deen

Rechtsberatung

Zur Anwendung unionsrechtlicher Grundsätze der Erschöpfung des Markenrechts

BGH v. 11.10.2018 - I ZR 165/15

Die Frage, ob und in wel­chem Um­fang die vom EuGH auf­ge­stell­ten uni­ons­recht­li­chen Grundsätze der Er­schöpfung des Mar­ken­rechts im Falle des Par­al­lel­im­ports von Arz­nei­mit­teln auch auf Me­di­zin­pro­dukte (hier: Ver­bands­ma­te­rial) An­wen­dung fin­den, stellt sich nur dann, wenn der Im­por­teur die Ware um­ge­packt hat, wo­bei der Be­griff des Um­pa­ckens auch die Neue­ti­ket­tie­rung von mit der Marke ver­se­he­nen Arz­nei­mit­teln um­fasst. Wurde die Ver­pa­ckung des be­tref­fen­den Er­zeug­nis­ses nicht verändert und die ur­sprüng­li­che Auf­ma­chung der Ver­pa­ckung nicht an­ders be­einträch­tigt als durch An­brin­gen ei­nes klei­nen Auf­kle­bers auf einem un­be­druck­ten Teil der ungeöff­ne­ten Ori­gi­nal­ver­pa­ckung, der die Marke nicht ver­deckt und den Par­al­lel­im­por­teur als Ver­ant­wort­li­chen für das In­ver­kehr­brin­gen aus­weist, kann nicht von einem Um­pa­cken aus­ge­gan­gen wer­den.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin ist In­ha­be­rin der im Juni 2010 für "Sa­nitärpro­dukte für me­di­zi­ni­sche Zwecke", "Pflas­ter" und "Ver­bands­ma­te­rial" ein­ge­tra­ge­nen Ge­mein­schafts­wort­marke Nr. 8852279 "DE­BRI­SOFT". Sie stellt her und ver­treibt u.a. das Pro­dukt "De­bri­soft zum De­bri­de­ment, STE­RILE, 10 x 10 cm, 5 Stück". Es han­delt sich da­bei um Ver­bands­ma­te­rial, das bei der oberfläch­li­chen Be­hand­lung von Wun­den und der Wund­um­ge­bung ver­wen­det wird. Die Be­klagte, eine in Öster­reich ansässige Ge­sell­schaft, ver­treibt im Wege des Par­al­lel­im­ports von der Kläge­rin her­ge­stellte und nach Öster­reich ex­por­tierte Sa­nitärpro­dukte für me­di­zi­ni­sche Zwecke und Ver­band­ma­te­rial in Deutsch­land. Im Mai 2012 er­warb die Kläge­rin in ei­ner Apo­theke in Düssel­dorf ein Pa­ket des von der Be­klag­ten zu­vor aus Öster­reich im­por­tier­ten Pro­dukts "De­bri­soft zum De­bri­de­ment, STE­RILE, 10 x 10 cm, 5 Stück". Auf der Falt­schach­tel des Pro­dukts hatte die Be­klagte vor der Veräußerung an die Apo­theke einen Auf­kle­ber an­ge­bracht, der fol­gende An­ga­ben ent­hielt:

 

Im­port BRD:

E. GmbH

Post­fach , Tel.: ...

[Wie­der­gabe ei­nes Strich­codes]

PZN-9678442

 

Der Auf­kle­ber war auf einem un­be­druck­ten Teil der Falt­schach­tel in or­dent­li­cher Weise auf­ge­bracht und ver­deckte die Marke der Kläge­rin nicht. Die An­gabe "PZN" kürzt den Be­griff "Phar­ma­zen­tral­num­mer" ab. Diese dient dazu, den Wa­ren­ver­kehr mit Apo­the­ken zu or­ga­ni­sie­ren und die ver­ein­fachte Ab­rech­nung der Apo­the­ken mit den Kran­ken­kas­sen zu ermögli­chen.

 

Die Be­klagte hatte die Kläge­rin nicht über den Re-Im­port des Pro­dukts "De­bri­soft zum De­bri­de­ment, STE­RILE, 10 x 10 cm, 5 Stück" vorab in­for­miert und ihr auch keine durch den Auf­kle­ber veränderte Pro­dukt­pa­ckung zur Verfügung ge­stellt. Die Kläge­rin sieht in dem Ver­hal­ten der Be­klag­ten eine Ver­let­zung ih­rer Marke. Eine Er­schöpfung ih­res Mar­ken­rechts sei nicht ein­ge­tre­ten, weil die Be­klagte sie über den Re-Im­port nicht vorab in­for­miert und ihr auch kein Mus­ter der veränder­ten Pa­ckung über­las­sen habe. Die Kläge­rin nimmt die Be­klagte u.a. auf Un­ter­las­sung, Aus­kunft und Fest­stel­lung der Scha­dens­er­satz­pflicht in An­spruch.

 

LG und OLG ga­ben der Klage statt, das OLG mit der Maßgabe, dass sich die Un­ter­las­sungs­ver­pflich­tung und die Fol­ge­an­sprüche le­dig­lich auf Deutsch­land be­zie­hen. Mit ih­rer Re­vi­sion ver­folgt die Be­klagte ih­ren An­trag auf Ab­wei­sung der Klage wei­ter. Der BGH setzte das Ver­fah­ren zunächst aus und legte dem EuGH Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor. Im An­schluss auf die Ent­schei­dung des EuGH hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Klage ab.

