Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine im Fördergebiet ansässige GmbH, die sich mit der Herstellung elektronischer Bauelemente befasst. Sie beabsichtigte, eine neue Betriebshalle zu errichten. Im Februar 2009 beauftragte sie die M-GmbH mit Planungsleistungen für die Halle. Der Bauantrag wurde im November 2010 eingereicht, die Baugenehmigung wurde im Mai 2011 erteilt. Durch einen Architekten- und Ingenieurvertrag vom 13.4.2011 beauftragte die Klägerin die M-GmbH mit der Erbringung von Leistungen, die u.a. die Grundleistungen der Leistungsphasen 5 bis 9 gemäß § 3 Abs. 4 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 11.8.2009 (BGBl I 2009, 2732) - HOAI 2009 - betrafen.
Die Klägerin konnte den Vertrag vor der Ausführung der Pläne kündigen (§ 16); in diesem Fall sollte die M-GmbH den Vergütungsanspruch behalten, hätte sich jedoch ersparte Aufwendungen anrechnen lassen müssen. Für den Fall, dass die Klägerin die Leistungsphasen 5 bis 9 nicht abrufen würde und sie auch nicht an einen Dritten vergeben würde (Projektabbruch), sollte der M-GmbH nach § 21 des Vertrags kein weiteres Honorar zustehen. Ein Anspruch auf Beauftragung der Leistungsphasen 5 bis 9 sollte bestehen, wenn die Klägerin das Projekt nach der Leistungsphase 4 fortführen würde und den Vertrag nicht aus wichtigem Grund kündigen würde. Im Dezember 2012 erteilte die Klägerin der Fa. W den Auftrag zur Ausführung der Bauarbeiten.
Die Klägerin erfüllte die Begriffsdefinition für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) i.S.d. Kommissionsempfehlung vom 6.5.2003 (§ 6 Abs. 2 InvZulG 2010), beantragte im Februar 2015 für die Jahre 2011 bis 2013 eine Investitionszulage für die Investitionen, die mit dem Erstinvestitionsvorhaben zusammenhingen (Neubau einer Halle und Ausstattung). Hinsichtlich des Gebäudes bezog sie die im jeweiligen Kalenderjahr entstandenen Teilherstellungskosten in die Bemessungsgrundlage ein. Als Tag des Beginns des Vorhabens gab sie den 15.4.2011 an.
Das Finanzamt war nach einer Außenprüfung der Ansicht, erst der Abschluss des Bauvertrages mit der Fa. W im Dezember 2012 sei als Beginn des Erstinvestitionsvorhabens anzusehen, so dass die unbeweglichen Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 2010 nur mit einem Zulagensatz von 5 % - statt 7,5 % - und die im Jahr 2013 angeschafften beweglichen Wirtschaftsgüter, die zum Erstinvestitionsvorhaben gehörten, nur mit einem Satz von 10 % - statt 15 % - gefördert werden könnten. Für das Jahr 2012 hatte dies zur Folge, dass die festgesetzte Zulage die beantragte überstieg.
Das FG wies die gegen die Zulagenbescheide gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Gründe:
Das FG war zu Unrecht der Ansicht, dass die Investitionen, die zum Erstinvestitionsvorhaben gehören, nicht mit den Sätzen gefördert werden können, die für Erstinvestitionsvorhaben vorgesehen sind, mit denen im Jahr 2011 begonnen worden ist.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage für die Wirtschaftsgüter, die mit dem Erstinvestitionsvorhaben zusammenhingen, waren im Streitfall dem Grunde nach erfüllt. Streitig war lediglich die Höhe der Zulage. Die Höhe der Zulage hängt u.a. davon ab, in welchem Jahr ein Investor mit dem Erstinvestitionsvorhaben begonnen hat. Lag der Beginn im Jahr 2011, so belief sich die Zulage für unbewegliche Wirtschaftsgüter auf 7,5 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 2010) und für bewegliche Wirtschaftsgüter auf 15 % (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 2010), sofern der Betrieb die KMU-Begriffsdefinition (Begriffsdefinition für kleinere und mittlere Unternehmen i.S.d. Kommissionsempfehlung vom 6. 5. 2003) erfüllte.
Der Beginn eines Erstinvestitionsvorhabens, das sich aus mehreren Einzelinvestitionen zusammensetzt, ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 2010 der Zeitpunkt, zu dem mit der ersten hierzu gehörenden Einzelinvestition begonnen worden ist. Bei der Anschaffung von Wirtschaftsgütern ist dies der Zeitpunkt der Bestellung, bei der Herstellung der Zeitpunkt, zu dem mit seiner Herstellung begonnen worden ist (§ 4 Abs. 2 Satz 3 InvZulG 2010). Abweichend hiervon fingiert § 4 Abs. 2 Satz 5 InvZulG 2010 für den Fall der Gebäudeherstellung den Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrages oder die Aufnahme von Bauarbeiten als Herstellungsbeginn.
Im Streitfall war durch den Vertrag vom 13.4.2011, der nach seinem Inhalt die Grundleistungen der Leistungsphasen 5 bis 9 i.S. des § 3 Abs. 4 HOAI 2009 umfasste, der Auftrag an das Architektur- und Ingenieurbüro nicht nur zur Erbringung von Planungsleistungen, sondern auch zur Bauüberwachung erteilt worden. Spätestens die Leistungsphase 8 (Objektüberwachung - Bauüberwachung oder Bauoberleitung) nach § 3 Abs. 4 Nr. 8 HOAI 2009 ist der Bauausführung zuzurechnen. Es handelt sich um eine Leistung, die ein Architekt in der Phase erbringt, in der auf einer Baustelle Bauarbeiten durchgeführt werden. Der Umstand, dass zu dem Zeitpunkt, als die die Bauüberwachung übertragen wurde, die zu überwachenden Bauarbeiten noch gar nicht vergeben waren, ändert hieran nichts.
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