deen

Aktuelles

Zum Anspruch des Genussscheininhabers auf Rechenschaftslegung

BGH 14.6.2016, II ZR 121/15

Ein Ge­nuss­schein­in­ha­ber kann nach all­ge­mei­nen Grundsätzen Re­chen­schafts­le­gung ver­lan­gen, so­weit er sie zur Plau­si­bi­li­sie­rung sei­nes An­spruchs benötigt. Wenn der Ge­nuss­schein­in­ha­ber einen An­spruch auf eine fest­ge­legte Zins­leis­tung hat, die entfällt, so­weit da­durch ein Bi­lanz­ver­lust ent­ste­hen würde, be­steht die Re­chen­schafts­le­gung in der Mit­tei­lung des Jah­res­ab­schlus­ses.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin hatte 2001 einen Na­mens-Ge­nuss­schein der Deut­schen S-AG, de­ren Rechts­nach­fol­ge­rin die Be­klagte ist, i.H.v. 2 Mio. € ge­zeich­net. Der Ge­nuss­schein gewährte einen dem Ge­winn­an­teil der Ak­tionäre und stil­len Ge­sell­schaf­ter vor­ge­hen­den jähr­li­chen Zins­an­spruch von 7 % p.a. Nach § 3 der Ge­nuss­schein­be­din­gun­gen wa­ren die Zins­zah­lun­gen da­durch be­grenzt, dass durch sie kein Bi­lanz­ver­lust ent­ste­hen durfte. Ein des­halb feh­len­der Be­trag war während der Lauf­zeit der Ge­nuss­scheine in den fol­gen­den Ge­schäfts­jah­ren nach­zu­zah­len. Nach § 8 Abs. 1 ver­min­derte sich der Rück­zah­lungs­an­spruch je­des Ge­nuss­schein­in­ha­bers, wenn die S-AG einen Bi­lanz­ver­lust aus­wies oder ihr Grund­ka­pi­tal zur De­ckung von Ver­lus­ten her­ab­ge­setzt wurde.

Bis Ende 2008 be­diente die S-AG den Zins­an­spruch der Kläge­rin ord­nungs­gemäß. Für 2009 und 2010 wur­den keine Zin­sen be­zahlt. Für das Jahr 2011 wur­den 0,02 € be­zahlt. Die S-AG hatte in die­sen Jah­ren le­dig­lich ein aus­ge­gli­che­nes Bi­lanz­er­geb­nis er­zielt. Im ers­ten Halb­jahr 2012 wurde der Zins­an­spruch erfüllt, und zum 1.7.2012 er­hielt die Kläge­rin die ver­ein­barte Rück­zah­lung von 2 Mio. €. Die Kläge­rin war der An­sicht, dass sie einen An­spruch auf Re­chen­schafts­le­gung habe, weil sie in die Lage ver­setzt wer­den müsse, die Be­rech­ti­gung und die Höhe des An­sat­zes für Droh­ver­lustrück­stel­lun­gen überprüfen zu können. Sie hatte mit der Klage be­an­tragt, die Be­klagte zur Re­chen­schafts­le­gung darüber zu ver­ur­tei­len, wel­che Zins­an­sprüche der Kläge­rin für ihre An­la­ge­summe von 2 Mio. € in dem Na­mens-Ge­nuss­schein der vor­ma­li­gen S-AG für 2009 bis 2011 zu­ste­hen.

Das LG ver­ur­teilte dar­auf­hin die Be­klagte, Re­chen­schaft über die in den Jah­ren 2009 bis 2011 vor­ge­nom­me­nen Ein­zel- und Pau­schal­wert­be­rich­ti­gun­gen für den erhöhten Vor­sor­ge­be­darf so­wie über vor­ge­nom­mene Rück­stel­lun­gen, so­weit sie in der Bi­lanz un­ter sons­tige Rück­stel­lun­gen ein­ge­flos­sen wa­ren, zu le­gen, und wies den wei­ter­ge­hen­den Aus­kunfts­an­spruch ab. Das OLG wies die Klage ins­ge­samt ab. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion der Kläge­rin blieb vor dem BGH er­folg­los.

Die Gründe:
Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch auf Re­chen­schafts­le­gung oder Aus­kunft über die in den Jah­ren 2009 bis 2011 vor­ge­nom­me­nen Ein­zel- und Pau­schal­wert­be­rich­ti­gun­gen für den erhöhten Vor­sor­ge­be­darf so­wie über vor­ge­nom­mene Rück­stel­lun­gen, so­weit sie in die Bi­lanz un­ter "sons­tige Rück­stel­lun­gen" ein­ge­flos­sen sind.

