Der Sachverhalt:
Das beklagte Hauptzollamt hatte den Kläger im Jahr 2013 auf Zahlung von Tabaksteuer i.H.v. 68.800 € in Anspruch genommen, da er nach den Ermittlungen der Zollfahndungsämter als Fahrer eines Sattelzuges im Jahr 2008 im Bereich des Grenzüberganges insgesamt 500.000 Stück unversteuerte Zigaretten ohne gültige Steuerzeichen in die Bundesrepublik Deutschland verbracht hatte. Wegen dieser Steuerstraftat sei der Kläger bereits rechtskräftig durch Strafbefehl aus dem Jahr 2012 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden.
Am 9.2.2017 ging bei Gericht ein Schreiben des Klägers in polnischer Sprache ein. In diesem Schreiben hieß es ausweislich der vom Gericht eingeholten Übersetzung: Gegen den Beschluss aus Januar 2017 lege er Berufung ein. Da er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sei der Text für ihn völlig unverständlich. Er bitte, diesen Text in einer für ihn verständlichen Sprache zu übersenden. Er bitte erneut, diese Angelegenheit zu prüfen und den Betrag zu entschulden.
Das FG hielt die Klage zwar für zulässig, allerdings in der sache für unbegründet. Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Senat hat die in polnischer Sprache verfasste Klageschrift als rechtswirksam und damit auch fristwahrend angesehen. Er ist damit von der ganz h.M. in Judikatur und Literatur abgewichen, die nicht in deutscher, sondern in einer fremden Sprache abgefasste Klageschriften für nicht rechtserheblich und damit auch nicht fristwahrend hält.
Das Gericht hatte bei dem entgegen § 184 S. 1 GVG nicht in deutscher Sprache abgefassten Schriftsatz wegen der Erwähnung eines Hauptzollamtes und eines für ihn typischen Aktenzeichens erkennen können, dass es sich um eine Klage handeln könnte. Die vom Senatsvorsitzenden veranlasste Übersetzung ergab dann, dass der Kläger gegen den "Beschluss vom ... Berufung" einlegen wollte und um erneute "Prüfung" dieser "Angelegenheit" gebeten hatte. Infolgedessen war die Klage als zulässig zu behandeln.
Der Senat sieht nämlich eine Verpflichtung der Gerichte, fremdsprachige Schriftsätze, die - wie hier - hinreichende Anhaltspunkte dafür enthalten, es könnte sich hierbei um ein Klage- oder sonstiges Rechtsschutzbegehren handeln, von Amts wegen übersetzen zu lassen. Diese Verfahrensweise hält der Senat im Hinblick auf die auch für Ausländer geltenden Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens nach Art. 20 Abs. 3 GG, des in Art. 3 Abs. 3 GG verankerten Benachteiligungsverbots wegen der Sprache und der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG für geboten.
Angesichts dieser Gewährleistungen, die auf Effektivität angelegt sind und auch ausländischen Klägern eine tatsächliche gerichtliche Überprüfung der sie belastenden Verwaltungsbescheide eröffnen, sah sich der Senat veranlasst, von Amts wegen eine Übersetzung des innerhalb der Klagefrist bei Gericht eingegangenen Schriftsatzes des Klägers einzuholen. Im Ergebnis hatte der Kläger allerdings keinen Erfolg, da vom Steuerstrafverfahren das sog. Besteuerungsverfahren strikt zu unterscheiden ist. In letzterem geht es nicht um die Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe, sondern es wird vielmehr allein geprüft, ob durch die Verwirklichung eines bestimmten Sachverhalts eine Steuer entstanden ist. Letzteres war hier der Fall.
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