Der Sachverhalt:
Der Kläger legte gegen die Bescheide jeweils Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Finanzamt bewilligte bezüglich der Berechnung der Einkünfte aus dem Bestattungskostenunterstützungsfonds teilweise AdV. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Außerdem wies es die Einsprüche bezüglich der Steuerfestsetzungen 2000 bis 2008 zurück. Gegen die teilweise Ablehnung der AdV legte der Kläger Einspruch ein. In dem Schreiben hieß es:
"Zur Begründung unseres Standpunkts beantragen wir Begründungsfrist bis zum 25.9.2010. Die Darlegung der ernstlichen Zweifel und des Umfangs der ernstlichen Zweifel soll im Zusammenhang mit der anstehenden Klagebegründung vorgelegt werden."
Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen, nachdem die angekündigte Begründung nicht vorgelegt worden war. Beim FG stellte der Kläger keinen Antrag auf AdV der Körperschaftsteuerbescheide 2000 bis 2008. In dem Klageverfahren wegen Körperschaftsteuer 2000 bis 2008 (10 K 2696/10) vertrat das FG in der mündlichen Verhandlung die vorläufige Auffassung, dass die Einnahmen aus Kurbanspenden eindeutig nicht steuerpflichtig seien und bei den Zinsen aus der Türkei zumindest fraglich sei, wem diese zuzurechnen seien. Daraufhin verständigten sich die Beteiligten u.a. dahingehend, dass Einnahmen aus Kurbanspenden und Einkünfte aus Kapitalvermögen entfielen. Die Änderungsbescheide wurden bestandskräftig.
Der Kläger beantragte daraufhin, die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2000 bis 2008 zu erlassen. Das lehnte das Finanzamt ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Die anschließende Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG verpflichtete das Finanzamt, die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2000 bis 2008 zu erlassen, soweit sie auf die Einbeziehung der Kurbanspenden in die festgesetzte Körperschaftsteuer entfallen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Auf die Revision des Finanzamtes hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gründe:
Die Ermessensentscheidung des Finanzamtes über die Ablehnung des Erlasses von Säumniszuschlägen ist nicht zu beanstanden.
Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach der Lage des einzelnen Falls - aus persönlichen oder sachlichen Gründen - unbillig wäre. Zu diesen Ansprüchen gehören auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen einschließlich der nach § 240 Abs. 1 AO entstehenden Säumniszuschläge. Sachlich unbillig ist die Festsetzung bzw. Einziehung einer Steuer oder Nebenleistung, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte - i.S.d. begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte.
Bei der Billigkeitsprüfung müssen solche Umstände außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt in der Regel keine Billigkeitsmaßnahme; insbesondere kann § 227 AO nicht als Rechtsgrundlage für eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift dienen. Der Grundsatz der Akzessorietät, nach dem Säumniszuschläge als steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) grundsätzlich vom Bestehen der ihnen zugrunde liegenden Steuerschuld abhängig sind, wird durch diese Vorschrift nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers durchbrochen. Die darin liegende Härte war dem Gesetzgeber bewusst und rechtfertigt daher regelmäßig nicht den Erlass der Säumniszuschläge aus sachlichen Gründen.
Somit kommt ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht allein deshalb in Betracht, weil die Steuerfestsetzung zu Gunsten des Steuerpflichtigen herabgesetzt worden ist oder möglicherweise geändert werden wird. Allerdings sind Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn die Steuerfestsetzung später aufgehoben wird und der Steuerpflichtige alles getan hat, um die AdV des Steuerbescheids zu erreichen, das Finanzamt oder das FG aber die Aussetzung "obwohl möglich und geboten" abgelehnt hat.
Ein Erlass kommt hingegen nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sich nicht um die AdV bemüht hat oder wenn die Vollziehung zu Recht nicht ausgesetzt worden ist, weil - z.B. in Schätzungsfällen - keine ernstlichen Zweifel bestanden und der Steuerbescheid erst aufgrund nachgereichter Steuererklärungen aufgehoben worden ist. Der Steuerpflichtige muss zumindest gegenüber dem Finanzamt alles tun, um AdV zu erlangen. Dazu muss er sich soweit substantiiert um einstweiligen Rechtsschutz bemüht haben, dass eine summarische Prüfung Zweifel an der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung hätte ergeben können. Dies schließt eine Begründung des Einspruchs im Rahmen des geforderten Bemühens um einstweiligen Rechtsschutz mit ein, da nach § 357 Abs. 3 Satz 3 AO mit Einspruchseinlegung auch die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die Beweismittel angeführt werden sollen. Ein Erlass kommt daher nicht in Betracht, wenn Anträge auf AdV nicht "ernsthaft" bzw. nachvollziehbar begründet wurden. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger gegenüber dem Finanzamt nicht alles (Erdenkliche) getan, um AdV zu erlangen, so dass sein Verhalten den Anforderungen nicht genügte, die für einen Erlass an das Bemühen des Steuerpflichtigen zu stellen sind.
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