Der Sachverhalt:
Steuerberater B (späterer Insolvenzschuldner) gab für die Streitjahre 2000 und 2001 zunächst keine Umsatzsteuererklärungen ab. Das Finanzamt setzte nach einer Umsatzsteuersonderprüfung die Umsatzsteuer 2000 und 2001 auf der Grundlage von Kontrollmitteilungen und Hinzuschätzungen im September 2002 fest. Im Einspruchsverfahren reichte B Steuererklärungen ein. Das Finanzamt änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen 2000 und 2001 im Mai 2003. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klagen 8 K 5787/03 und 8 K 227/04 nahm B zurück.
Durch Beschluss des AG vom 6.11.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des B eröffnet und der spätere Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser erhob Widerspruch gegen die vom Finanzamt zur Tabelle angemeldeten Umsatzsteuerforderungen. Das Finanzamt erließ am 7.6.2010 einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO. Die Klage des Insolvenzschuldners B wies das FG durch Urteil vom 29.7.2014 ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision wies der BFH durch Beschluss zurück (BFH 23.7.2015, VII B 132/14). Am 4.10.2012 nahm das Finanzamt das Verfahren 8 K 3605/06 wegen Umsatzsteuer 2000 bis 2002 auf. Das bisherige Anfechtungsverfahren wandelte sich dadurch in ein Insolvenzfeststellungsverfahren mit dem Finanzamt als Kläger und dem Insolvenzverwalter als Beklagten um.
Das FG gab der Klage des Finanzamts statt und stellte fest, dass die Anmeldung der Umsatzsteuer 2000 bis 2002 zur Insolvenztabelle in der angemeldeten Höhe zu Recht erfolgt sei, weil die Umsatzsteuerbescheide rechtmäßig gewesen seien. Auf die Revision des Beklagten hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass sich das ursprüngliche Anfechtungsverfahren durch die Aufnahme des Finanzamts in eine Insolvenzfeststellungsklage des Finanzamts gewandelt hat. Diese Feststellungsklage ist jedoch unzulässig, weil es spätestens seit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides vom 7.6.2010 mit Bekanntgabe des BFH-Beschlusses vom 23.7.2015 VII B 132/14 an dem Feststellungsinteresse des Finanzamts fehlt.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung der vor Insolvenzeröffnung mit einem Einspruch angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung nur durch Aufnahme des unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben. Das ursprüngliche Anfechtungsverfahren hat sich durch die Aufnahme des Verfahrens durch das Finanzamt in ein Insolvenzfeststellungsverfahren gewandelt, wodurch sich die Parteirollen der Beteiligten geändert haben. Das Finanzamt tritt nunmehr als Klagepartei hinsichtlich des von ihm erhobenen Feststellungsantrags auf. Streitgegenstand ist dabei die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle.
Diese Feststellungsklage ist unzulässig, weil das gem. § 41 Abs. 1 FGO erforderliche Feststellungsinteresse des Finanzamts spätestens mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des am 7.6.2010 erlassenen Feststellungsbescheides durch den BFH-Beschluss vom 23.7.2015, VII B 132/14 entfallen ist; die Vorentscheidung ist dadurch unrichtig geworden. Ein gem. § 251 Abs. 3 AO wirksam erlassener Bescheid enthält die Feststellung, dass der bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und i.S.d. § 38 InsO begründet ist. Festgestellte Steueransprüche werden von der rechtskraftähnlichen Wirkung des Tabelleneintrages i.S.v.§ 178 Abs. 3 InsO erfasst, so dass sie ohne Steuerbescheid durchgesetzt werden können.
Wird der Feststellungsbescheid -wie hier - unanfechtbar, wirkt er in entsprechender Anwendung der Regelung in § 183 Abs. 1 InsO wie eine rechtskräftige Entscheidung gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Ein weitergehendes Feststellungsinteresse des Finanzamts besteht im vorliegenden Verfahren jedenfalls seit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides vom 7.6.2010 mit Bekanntgabe des BFH-Beschlusses vom 23.7.2015, VII B 132/14 nicht. Das Feststellungsinteresse muss auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung durch den BFH über die Revision vorliegen.
Eine Unrichtigkeit des FG-Urteils kann deshalb auch nachträglich noch während des Revisionsverfahrens durch Tatsachen eintreten, die den Fortgang des Verfahrens betreffen. Eine solche Tatsache stellt die vom Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses dar. Fällt das Rechtsschutzinteresse während des Revisionsverfahrens weg, entfällt diese Sachentscheidungsvoraussetzung auch für die Klage. Da das Feststellungsinteresse nur eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ist, gilt für den Fortfall des Feststellungsinteresses dasselbe.
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