Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt hatte ein Zwischenurteil (Urteil vom 20.10.2021, Az. 3 K 1024/17) erlassen, indem es auch die Verabreichung von Fertigarzneimitteln im Rahmen einer ambulanten Krankenhausbehandlung als mit der Heilbehandlung eng verbundenen umsatzsteuerfreien Umsatz nach § 4 Nr. 14 b UStG einstuft. Entscheidend für diese Einstufung sei, dass die Erreichung der therapeutischen Ziele im Rahmen der ambulanten Heilbehandlung auf Grund der ärztlichen Entscheidung zur Verabreichung unerlässlich war. Ob das Medikament individuell für den Patienten hergestellt wird oder ob es ein Fertigarzneimittel ist, sei für die umsatzsteuerliche Beurteilung ohne Relevanz. Es käme allein auf die Bedeutung des Medikaments im Rahmen der Heilbehandlung an. Der Umstand der Notwendigkeit einer Verabreichung von Fertigarzneimitteln im Rahmen von Heilbehandlungsleistungen reiche aus, um von einem mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatz ausgehen zu können. Hierbei reiche es aus, wenn der behandelnde Arzt von der Notwendigkeit ausgehe. Es komme auch nicht zur unbestimmten Ausweitung der Umsatzsteuerfreiheit, weil diese auf die Fälle beschränkt bleibe, in denen eine enge Verbindung mit einer ärztlichen Heilbehandlung vorliege.
Losgelöst von diesem Urteil hat das Bundessozialgericht (BAG) in seiner Entscheidung vom 10.11.2021 eine Nichtzulassungsbeschwerde (Az. B 1 KR 5/21 B), die Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezüglich im Krankenhaus ambulant abgegebener Fertigarzneimittel zum Gegenstand hatte, abgewiesen. Die Ansprüche der GKV bestünden, da es keine eindeutigen Regelungen der Finanzverwaltung gäbe. Weder behandle die Finanzverwaltung ambulant abgegebene Fertigarzneimittel umsatzsteuerfrei, noch sei sie der Auffassung, dass jene unter den ermäßigten Umsatzsteuersatz fallen würden.
Das BSG führt aber aus, dass eine Mindestvoraussetzung für die Pflicht eines Krankenhauses, Umsatzsteuererstattungsansprüche gegenüber der Finanzverwaltung offen zu halten, sei, dass ein Urteil eines Finanzgerichts vorliege, das die Umsatzsteuerpflicht der Abgabe von Fertigarzneimittel verneine oder den ermäßigten Umsatzsteuersatz für Anwendung halte. Hierbei verweist das BSG auf seine frühere Rechtsprechung vom 19.04.2019 (BSGE 128, S. 65), wonach außergerichtliche kostenlose Rechtsbehelfe zumutbar seien, um einen vertraglichen Rückzahlungsanspruch abzusichern, wenn bei verständiger Würdigung die naheliegende Möglichkeit der Änderung der Rechtsauffassung der Steuerverwaltung bestehe. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn der Krankenhausträger mit dem Hinweis auf eine abweichende finanzgerichtliche Entscheidung erwarten dürfe, dass die Steuerverwaltung ihrerseits das Verwaltungs- oder zumindest das Einspruchsverfahren deswegen nicht abschließen werde.
Offenbar hatte das BSG zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch keine Kenntnis vom Zwischenurteil des FG Sachsen-Anhalt.
Hinweis: Zwar ist bezüglich des Zwischenurteils des FG Sachsen-Anhalt Revision beim BFH anhängig, gleichwohl empfehlen wir Krankenhäusern, die eine eigene Krankenhausapotheke führen und in ihre Ambulanzen Fertigarzneimittel abgeben, ihre Umsatzsteuerbescheide soweit noch möglich offenzuhalten, um nicht schadensersatzpflichtig gegenüber den GKV zu werden. Denn wie Sozialgerichte auf Umsatzsteuerrückerstattungsansprüche in Bezug auf ambulant abgegebene FAM reagieren werden, kann derzeit nicht vorhergesehen werden. Ferner sollten betroffene Krankenhäuser die Regelungen in ihren Verträgen nach § 129a SGB V bezüglich Ausgleichsmechanismen überprüfen, um gegebenenfalls Gerichtsverfahren zu verhindern.