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Steuerberatung

Zum Erlass von Säumniszuschlägen im Billigkeitsverfahren

BFH v. 18.9.2018 - XI R 36/16

Säum­nis­zu­schläge sind nicht we­gen sach­li­cher Un­bil­lig­keit zu er­las­sen, wenn der Steu­er­pflich­tige sei­nen vom Fi­nanz­amt zurück­ge­wie­se­nen Ein­spruch ge­gen die teil­weise Ab­leh­nung von AdV trotz ent­spre­chen­der Ankündi­gung nicht begründet. Ob zum Zeit­punkt der AdV-Ver­sa­gung ernst­li­che Zwei­fel an der Rechtmäßig­keit des an­ge­foch­te­nen Steu­er­be­scheids vor­ge­le­gen ha­ben, ist im Bil­lig­keits­ver­fah­ren nicht zu überprüfen.

Der Sach­ver­halt:

Der Kläger ist ein ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein, der u.a. Ein­nah­men aus einem Be­stat­tungs­kos­ten­un­terstützungs­fonds, der Or­ga­ni­sa­tion von Pil­ger­rei­sen und des Kur­ban (is­la­mi­sche Op­fer­gabe - "Kur­ban­spen­den"-) er­hielt. Für 2000 bis 2006 hatte der Kläger Körper­schaft­steu­er­erklärun­gen ab­ge­ge­ben, in de­nen er nur ge­ringe bzw. keine Ein­nah­men aus den vor­ge­nann­ten Tätig­kei­ten erklärte. Nach ei­ner Außenprüfung für den Zeit­raum 1995 bis 2005 und hier­auf ba­sie­ren­der Schätzun­gen für die Jahre 2006 bis 2008 wur­den er­heb­li­che Steu­er­nach­for­de­run­gen fest­ge­setzt. Da­bei wur­den u.a. die Ein­nah­men aus Kur­ban­spen­den so­wie Zin­sen aus der Türkei der Be­steue­rung un­ter­wor­fen.

Der Kläger legte ge­gen die Be­scheide je­weils Ein­spruch ein und be­an­tragte Aus­set­zung der Voll­zie­hung (AdV). Das Fi­nanz­amt be­wil­ligte bezüglich der Be­rech­nung der Einkünfte aus dem Be­stat­tungs­kos­ten­un­terstützungs­fonds teil­weise AdV. Im Übri­gen wurde der An­trag ab­ge­lehnt. Außer­dem wies es die Ein­sprüche bezüglich der Steu­er­fest­set­zun­gen 2000 bis 2008 zurück. Ge­gen die teil­weise Ab­leh­nung der AdV legte der Kläger Ein­spruch ein. In dem Schrei­ben hieß es:

"Zur Begründung un­se­res Stand­punkts be­an­tra­gen wir Begründungs­frist bis zum 25.9.2010. Die Dar­le­gung der ernst­li­chen Zwei­fel und des Um­fangs der ernst­li­chen Zwei­fel soll im Zu­sam­men­hang mit der an­ste­hen­den Kla­ge­begründung vor­ge­legt wer­den."

Der Ein­spruch wurde als un­begründet zurück­ge­wie­sen, nach­dem die an­gekündigte Begründung nicht vor­ge­legt wor­den war. Beim FG stellte der Kläger kei­nen An­trag auf AdV der Körper­schaft­steu­er­be­scheide 2000 bis 2008. In dem Kla­ge­ver­fah­ren we­gen Körper­schaft­steuer 2000 bis 2008 (10 K 2696/10) ver­trat das FG in der münd­li­chen Ver­hand­lung die vorläufige Auf­fas­sung, dass die Ein­nah­men aus Kur­ban­spen­den ein­deu­tig nicht steu­er­pflich­tig seien und bei den Zin­sen aus der Türkei zu­min­dest frag­lich sei, wem diese zu­zu­rech­nen seien. Dar­auf­hin verständig­ten sich die Be­tei­lig­ten u.a. da­hin­ge­hend, dass Ein­nah­men aus Kur­ban­spen­den und Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen ent­fie­len. Die Ände­rungs­be­scheide wur­den be­standskräftig.

Der Kläger be­an­tragte dar­auf­hin, die Säum­nis­zu­schläge zur Körper­schaft­steuer 2000 bis 2008 zu er­las­sen. Das lehnte das Fi­nanz­amt ab und wies den da­ge­gen ein­ge­leg­ten Ein­spruch mit Ein­spruchs­ent­schei­dung als un­begründet zurück. Die an­schließende Klage hatte teil­weise Er­folg. Das FG ver­pflich­tete das Fi­nanz­amt, die Säum­nis­zu­schläge zur Körper­schaft­steuer 2000 bis 2008 zu er­las­sen, so­weit sie auf die Ein­be­zie­hung der Kur­ban­spen­den in die fest­ge­setzte Körper­schaft­steuer ent­fal­len. Im Übri­gen wies es die Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hat der BFH das Ur­teil des FG auf­ge­ho­ben und die Klage ab­ge­wie­sen.

Gründe:

Die Er­mes­sens­ent­schei­dung des Fi­nanz­am­tes über die Ab­leh­nung des Er­las­ses von Säum­nis­zu­schlägen ist nicht zu be­an­stan­den.

