Der Sachverhalt:
Der Kläger unterhielt in den Streitjahren 2005 bis 2007 einen Betrieb gewerblicher Art (BgA X). Dessen Gewinne unterwarf das Finanzamt für die Anmeldungszeiträume 8/2006, 8/2007 und 8/2008 der Kapitalertragsteuer, obwohl der Kläger die Einstellung der Gewinne in die Rücklagen geltend gemacht hatte. Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die als Berufsverband und X tätig ist. Die in den Handelsbilanzen des Klägers ermittelten Jahresüberschüsse für die Streitjahre wurden in die (satzungsmäßigen) Gewinnrücklagen eingestellt.
Auf die Handelsbilanzgewinne des BgA X falle gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b i.V.m. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7c u. § 43a Abs. 1 Nr. 6 EStG eine 10 %-ige Kapitalertragsteuer an. Die Bildung von Rücklagen sei nicht zulässig, da der BgA X als Regiebetrieb anzusehen sei, dessen Zweck auch ohne eine solche Rücklagenbildung nachhaltig habe erfüllt werden können. Außerdem seien in den Streitjahren Beträge in Höhe von jeweils 48 bis 60 Mio. € nicht verbraucht und auch nicht zur Bildung von Rücklagen oder Rückstellungen verwendet, sondern den Mitgliedern als Rückgaben erstattet worden. Das Finanzamt erließ daraufhin gegenüber dem Kläger entsprechende Bescheide über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die hiergegen gerichtete Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die an den Kläger gerichteten Bescheide über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer rechtswidrig waren. Die vom BgA X in den Jahren 2005 bis 2007 erzielten Gewinne hatten gerade nicht zu kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG geführt.
Die Bildung einer Rücklage i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG ist auch bei Regiebetrieben einer Verbandskörperschaft unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Regiebetrieben einer kommunalen Gebietskörperschaft zulässig. Mangels gesetzlicher Beschränkungen reicht für deren steuerliche Anerkennung jedes "Stehenlassen" der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital aus, sofern anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen sollen.
Der Senat folgt nicht der Auslegung der Finanzverwaltung, wonach die Rücklagenbildung bei Regiebetrieben nur unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen zuzulassen ist (BMF-Schreiben in BStBl I 2015, 111, Rz 35). Für diese zusätzlichen Voraussetzungen fehlt eine gesetzliche Grundlage. Sie wurden auch nicht durch das Urteil des I. Senats des BFH vom 16.11.2011 (Az.: I R 108/09 17) bestätigt. Bei diesen Ausführungen handelte es sich lediglich um ein obiter dictum. Entscheidend war in jener Entscheidung allein, aus den unterschiedlichen haushalterischen Vorgaben für Regie- und Eigenbetriebe abzuleiten, dass die zu diesem Zeitpunkt nach Auffassung der Finanzverwaltung für sämtliche Betriebe gewerblicher Art ohne eigene Rechtspersönlichkeit geltenden Einschränkungen für die Bildung von Rücklagen (BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 831, Rz 23) jedenfalls nicht auf Eigenbetriebe anwendbar seien.
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