Der Sachverhalt:
Die Firma A hatte in den Jahren 2012 und 2013 für die Klägerin Bauleistungen erbracht und dafür 429.630 € vereinbart. Die Beteiligten sahen zunächst die Klägerin als Leistungsempfängerin als Steuerschuldnerin nach § 13b UStG an. Nach Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 22.08.2013 - V R 37/10 gab die Klägerin für das Jahr 2012 und das erste Quartal 2013 berichtigte Umsatzsteuererklärungen ab.
Beim Finanzamt machte die Klägerin geltend, dass insbesondere wegen der detaillierten Geltendmachung von Gewährleistungsrechten durch den Bauträger eine abtretbare Forderung i.S.d. § 27 Abs. 19 UStG im Streitfall nicht bestehe. Nach Inkrafttreten von § 27 Abs. 19 UStG nahm das Finanzamt den leistenden Unternehmer A durch einen nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid 2012 als Steuerschuldner in Anspruch und nahm nach den Regelungen der §§ 398 ff. BGB dessen Angebot auf Abtretung des ihm gegen die Klägerin zustehenden "Anspruchs auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer" an. Später informierte das Finanzamt die Klägerin, dass es die von A angezeigte Abtretung angenommen habe und dass Zahlungen betreffend die Umsatzsteuer durch die Klägerin an die A nicht mehr möglich seien. Es werde eine Aufrechnung angestrebt.
Nach Annahme der Abtretung forderte das Finanzamt die Klägerin zur Zahlung von 67.059 € auf. Im Rahmen ihres gegen die Annahme des Abtretungsangebots durch das Finanzamt gerichteten Einspruchs trug die Klägerin vor, sie habe bereits 357.424 € gezahlt. Ein darüber hinausgehender Vergütungsanspruch bestehe nicht, weil Baumängel vorlägen. Somit sei die Forderung gem. § 362 BGB erloschen und habe deswegen nicht abgetreten werden können. Der Antrag auf Zulassung der Abtretung habe demnach abgelehnt werden müssen. Die Entscheidung sei auch ermessensfehlerhaft gewesen, weil Bauvertragsrisiken in das Finanzverwaltungsverfahren verlagert würden.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und verwarf die Klage als unzulässig.
Gründe:
Das FG hat zu Unrecht ein Sachurteil erlassen, anstatt die Klage mangels von der Klägerin anfechtbaren Verwaltungsakts als unzulässig zu verwerfen.
In der Mitteilung über den zivilrechtlichen Forderungserwerb des Finanzamtes durch Abtretung war kein Verwaltungsakt zu sehen. Schließlich stellen behördliche Schreiben, die nur die rechtliche Würdigung eines gleichzeitig mitgeteilten Sachverhalts vermitteln, mangels Regelung keinen Verwaltungsakt dar. Danach ist auch die Mitteilung der Finanzbehörde, dass es wie im Streitfall eine zivilrechtliche Forderung erworben habe, kein Verwaltungsakt.
Weder bei der Abtretung eines zivilrechtlichen Forderungsanspruchs nach § 398 BGB durch Angebot und Annahme noch bei der Mitwirkung des Finanzamtes durch eine Angebotsannahme wie im Streitfall handelt es sich um Verwaltungsakte i.S.v. § 118 Satz 1 AO. Sowohl für die zivilrechtlich erfolgende Abtretung wie auch bei der ebenso dem Zivilrecht unterliegenden Mitwirkungshandlung der Finanzbehörde ergibt sich dies bereits daraus, dass es an einer hoheitlichen Maßnahme fehlt.
Ebenso ist die Zulassung der Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG mangels eigener Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) kein vom Drittschuldner anfechtbarer Verwaltungsakt. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage gem. § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Fühlt sich der Nichtadressat eines Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt, kommt eine Klagebefugnis für ihn nur in Betracht, wenn er geltend machen kann, in seinen eigenen Rechten verletzt zu sein. Dies ist nur dann zu bejahen, wenn eine Vorschrift den Individualinteressen des Klägers zu dienen bestimmt ist. Das Erfordernis der Zulassung hat dagegen keine drittschützende Wirkung zugunsten von Drittschuldnern wie der Steuerpflichtigen.
Die Zulassung der Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG steht in einem engen Zusammenhang mit der Korrekturvorschrift des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG und des dabei durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG angeordneten Ausschlusses des Vertrauensschutzes nach § 176 AO. Eine Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG kann gegenüber dem leistenden Unternehmer nur geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Das Finanzamt muss daher nicht erst im Erhebungsverfahren bei einer Entscheidung über die Abtretung, sondern bereits im Festsetzungsverfahren bei der Prüfung der Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG feststellen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger besteht.
Dadurch wird der für den leistenden Bauunternehmer erforderliche Schutz bei der Korrektur einer Fehlbeurteilung durch die Finanzverwaltung verwirklicht, dient aber nicht dem Schutz des Schuldners der abgetretenen Forderung wie im Streitfall der Steuerpflichtigen. Daher ist es ohne Bedeutung, ob Einwendungen oder Einreden des Schuldners gegen die abgetretene Forderung bestehen. Das Finanzamt kann sich dann für oder gegen eine Abtretung mit Bescheidänderung gegen den leistenden Unternehmer entscheiden.
Kommt es zu einer Abtretung, kann über Einwendungen oder Einreden des Schuldners wie im Streitfall der Klägerin in Bezug auf behauptete Baumängel im Fall einer Aufrechnung durch das Finanzamt im Rahmen eines gem. § 218 Abs. 2 AO zu erlassenden Abrechnungsbescheids oder, wenn die Steuerbehörde den durch Abtretung erworbenen Anspruch zivilrechtlich durchsetzt, im Zivilprozess entschieden werden. Eine Schutzbedürftigkeit des Schuldners der abgetretenen Forderung, im Streitfall der Klägerin, besteht nicht, da sich die Abtretung unter Bedingungen des Zivilrechts vollzieht und daher ohne gesondertes Abtretungsverbot stets mit einem Gläubigerwechsel gerechnet werden muss.
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