Nach § 227 AO können die Fi­nanz­behörden An­sprüche aus dem Steu­er­schuld­verhält­nis ganz oder zum Teil er­las­sen, wenn de­ren Ein­zie­hung nach der Lage des ein­zel­nen Falls - aus persönli­chen oder sach­li­chen Gründen - un­bil­lig wäre. Zu die­sen An­sprüchen gehören auch An­sprüche auf steu­er­li­che Ne­ben­leis­tun­gen ein­schließlich der nach § 240 Abs. 1 AO ent­ste­hen­den Säum­nis­zu­schläge. Sach­lich un­bil­lig ist die Fest­set­zung bzw. Ein­zie­hung ei­ner Steuer oder Ne­ben­leis­tung, wenn sie zwar äußer­lich dem Ge­setz ent­spricht, aber den Wer­tun­gen des Ge­setz­ge­bers im kon­kre­ten Fall der­art zu­wi­derläuft, dass die Er­he­bung der Steuer un­bil­lig er­scheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßli­chen Wil­len des Ge­setz­ge­bers an­ge­nom­men wer­den kann, dass er die im Bil­lig­keits­wege zu ent­schei­dende Frage - wenn er sie als re­ge­lungs­bedürf­tig er­kannt hätte -  i.S.d. be­gehr­ten Bil­lig­keitsmaßnahme ent­schie­den hätte.

Bei der Bil­lig­keitsprüfung müssen sol­che Umstände außer Be­tracht blei­ben, die der ge­setz­li­che Tat­be­stand ty­pi­scher­weise mit sich bringt. Eine für den Steu­er­pflich­ti­gen ungüns­tige Rechts­folge, die der Ge­setz­ge­ber be­wusst an­ge­ord­net oder in Kauf ge­nom­men hat, recht­fer­tigt in der Re­gel keine Bil­lig­keitsmaßnahme; ins­be­son­dere kann § 227 AO nicht als Rechts­grund­lage für eine vom Ge­setz­ge­ber nicht ge­wollte Be­frei­ungs­vor­schrift die­nen. Der Grund­satz der Ak­zess­orietät, nach dem Säum­nis­zu­schläge als steu­er­li­che Ne­ben­leis­tun­gen (§ 3 Abs. 4 AO) grundsätz­lich vom Be­ste­hen der ih­nen zu­grunde lie­gen­den Steu­er­schuld abhängig sind, wird durch diese Vor­schrift nach dem ausdrück­li­chen Wil­len des Ge­setz­ge­bers durch­bro­chen. Die darin lie­gende Härte war dem Ge­setz­ge­ber be­wusst und recht­fer­tigt da­her re­gelmäßig nicht den Er­lass der Säum­nis­zu­schläge aus sach­li­chen Gründen.

So­mit kommt ein Er­lass aus sach­li­chen Bil­lig­keitsgründen nicht al­lein des­halb in Be­tracht, weil die Steu­er­fest­set­zung zu Guns­ten des Steu­er­pflich­ti­gen her­ab­ge­setzt wor­den ist oder mögli­cher­weise geändert wer­den wird. Al­ler­dings sind Säum­nis­zu­schläge we­gen sach­li­cher Un­bil­lig­keit zu er­las­sen, wenn die Steu­er­fest­set­zung später auf­ge­ho­ben wird und der Steu­er­pflich­tige al­les ge­tan hat, um die AdV des Steu­er­be­scheids zu er­rei­chen, das Fi­nanz­amt oder das FG aber die Aus­set­zung "ob­wohl möglich und ge­bo­ten" ab­ge­lehnt hat.

Ein Er­lass kommt hin­ge­gen nicht in Be­tracht, wenn der Steu­er­pflich­tige sich nicht um die AdV bemüht hat oder wenn die Voll­zie­hung zu Recht nicht aus­ge­setzt wor­den ist, weil - z.B. in Schätzungsfällen - keine ernst­li­chen Zwei­fel be­stan­den und der Steu­er­be­scheid erst auf­grund nach­ge­reich­ter Steu­er­erklärun­gen auf­ge­ho­ben wor­den ist. Der Steu­er­pflich­tige muss zu­min­dest ge­genüber dem Fi­nanz­amt al­les tun, um AdV zu er­lan­gen. Dazu muss er sich so­weit sub­stan­ti­iert um einst­wei­li­gen Rechts­schutz bemüht ha­ben, dass eine sum­ma­ri­sche Prüfung Zwei­fel an der Rechts­wid­rig­keit der Steu­er­fest­set­zung hätte er­ge­ben können. Dies schließt eine Begründung des Ein­spruchs im Rah­men des ge­for­der­ten Bemühens um einst­wei­li­gen Rechts­schutz mit ein, da nach § 357 Abs. 3 Satz 3 AO mit Ein­spruchsein­le­gung auch die Tat­sa­chen, die zur Begründung die­nen, und die Be­weis­mit­tel an­geführt wer­den sol­len. Ein Er­lass kommt da­her nicht in Be­tracht, wenn Anträge auf AdV nicht "ernst­haft" bzw. nach­voll­zieh­bar begründet wur­den. Im vor­lie­gen­den Fall hatte der Kläger ge­genüber dem Fi­nanz­amt nicht al­les (Er­denk­li­che) ge­tan, um AdV zu er­lan­gen, so dass sein Ver­hal­ten den An­for­de­run­gen nicht genügte, die für einen Er­lass an das Bemühen des Steu­er­pflich­ti­gen zu stel­len sind.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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