 

Die Gründe:

Die Be­klagte hat ein mit der Ge­mein­schafts­marke der Kläge­rin iden­ti­sches Zei­chen für Wa­ren be­nutzt, die mit den­je­ni­gen iden­ti­sch sind, für die die Ge­mein­schafts­marke ein­ge­tra­gen ist, und hat da­mit den Tat­be­stand ei­ner Mar­ken­ver­let­zung un­ter dem Ge­sichts­punkt der Dop­pe­li­den­tität i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV ver­wirk­licht. Das Mar­ken­recht der Kläge­rin ist je­doch gem. Art. 13 Abs. 1 GMV er­schöpft.

 

Gem. Art. 13 Abs. 2 GMV kann sich ein Drit­ter nicht auf die Er­schöpfung des Rechts des Mar­ken­in­ha­bers be­ru­fen, wenn be­rech­tigte Gründe es recht­fer­ti­gen, dass der In­ha­ber sich dem wei­te­ren Ver­trieb der Wa­ren wi­der­setzt, ins­be­son­dere wenn der Zu­stand der Wa­ren nach ih­rem In­ver­kehr­brin­gen verändert oder ver­schlech­tert ist. Diese Vor­aus­set­zun­gen lie­gen nicht vor. Mit Er­folg wen­det sich die Re­vi­sion ge­gen die An­nahme des OLG, eine Er­schöpfung des Mar­ken­rechts der Kläge­rin sei nach den auch auf Me­di­zin­pro­dukte an­zu­wen­den­den Grundsätzen ab­zu­leh­nen, die der EuGH für den Par­al­lel­im­port von Arz­nei­mit­teln ent­wi­ckelt hat und nach de­nen die im Streit­fall feh­lende Vor­ab­in­for­ma­tion des Mar­ken­in­ha­bers und das hier eben­falls feh­lende Zur­verfügung­stel­len ei­nes Pa­ckungs­mus­ters auf Ver­lan­gen des Mar­ken­in­ha­bers Vor­aus­set­zun­gen der Er­schöpfung dar­stel­len.

 

Nach der Recht­spre­chung des EuGH kann sich der In­ha­ber ei­ner Marke dem wei­te­ren Ver­trieb ei­nes aus einem an­de­ren Mit­glied­staat ein­geführ­ten Arz­nei­mit­tels in einem Mit­glied­staat wi­der­set­zen, wenn der Im­por­teur es um­ge­packt und die Marke wie­der dar­auf an­ge­bracht hat, es sei denn, es lie­gen die nach­fol­gend wie­der­ge­ge­be­nen fünf Vor­aus­set­zun­gen vor:

 

  • Es ist er­wie­sen, dass die Gel­tend­ma­chung ei­ner Marke durch den Mar­ken­in­ha­ber zu dem Zweck, sich dem Ver­trieb der um­ge­pack­ten Wa­ren un­ter der Marke zu wi­der­set­zen, zu ei­ner künst­li­chen Ab­schot­tung der Märkte zwi­schen Mit­glied­staa­ten bei­tra­gen würde. Dies ist ins­be­son­dere dann der Fall, wenn der Mar­ken­in­ha­ber das glei­che Arz­nei­mit­tel in un­ter­schied­li­chen Pa­ckun­gen in ver­schie­de­nen Mit­glied­staa­ten in den Ver­kehr ge­bracht hat und das Um­pa­cken durch den Im­por­teur er­for­der­lich ist, um das Arz­nei­mit­tel im Ein­fuhr­mit­glied­staat ver­trei­ben zu können.
  • Es ist dar­ge­tan, dass das Um­pa­cken den Ori­gi­nal­zu­stand der in der Ver­pa­ckung ent­hal­te­nen Ware nicht be­einträch­ti­gen kann.
  • Auf der neuen Ver­pa­ckung ist klar an­ge­ge­ben, von wem das Arz­nei­mit­tel um­ge­packt wor­den ist und wer de­ren Her­stel­ler ist.
  • Das um­ge­packte Er­zeug­nis ist nicht so auf­ge­macht, dass da­durch der Ruf der Marke und ih­res In­ha­bers ge­schädigt wer­den kann. Die Ver­pa­ckung darf folg­lich nicht schad­haft, von schlech­ter Qua­lität oder un­or­dent­lich sein.
  • Der Im­por­teur un­ter­rich­tet den Mar­ken­in­ha­ber vor dem In­ver­kehr­brin­gen des um­ge­pack­ten Er­zeug­nis­ses und lie­fert ihm auf Ver­lan­gen ein Mus­ter der um­ge­pack­ten Ware.

 

Diese Grundsätze fin­den so­mit nur An­wen­dung, wenn der Im­por­teur die Ware um­ge­packt hat, wo­bei der Be­griff des Um­pa­ckens nach der Recht­spre­chung des EuGH auch die Neue­ti­ket­tie­rung von mit der Marke ver­se­he­nen Arz­nei­mit­teln um­fasst. Wurde die Ver­pa­ckung des be­tref­fen­den Er­zeug­nis­ses nicht verändert und die ur­sprüng­li­che Auf­ma­chung der Ver­pa­ckung nicht an­ders be­einträch­tigt als durch An­brin­gen ei­nes klei­nen Auf­kle­bers auf einem un­be­druck­ten Teil der zu­dem ungeöff­ne­ten Ori­gi­nal­ver­pa­ckung des in Rede ste­hen­den Me­di­zin­pro­dukts, der die Marke nicht ver­deckt und den Par­al­lel­im­por­teur un­ter An­gabe sei­ner Kon­takt­da­ten, ei­nes Strich­codes und ei­ner Phar­ma­zen­tral­num­mer als Ver­ant­wort­li­chen für das In­ver­kehr­brin­gen aus­weist, kann nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass es sich bei dem An­brin­gen ei­nes sol­chen Auf­kle­bers auf der Ori­gi­nal­ver­pa­ckung um ein Um­pa­cken han­delt.

 

Link­hin­weis:

 

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text zu kom­men, kli­cken Sie bitte hier.
nach oben