gründen nicht in Be­tracht kam. Können die Steu­er­be­scheide der Kläge­rin als Leis­tungs­empfänge­rin nicht mehr zu ih­ren Guns­ten geändert wer­den, kommt auch eine Ände­rung der Um­satz­steu­er­be­scheide der leis­ten­den Bau­un­ter­neh­mer zu de­ren Las­ten un­abhängig von der Frage der Ver­fas­sungsmäßig­keit des § 27 Abs. 19 UStG nicht in Be­tracht.

Auch § 200 AO kommt in einem sol­chen Fall als Ermäch­ti­gungs­grund­lage nicht in Be­tracht. Zwar kann grundsätz­lich auch für be­standskräftig ver­an­lagte Jahre eine Be­triebsprüfung durch­geführt wer­den. Im Streit­fall be­gehrte die Kläge­rin je­doch die Ände­rung von be­standskräfti­gen Um­satz­steu­er­be­schei­den, die un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt möglich ist. Zur Begründung konnte in­so­weit auf das Ur­teil des Se­nats vom 10.6.2016 (Az.: 1 K 2226/14 U) Be­zug ge­nom­men wer­den.

Die Klage war un­begründet, so­weit das Fi­nanz­amt die strei­ti­gen Un­ter­la­gen für die Jahre 2011 und 2012 an­ge­for­dert hatte. Denn die Kläge­rin hatte mit An­trag vom 2.12.2013 (auch) die Ände­rung der un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung ste­hen­den Um­satz­steu­er­be­scheide der Jahre 2011 und 2012 zu ih­ren Guns­ten be­an­tragt. Sie be­gehrte eine Er­stat­tung der zu Un­recht gem. § 13b UStG ab­geführ­ten Um­satz­steuer so­wie die Fest­set­zung der ent­spre­chen­den Zin­sen gem. § 233a AO. Sie be­gehrte zu­dem die Er­stat­tung von Um­satz­steu­er­beträgen, die nach ih­ren An­ga­ben auf Leis­tun­gen ent­fie­len, für die sie die Steuer nach BFH-Recht­spre­chung (Urt. v. 22.8.2013, Az.: V R 37/10) tatsäch­lich nicht gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4; Abs. 5 S. 2 UStG schulde, weil sie diese nicht für ihre Tätig­keit als Bau­un­ter­neh­mer, son­dern für ihre Tätig­keit als Bauträger ver­wen­det habe.

Die An­for­de­rung die­ser Auskünfte er­schien auch sach­ge­recht und an­ge­sichts der Höhe der Er­stat­tungs­beträge, die die Kläge­rin be­gehrte, nicht un­verhält­nismäßig. Das Fi­nanz­amt hat einen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum bei der Frage, wel­che Un­ter­la­gen in wel­cher Form für das Be­steue­rungs­ver­fah­ren - auch im Rah­men ei­ner Außenprüfung - vom Steu­er­pflich­ti­gen vor­zu­le­gen sind. Es ent­sprach der all­ge­mei­nen Dar­le­gungs- und Be­weis­last­ver­tei­lung, dass die Kläge­rin nicht nur die Un­ter­la­gen, die einen Er­stat­tungs­an­spruch begründen, vor­zu­le­gen hatte, son­dern auch nach­voll­zieh­bar dar­le­gen mus­ste, mit wel­chem kon­kre­ten Sach­ver­halt sie ihr Ände­rungs­ver­lan­gen begründet hatte. Letzt­lich über­schritt auch die Auf­for­de­rung des Fi­nanz­am­tes, die Auskünfte in Form ei­ner Auf­stel­lung zu er­tei­len, nicht die Gren­zen des Er­mes­sens.

Link­hin­weis:

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