Der Sachverhalt:
Im September 2014 verhängte die EU-Kommission gegen vier Unternehmen (Infineon Technologies, Philips, Samsung und Renesas) Geldbußen i.H.v. insgesamt rd. 138 Mio. € wegen abgestimmten Verhaltens auf dem Markt für Smartcard-Chips im EWR in der Zeit von 2003 bis 2005. Das Kartell stützte sich auf ein Netz bilateraler Kontakte und den Austausch sensibler Geschäftsdaten zwischen den Unternehmen, u.a. in Bezug auf die Preise. Die Kommission verhängte u.a. eine Geldbuße von rd. 83 Mio. € gegen Infineon und von rd. 20 Mio. € gegen Philips. Infineon und Philips stellten das Bestehen des Kartells in Abrede und beanstandeten die Höhe der Geldbuße; deshalb erhoben sie Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission.
Der Generalanwalt Melchior Wathelet schlägt in seinen heutigen Schlussanträgen vor, das Urteil des EuG gegen Infineon aufzuheben und die Rechtssache an das EuG zurückzuverweisen.
Die Gründe:
Das EuG hat in seinem Urteil nicht alle Argumente, die Infineon als Beleg für die Rechtmäßigkeit der ihr angelasteten bilateralen Kontakte mit den anderen Kartellteilnehmern vorgebracht hat. Das EuG hat nämlich lediglich fünf der elf bilateralen Kontakte von Infineon mit den anderen Kartellteilnehmern geprüft. Zwar hat es keinen Rechtsfehler begangen, als es seine Prüfung auf diese fünf Kontakte beschränkt hat, um das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung festzustellen. Es hätte aber eine vollständige Prüfung aller von Infineon bestrittenen Kontakte durchführen müssen, um festzustellen, ob der Betrag der von der Kommission verhängten Geldbuße der Schwere der Kartellbeteiligung des Unternehmens entsprach: Denn die Berücksichtigung der elf bilateralen Kontakte hätte das Gericht dazu veranlassen können, festzustellen, dass sich Infineon nicht an allen Bestandteilen des Kartells beteiligt hat oder dass es eine untergeordnete Rolle im Kartell gespielt hat, und somit die von der Kommission verhängte Geldbuße herabzusetzen gewesen wäre.
Das EuG hat zudem nicht alle Faktoren berücksichtigt, die für die Beurteilung der Schwere des Infineon zur Last gelegten Verhaltens von Bedeutung sind, und es ist nicht auf alle von diesem Unternehmen vorgebrachten Argumente für eine Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße rechtlich hinreichend eingegangen. Der Generalanwalt schlägt dem EuGH deshalb vor, das Urteil des EuG aufzuheben und die Rechtssache dorthin zurückzuverweisen, damit es sämtliche betroffenen Kontakte prüft und daraus die erforderlichen Schlüsse zieht.
Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Schlussanträge klicken Sie bitte hier.