Der Sachverhalt:
Mit Bescheiden vom 9.11.2009 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2005 und 2006 entsprechend der Anlage 1 zum Prüfungsbericht auf 60.913 € (2005) und 81.963 € (2006) fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er sich gegen die Besteuerung der Geschäftsführervergütung und den Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage wandte. Der Einspruch hatte jedoch nur in geringem Umfang Erfolg. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 5.7.2013 die Umsatzsteuer jeweils nur um 1.757 € herab. In der mündlichen Verhandlung des Klageverfahrens vom 24.10.2016 kamen die Beteiligten dahingehend überein, dass in den Jahren 2005 und 2006 ein der Umsatzsteuer unterliegendes Geschäftsführerhonorar von 184.000 € brutto zu versteuern sei. Die Beteiligten erklärten daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
In Umsetzung der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Zusage erließ das Finanzamt am 23.11.2016 geänderte Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006, mit denen es die bisher festgesetzte Umsatzsteuer um jeweils 20.698 € minderte. Am 21.12.2016 legte der Kläger gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2006 Einspruch ein und begehrte eine Minderung der Umsätze um 76.191 €. Darauf ließ sich die Finanzbehörde allerdings nicht ein.
Der Kläger war der Ansicht, Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2006 enthalte einen nicht nachvollziehbaren Rechen- bzw. Übernahmefehler. Das FG gab der Klage statt und änderte den Bescheid dahingehend, dass die Umsatzsteuer um 19.562 € herabgesetzt wird. Allerdings wurde die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Im Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 hatte das Finanzamt die steuerpflichtigen Umsätze des Klägers um (mindestens) 122.266 € zu hoch angesetzt. Die in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten stehen der begehrten Änderung weder unter dem Gesichtspunkt der Anfechtungsbeschränkung von Änderungsbescheiden noch im Hinblick auf die Festsetzungsverjährung entgegen.
Nach § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, mit der Klage nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt. Bei dem vorliegend angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der einen unanfechtbaren Verwaltungsakt ändert. Denn die Beteiligten hatten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Dadurch wurden die in diesem Verfahren angefochtenen Steuerfestsetzungen - so auch der Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 9.11.2009 - unanfechtbar.
Infolgedessen war das Finanzamt nach Treu und Glauben dazu verpflichtet, die im Erörterungstermin zugesagte Änderung des bestandskräftig gewordenen Bescheides zugunsten des Klägers vorzunehmen. Setzt es die Änderungszusage - wie vorliegend mit Bescheid vom 23.11.2016 - zutreffend um, ist eine Anfechtung des in Umsetzung der Änderungszusage ergangenen Änderungsbescheides regelmäßig nach § 351 Abs. 1 AO unzulässig. Somit greift die Anfechtungsbeschränkung des § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 1 AO im Streitfall nicht ein. Denn soweit das Finanzamt die Umsätze um 122.266 € und infolgedessen die Umsatzsteuer um 19.562 € zu hoch festgesetzt hatte, beruhte dieser Fehler auf einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO.
Die vom Kläger begehrte Änderung ist auch nicht wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ausgeschlossen. Denn im Zeitpunkt seines Einspruchs vom 21.12.2016 gegen den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen, sondern war deren Ablauf sowohl nach § 171 Abs. 3a AO als auch nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt. Durch den Einspruch und die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 9.11.2009 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.7.2013) lief die Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden worden ist.
Die Sachlage ist nach Auffassung des Senats vergleichbar mit den in § 171 Abs. 3a Satz 3 AO geregelten Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und § 101 FGO, in denen die Ablaufhemmung erst endet, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO soll die Durchführung des behördlichen Verfahrens sichern, wenn sich ein solches nach der Entscheidung des FG als notwendig erweist etwa bei Übertragung der Berechnung des Steuerbetrages auf die Finanzbehörde oder bei der Verpflichtung der Finanzbehörde zum Erlass eines Steuerbescheides. Der drohende Ablauf der Festsetzungsfrist mit der Folge der Unzulässigkeit der Steuerfestsetzung soll das finanzgerichtliche Verfahren nicht belasten. Ein solches Bedürfnis besteht auch in den - in der finanzgerichtlichen Praxis weit verbreiteten - Fällen der Erledigungserklärungen nach Änderungszusage.
Der Senat sieht sich in seiner Auffassung durch das BFH-Urteil vom 24.1.2002, Az.: III R 49/00 bestätigt. Danach sind Kläger bis zur formellen Bestandskraft der Änderungsbescheide nicht an einer anderweitigen Ausübung ihres Veranlagungswahlrechts nach § 26 EStG gehindert, wenn das Finanzamt in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zugesagt hat, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide unter Ansatz geringerer Einkünfte zu ändern und daraufhin übereinstimmend der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Das Urteil enthält zwar keine Ausführungen zur Festsetzungsfrist. Da jedoch nach Ablauf der Festsetzungsfrist kein Recht mehr auf Wahl der getrennten Veranlagung besteht (BFH-Beschl. v. 8.3.2010, Az.: VIII B 15/09) und die reguläre Festsetzungsfrist abgelaufen war, ist der BFH zumindest inzidenter davon ausgegangen, dass die Ablaufhemmung erst mit Unanfechtbarkeit der zugesagten Änderungsbescheide endete.
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