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Zur ambulanten Abgabe von Fertigarzneimitteln in Krankenhäusern

Für pa­ti­en­ten­in­di­vi­du­ell her­ge­stellte und ab­ge­ge­bene Me­di­ka­mente von Kran­ken­haus­apo­the­ken im Rah­men ei­ner am­bu­lant in dem­sel­ben Kran­ken­haus durch­geführ­ten Heil­be­hand­lung wird mitt­ler­weile auch von der Fi­nanz­ver­wal­tung das Vor­lie­gen ei­nes um­satz­steu­er­freien Um­sat­zes nach § 4 Nr. 14 b UStG an­er­kannt (vgl. BMF-Schrei­ben vom 28.09.2016, BStBl. 2016 I S. 1043). Da­ge­gen sieht die Fi­nanz­ver­wal­tung die Ab­gabe von Fer­ti­garz­nei­mit­teln im Rah­men ei­ner am­bu­lan­ten Kran­ken­haus­be­hand­lung nicht als einen um­satz­steu­er­freien, mit der Heil­be­hand­lung eng ver­bun­de­nen Um­satz an, selbst wenn sie als Be­gleit­me­di­ka­mente ver­ab­reicht wer­den (vgl. Verfügung der OFD Frank­furt vom 22.11.2016 (DStR 2017, S 604).

Das Fi­nanz­ge­richt Sach­sen-An­halt hatte ein Zwi­schen­ur­teil (Ur­teil vom 20.10.2021, Az. 3 K 1024/17) er­las­sen, in­dem es auch die Ver­ab­rei­chung von Fer­ti­garz­nei­mit­teln im Rah­men ei­ner am­bu­lan­ten Kran­ken­haus­be­hand­lung als mit der Heil­be­hand­lung eng ver­bun­de­nen um­satz­steu­er­freien Um­satz nach § 4 Nr. 14 b UStG ein­stuft. Ent­schei­dend für diese Ein­stu­fung sei, dass die Er­rei­chung der the­ra­peu­ti­schen Ziele im Rah­men der am­bu­lan­ten Heil­be­hand­lung auf Grund der ärzt­li­chen Ent­schei­dung zur Ver­ab­rei­chung un­erläss­lich war. Ob das Me­di­ka­ment in­di­vi­du­ell für den Pa­ti­en­ten her­ge­stellt wird oder ob es ein Fer­ti­garz­nei­mit­tel ist, sei für die um­satz­steu­er­li­che Be­ur­tei­lung ohne Re­le­vanz. Es käme al­lein auf die Be­deu­tung des Me­di­ka­ments im Rah­men der Heil­be­hand­lung an. Der Um­stand der Not­wen­dig­keit ei­ner Ver­ab­rei­chung von Fer­ti­garz­nei­mit­teln im Rah­men von Heil­be­hand­lungs­leis­tun­gen rei­che aus, um von einem mit der ärzt­li­chen Heil­be­hand­lung eng ver­bun­de­nen Um­satz aus­ge­hen zu können. Hier­bei rei­che es aus, wenn der be­han­delnde Arzt von der Not­wen­dig­keit aus­gehe. Es komme auch nicht zur un­be­stimm­ten Aus­wei­tung der Um­satz­steu­er­frei­heit, weil diese auf die Fälle be­schränkt bleibe, in de­nen eine enge Ver­bin­dung mit ei­ner ärzt­li­chen Heil­be­hand­lung vor­liege.

Los­gelöst von die­sem Ur­teil hat das Bun­des­so­zi­al­ge­richt (BAG) in sei­ner Ent­schei­dung vom 10.11.2021 eine Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde (Az. B 1 KR 5/21 B), die Um­satz­steu­errücker­stat­tungs­an­sprüche ei­ner ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) bezüglich im Kran­ken­haus am­bu­lant ab­ge­ge­be­ner Fer­ti­garz­nei­mit­tel zum Ge­gen­stand hatte, ab­ge­wie­sen. Die An­sprüche der GKV bestünden, da es keine ein­deu­ti­gen Re­ge­lun­gen der Fi­nanz­ver­wal­tung gäbe. We­der be­handle die Fi­nanz­ver­wal­tung am­bu­lant ab­ge­ge­bene Fer­ti­garz­nei­mit­tel um­satz­steu­er­frei, noch sei sie der Auf­fas­sung, dass jene un­ter den ermäßig­ten Um­satz­steu­er­satz fal­len würden.

Das BSG führt aber aus, dass eine Min­dest­vor­aus­set­zung für die Pflicht ei­nes Kran­ken­hau­ses, Um­satz­steu­er­er­stat­tungs­an­sprüche ge­genüber der Fi­nanz­ver­wal­tung of­fen zu hal­ten, sei, dass ein Ur­teil ei­nes Fi­nanz­ge­richts vor­liege, das die Um­satz­steu­er­pflicht der Ab­gabe von Fer­ti­garz­nei­mit­tel ver­neine oder den ermäßig­ten Um­satz­steu­er­satz für An­wen­dung halte. Hier­bei ver­weist das BSG auf seine frühere Recht­spre­chung vom 19.04.2019 (BSGE 128, S. 65), wo­nach außer­ge­richt­li­che kos­ten­lose Rechts­be­helfe zu­mut­bar seien, um einen ver­trag­li­chen Rück­zah­lungs­an­spruch ab­zu­si­chern, wenn bei verständi­ger Würdi­gung die na­he­lie­gende Möglich­keit der Ände­rung der Rechts­auf­fas­sung der Steu­er­ver­wal­tung be­stehe. Dies sei je­doch nur dann der Fall, wenn der Kran­ken­hausträger mit dem Hin­weis auf eine ab­wei­chende fi­nanz­ge­richt­li­che Ent­schei­dung er­war­ten dürfe, dass die Steu­er­ver­wal­tung ih­rer­seits das Ver­wal­tungs- oder zu­min­dest das Ein­spruchs­ver­fah­ren des­we­gen nicht ab­schließen werde.

Of­fen­bar hatte das BSG zum Zeit­punkt der Ur­teils­verkündung noch keine Kennt­nis vom Zwi­schen­ur­teil des FG Sach­sen-An­halt.

Hin­weis: Zwar ist bezüglich des Zwi­schen­ur­teils des FG Sach­sen-An­halt Re­vi­sion beim BFH anhängig, gleich­wohl emp­feh­len wir Kran­kenhäusern, die eine ei­gene Kran­ken­haus­apo­theke führen und in ihre Am­bu­lan­zen Fer­ti­garz­nei­mit­tel ab­ge­ben, ihre Um­satz­steu­er­be­scheide so­weit noch möglich of­fen­zu­hal­ten, um nicht scha­dens­er­satz­pflich­tig ge­genüber den GKV zu wer­den. Denn wie So­zi­al­ge­richte auf Um­satz­steu­errücker­stat­tungs­an­sprüche in Be­zug auf am­bu­lant ab­ge­ge­bene FAM rea­gie­ren wer­den, kann der­zeit nicht vor­her­ge­se­hen wer­den. Fer­ner soll­ten be­trof­fene Kran­kenhäuser die Re­ge­lun­gen in ih­ren Verträgen nach § 129a SGB V bezüglich Aus­gleichs­me­cha­nis­men überprüfen, um ge­ge­be­nen­falls Ge­richts­ver­fah­ren zu ver­hin­dern.

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