Ein Ge­nuss­schein­in­ha­ber kann nach all­ge­mei­nen Grundsätzen Re­chen­schafts­le­gung ver­lan­gen, so­weit er sie zur Plau­si­bi­li­sie­rung sei­nes An­spruchs benötigt. Wenn, wie hier, der Ge­nuss­schein­in­ha­ber einen An­spruch auf eine fest­ge­legte Zins­leis­tung hat, die entfällt, so­weit da­durch ein Bi­lanz­ver­lust ent­ste­hen würde, benötigt er zur Plau­si­bi­li­sie­rung eine Re­chen­schafts­le­gung zum Bi­lanz­ge­winn oder -ver­lust, wenn die Ge­sell­schaft un­ter Be­ru­fung dar­auf kei­nen oder einen ver­min­der­ten Zins be­zahlt. Der Ge­nuss­schein­in­ha­ber ist über das Be­ste­hen oder den Um­fang sei­nes An­spruchs im Un­ge­wis­sen, die Ge­sell­schaft da­ge­gen un­schwer in der Lage, die er­for­der­li­che Re­chen­schaft zu le­gen. Diese Re­chen­schafts­le­gung be­steht hier in der Mit­tei­lung des Jah­res­ab­schlus­ses.

So­weit die Ge­nuss­schein­be­din­gun­gen lau­ten, dass ein Bi­lanz­ver­lust durch die Zins­zah­lung nicht ent­ste­hen dürfe, neh­men sie die ak­ti­en­recht­li­chen Vor­schrif­ten zum Bi­lanz­ver­lust in § 158 Abs. 1 Nr. 5 AktG in Be­zug und da­mit einen Teil der Rech­nungs­le­gung im Jah­res­ab­schluss. Die nach § 259 Abs. 1 BGB als Re­chen­schafts­le­gung ge­schul­dete, eine ge­ord­nete Zu­sam­men­stel­lung der Ein­nah­men und Aus­ga­ben ent­hal­tende Rech­nung, die die Kläge­rin für die In­for­ma­tion über das Be­ste­hen ih­res Zins­an­spruchs benötigt, ist da­her mit dem Jah­res­ab­schluss der Ge­sell­schaft iden­ti­sch. Das be­legt auch der Zu­sam­men­hang der Re­ge­lun­gen in den Ge­nuss­schein­be­din­gun­gen. Ein Recht auf Ein­sicht­nahme in die ge­samte Buchführung oder auf eine Ein­zel­erläute­rung von Rech­nungs­po­si­tio­nen, die die Kläge­rin mit der Klage als Re­chen­schafts­le­gung ver­langte, gewährt der Re­chen­schafts­le­gungs­an­spruch nicht. Ein­zel­hei­ten der Be­wer­tung ein­zel­ner Po­si­tio­nen im Jah­res­ab­schluss muss die Kläge­rin zur Be­rech­nung ih­res ver­trag­li­chen Zins­an­spruchs nicht ken­nen.

Zu Recht hat das OLG auch den Kla­ge­an­trag auf Re­chen­schafts­le­gung über die für die Jahre 2009 bis 2011 vor­ge­nom­me­nen Ein­zel- und Pau­schal­wert­be­rich­ti­gun­gen für den erhöhten Vor­sor­ge­be­darf so­wie über vor­ge­nom­mene Rück­stel­lun­gen, so­weit sie in der Bi­lanz un­ter sons­tige Rück-stel­lun­gen ein­ge­flos­sen sind, zurück­ge­wie­sen. Die Kläge­rin hatte in­so­weit kei­nen An­spruch auf Re­chen­schafts­le­gung i.S.v. § 259 BGB durch eine ge­ord­nete, eine Zu­sam­men­stel­lung der Ein­nah­men oder der Aus­ga­ben ent­hal­tende Rech­nung gel­tend ge­macht, son­dern wollte nähere Auskünfte zu ein­zel­nen Bi­lanz­po­si­tio­nen. Ein sol­cher wei­ter­ge­hen­der, über die Mit­tei­lung des Jah­res­ab­schlus­ses hin­aus­ge­hen­der Aus­kunfts­an­spruch ei­nes Ge­nuss­schein­in­ha­bers folgt je­doch nicht ohne wei­te­res als ver­trag­li­cher An­spruch aus dem Ge­nuss­rechts­verhält­nis, son­dern setzt den begründe­ten Ver­dacht ei­ner Ver­trags­pflicht­ver­let­zung vor­aus. Ein all­ge­mei­ner, auf § 242 BGB gestütz­ter Aus­kunfts­an­spruch be­steht nicht.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für den Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.
nach oben