Der Sachverhalt:
Der Kläger betrieb ein Abbruchunternehmen als Ein-Mann-Betrieb, nachdem er zuvor bei seinem Vater für dessen Abbruchunternehmen als Angestellter gearbeitet hatte. Er firmierte fortan unter derselben Adresse wie sein Vater und ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Im Rahmen seines Unternehmens führte der Kläger Abbruch- und Reinigungsarbeiten auf dem Gelände seines (einzigen) Auftraggebers, der F-Firma, in einer anderen Stadt aus. Den Kunden hatte er von seinem Vater übernommen. Für die Fahrten zur F-Firma nutzte er zum Teil seinen im Betriebsvermögen befindlichen PKW und führte im Übrigen die Fahrten mit einem LKW seines Vaters von dessen Betriebshof durch.
Eine steuerliche Betriebsprüfung kam 2016 zu der Ansicht, dass sich die einzige Betriebsstätte des Klägers auf dem Gelände der F-Firma befunden habe. Deshalb seien die Fahrten des Klägers dorthin als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und nicht als Reisekosten zu qualifizieren. Abweichend von § 12 AO sei nämlich der Begriff der Betriebsstätte im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG und im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sowie wegen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften als von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte zu verstehen, die weder eine ortsfeste betriebliche Einrichtung noch eine eigene Verfügungsmacht des Betriebsinhabers voraussetze.
Das Grundstück seines Vaters, von wo aus er jeweils mit LKW gestartet war, sei keine Betriebsstätte des Klägers. Der Kläger habe keine Miete für eine etwaige Nutzung des Geländes gezahlt. Die Verwendung der Firmenadresse des Vaters und fast identischer Rechnungsvordrucke sei bewusst gewählt worden. Infolgedessen wurden die erklärten Fahrtkosten unter Bezugnahme auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen.
Der Kläger hielt dagegen, er habe auf dem Gelände der F-Firma über keine Betriebsmittel verfügt und keinen freien Zugang zu dem Gelände gehabt. Da er nicht über langfristige Verträge an die F-Firma gebunden gewesen sei, sei auch das Merkmal der Dauerhaftigkeit für die Annahme einer Betriebsstätte nicht erfüllt. Das FG wies allerdings die gegen die Festsetzungen der Einkommensteuer sowie der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2012 bis 2014 gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung und der Betriebsstätte der F-Firma angenommen und dementsprechend nicht abziehbare Betriebsausgaben gewinnerhöhend berechnet. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG sind erfüllt.
Auf dem Betriebsgelände der F-Firma ist der Kläger regelmäßig seinen Tätigkeiten nachgegangen. Damit sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsstätte erfüllt. Dem steht nicht entgegen, wenn der Kläger keinen freien jederzeitigen Zugang zu dem Gelände der F-Firma gehabt haben sollte. Das von dem Kläger betonte Merkmal der "Dauerhaftigkeit" findet sich in diesem Zusammenhang und mit dem Ziel einer Gleichstellung mit der diesbezüglichen Besteuerung von Arbeitnehmern in der Frage der Regelmäßigkeit des Aufsuchens der Tätigkeitsstätte wieder. Der Regelmäßigkeit des Aufsuchens der Tätigkeitsstätte steht hierbei nicht entgegen, dass der Kläger den Betrieb seines einzigen Auftraggebers zivilrechtlich auf Grund einer Vielzahl von Einzelaufträgen aufgesucht hat.
Die ab dem Veranlagungszeitraum 2014 geltende neue Fassung des § 9 EStG führte für Arbeitnehmer den Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" sowie in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG eine Definition des Begriffes der "dauerhaften Zuordnung" ein. Hierdurch hat sich jedoch für Gewerbetreibende, wie dem Kläger, hinsichtlich der Behandlung der Reisekosten insoweit keine Veränderung ergeben. Denn § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG spricht im Zusammenhang mit Gewinnerzielungseinkünften seit jeher und unverändert von Wegen zwischen Wohnung und "Betriebsstätte".
Für eine unveränderte Handhabung bei Gewerbetreibenden spricht zudem, dass der Verweis in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG den Satz 1 des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG von der entsprechenden Anwendung ausnimmt und nur die entsprechende Anwendung der Berechnungsmodalitäten (Sätze 2 bis 6 der Vorschrift) anordnet. § 9 Abs. 4 und 4a EStG als weitergehende Normierungen im Zusammenhang mit dem neuen Begriff der ersten Tätigkeitsstätte finden in der Verweisung keine Erwähnung. Im Übrigen wären bei einer entsprechenden Anwendung im Fall des Klägers auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Sätze 3 und 4 EStG erfüllt, weil das Tätigkeitwerden für die F-Firma zwischen 2010 und 2014 und in den Jahren davor (durch den Betrieb des Vaters) und über 2014 hinaus zur Überzeugung des Gerichts belegt, dass die Zusammenarbeit von vornherein auf (unbefristete) Dauer angelegt war.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse stellte die Aufgabenerledigung auf dem Betriebsgelände der F-Firma nach inhaltlichen wie auch zeitlichen Kriterien eindeutig den Mittelpunkt der betrieblichen Arbeit des Klägers dar. Der Senat folgt dem Kläger aber insoweit als dass sich auf dem Betriebsgelände seines Vaters seine (zweite) Betriebsstätte befunden hat.
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