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Zulässigkeit von Rücklagen im Regiebetrieb einer Verbandskörperschaft

BFH 30.1.2018, VIII R 15/16

Die Bil­dung ei­ner Rück­lage i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG ist bei Re­gie­be­trie­ben ei­ner Ver­bandskörper­schaft un­ter den glei­chen Vor­aus­set­zun­gen wie bei Re­gie­be­trie­ben ei­ner kom­mu­na­len Ge­bietskörper­schaft zulässig. Man­gels ge­setz­li­cher Be­schränkun­gen reicht für de­ren steu­er­li­che An­er­ken­nung je­des "Ste­hen­las­sen" der han­dels­recht­li­chen Ge­winne als Ei­gen­ka­pi­tal aus, so­fern an­hand ob­jek­ti­ver Umstände nach­voll­zo­gen und überprüft wer­den kann, dass dem Re­gie­be­trieb die ent­spre­chen­den Mit­tel wei­ter­hin als Ei­gen­ka­pi­tal zur Verfügung ste­hen sol­len.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger un­ter­hielt in den Streit­jah­ren 2005 bis 2007 einen Be­trieb ge­werb­li­cher Art (BgA X). Des­sen Ge­winne un­ter­warf das Fi­nanz­amt für die An­mel­dungs­zeiträume 8/2006, 8/2007 und 8/2008 der Ka­pi­tal­er­trag­steuer, ob­wohl der Kläger die Ein­stel­lung der Ge­winne in die Rück­la­gen gel­tend ge­macht hatte. Der Kläger ist eine Körper­schaft des öff­ent­li­chen Rechts, die als Be­rufs­ver­band und X tätig ist. Die in den Han­dels­bi­lan­zen des Klägers er­mit­tel­ten Jah­resüber­schüsse für die Streit­jahre wur­den in die (sat­zungsmäßigen) Ge­winnrück­la­gen ein­ge­stellt.

Nach den Er­geb­nis­sen der Be­triebsprüfung buchte der Kläger sämt­li­che Ein­nah­men und Aus­ga­ben im Rech­nungs­we­sen der X. Für die ver­schie­de­nen Tätig­keits­be­rei­che habe es we­der ge­trennte Buchführun­gen noch ge­trennte Bank­kon­ten ge­ge­ben. Die rech­ne­ri­sche Zu­ord­nung der Auf­wen­dun­gen sei über eine Auf­tei­lung nach Kos­ten­schlüsseln er­folgt. Die Prüfung kam zu dem Er­geb­nis, die han­dels­recht­li­chen Jah­resüber­schüsse des BgA X seien in den Bi­lan­zen des Klägers zu­tref­fend aus­ge­wie­sen. So­weit die Auf­wen­dun­gen dem Be­rufs­ver­band zu­zu­rech­nen seien, würden sie durch die (ech­ten) Mit­glieds­beiträge aus­ge­gli­chen. Über­schüsse seien in­so­weit nicht er­zielt wor­den. So­weit der Be­rufs­ver­band für seine Mit­glie­der be­son­dere Pro­jekte durchführe und hierfür (noch) keine Son­der­beiträge (un­echte Mit­glieds­beiträge) er­hal­ten habe, seien in den Han­dels­bi­lan­zen "Vorräte" ak­ti­viert wor­den.

Auf die Han­dels­bi­lanz­ge­winne des BgA X falle gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b i.V.m. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7c u. § 43a Abs. 1 Nr. 6 EStG eine 10 %-ige Ka­pi­tal­er­trag­steuer an. Die Bil­dung von Rück­la­gen sei nicht zulässig, da der BgA X als Re­gie­be­trieb an­zu­se­hen sei, des­sen Zweck auch ohne eine sol­che Rück­la­gen­bil­dung nach­hal­tig habe erfüllt wer­den können. Außer­dem seien in den Streit­jah­ren Beträge in Höhe von je­weils 48 bis 60 Mio. € nicht ver­braucht und auch nicht zur Bil­dung von Rück­la­gen oder Rück­stel­lun­gen ver­wen­det, son­dern den Mit­glie­dern als Rück­ga­ben er­stat­tet wor­den. Das Fi­nanz­amt er­ließ dar­auf­hin ge­genüber dem Kläger ent­spre­chende Be­scheide über die Fest­set­zung von Ka­pi­tal­er­trag­steuer und So­li­da­ritätszu­schlag zur Ka­pi­tal­er­trag­steuer.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass die an den Kläger ge­rich­te­ten Be­scheide über die Fest­set­zung von Ka­pi­tal­er­trag­steuer rechts­wid­rig wa­ren. Die vom BgA X in den Jah­ren 2005 bis 2007 er­ziel­ten Ge­winne hat­ten ge­rade nicht zu ka­pi­tal­er­trag­steu­er­pflich­ti­gen Einkünf­ten aus Ka­pi­tal­vermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG geführt.

Die Bil­dung ei­ner Rück­lage i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG ist auch bei Re­gie­be­trie­ben ei­ner Ver­bandskörper­schaft un­ter den glei­chen Vor­aus­set­zun­gen wie bei Re­gie­be­trie­ben ei­ner kom­mu­na­len Ge­bietskörper­schaft zulässig. Man­gels ge­setz­li­cher Be­schränkun­gen reicht für de­ren steu­er­li­che An­er­ken­nung je­des "Ste­hen­las­sen" der han­dels­recht­li­chen Ge­winne als Ei­gen­ka­pi­tal aus, so­fern an­hand ob­jek­ti­ver Umstände nach­voll­zo­gen und überprüft wer­den kann, dass dem Re­gie­be­trieb die ent­spre­chen­den Mit­tel wei­ter­hin als Ei­gen­ka­pi­tal zur Verfügung ste­hen sol­len.

Der Se­nat folgt nicht der Aus­le­gung der Fi­nanz­ver­wal­tung, wo­nach die Rück­la­gen­bil­dung bei Re­gie­be­trie­ben nur un­ter be­stimm­ten zusätz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen zu­zu­las­sen ist (BMF-Schrei­ben in BStBl I 2015, 111, Rz 35). Für diese zusätz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen fehlt eine ge­setz­li­che Grund­lage. Sie wur­den auch nicht durch das Ur­teil des I. Se­nats des BFH vom 16.11.2011 (Az.: I R 108/09 17) bestätigt. Bei die­sen Ausführun­gen han­delte es sich le­dig­lich um ein obi­ter dic­tum. Ent­schei­dend war in je­ner Ent­schei­dung al­lein, aus den un­ter­schied­li­chen haus­hal­te­ri­schen Vor­ga­ben für Re­gie- und Ei­gen­be­triebe ab­zu­lei­ten, dass die zu die­sem Zeit­punkt nach Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung für sämt­li­che Be­triebe ge­werb­li­cher Art ohne ei­gene Rechts­persönlich­keit gel­ten­den Ein­schränkun­gen für die Bil­dung von Rück­la­gen (BMF-Schrei­ben in BStBl I 2005, 831, Rz 23) je­den­falls nicht auf Ei­gen­be­triebe an­wend­bar seien.

Link­hin­weis:

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