Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist griechischer Staatsangehöriger und lebt in Deutschland. In den Jahren 2001 und 2002 hatte der Antragsteller in Griechenland eine Tankstelle mit Werkstatt betrieben und kehrte anschließend nach Deutschland zurück. Im Januar 2007 hatte das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet. Dieses wurde im September 2007 aufgehoben und dem Antragsteller im Januar 2013 die Restschuldbefreiung erteilt.
Im Juni 2016 erließ das Finanzamt eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung für die Beitreibungsforderung gegen die Volksbank, wo der Antragsteller ein Konto hat. Die Volksbank antwortete in ihrer Drittschuldnererklärung, dass das Konto des Antragsstellers als Pfändungsschutzkonto geführt werde. Der Antragsteller stellte im Juli 2016 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Vollstreckungsersuchens. Das FG setzte die Pfändungs- und Einziehungsverfügung daraufhin bis zur Entscheidung des Finanzamtes über den hiergegen erhobenen Einspruch von der Vollziehung aus.
Die Gründe:
Es war ernstlich zweifelhaft, ob die in der Sache angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtmäßig ist, weil der Vollstreckung der ausländischen Steuerforderung die im Inland erteilte Restschuldbefreiung entgegenstehen könnte.
Obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 251 Abs. 1 AO vorliegen, könnte der Vollstreckung die Restschuldbefreiung des Antragstellers entgegenstehen, weil nach § 251 Abs. 2 S. 1 AO InsO unberührt bleiben. Die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung wirkt gem. § 286 und § 301 Abs. 1 S. 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Wird dem Schuldner durch Beschluss gem. § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt, wandeln sich die Insolvenzforderungen in unvollkommene Verbindlichkeiten, die weiterhin erfüllbar, aber nicht mehr erzwingbar sind. Eine Vollstreckung ist unzulässig.
Die Rechtswirkung der Restschuldbefreiung bindet auch ausländische Gläubiger. Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 der Verordnung zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Ohne weitere Förmlichkeiten werden die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen ebenfalls anerkannt, wenn diese von einem Gericht getroffen wurden, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 16 EuInsVO anerkannt wird (Art. 25 Abs. 1 EuInsVO). Die vom Insolvenzgericht getroffenen Entscheidung der Restschuldbefreiung ist daher auch für den griechischen Fiskus als ausländischer Gläubiger grundsätzlich verbindlich.
Für die deswegen nach inländischem Recht zu beantwortenden Frage, ob Steuerforderungen Insolvenzforderungen sind und damit von der Restschuldbefreiung umfasst sind, ist entscheidend, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden ist, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war. Daher ist ein Steueranspruch immer dann Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO, wenn er vor Eröffnung des Verfahrens in der Weise begründet wurde, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht wurde.
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